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Das Programm 1

Das
Grundsatzprogramm

www.spoe.at Wir SozialdemokratInnen


2 Das Programm

Inhalt
I. Neue Herausforderungen - neue Lösungen............................................................ 3

II. Die Grundsätze der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ....................... 5

II. 1. Die Grundwerte der Sozialdemokratie ............................................................... 5

II. 2. Unseren Werten verpflichtetes Handeln ............................................................ 6

III. Politische Perspektiven ........................................................................................... 8

III. 1. Arbeit für alle in einer zukunftsorientierten Wirtschaft ................................ 8

III. 2. Innovation im gesellschaftlichen Interesse - Wissenschaft,


Forschung und Technologieentwicklung im 21. Jahrhundert ...................... 10

III. 3. In Sicherheit leben - Dimensionen der Wohlfahrtsgesellschaft ................. 11

III. 4. Hohe Lebensqualität in einer humanen Umwelt ........................................... 13

III. 5. Gleichstellung der Frauen als demokratisches Ziel -


Partnerschaft der Geschlechter in einer Gesellschaft der Chancen ........... 15

III. 6. Solidarisches Miteinander der Generationen .................................................. 17

III. 7. Soziale Demokratie leben - für Mitbestimmung


und integrative Politik ........................................................................................... 18

III. 8. Dienstleistung statt Bürokratie - für ein modernes Staatsverständnis .. 20

III. 9. Fähigkeiten des Menschen und der Gesellschaft entfalten -


die Zukunft unseres Bildungssystems ............................................................... 21

III.10. Identität und kritische Öffentlichkeit - Kunst und Medien ........................ 24

III. 11. Politik jenseits enger Grenzen - das Projekt Europa ...................................... 26

III.12. Globale Gerechtigkeit schaffen - die Zukunft der Weltgesellschaft ......... 28

IV. Demokratische Erneuerung als Prinzip - das Selbstverständnis der SPÖ .......... 29
Das Programm 3

I. Neue Herausforderungen -
neue Lösungen
(1) Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten kratischer Parteien in Europa und auf der ganzen
sind dem Ideal einer humanen, demokratischen und Welt.
gerechten Gesellschaft verpflichtet. Wir streben eine
Gesellschaft an, in der Klassengegensätze überwun- (7) Die österreichische Sozialdemokratie ist eine
den sind, in der Probleme friedlich gelöst werden Partei der Reformen und der Veränderung zum Woh-
und in der sich die menschliche Persönlichkeit frei le der Menschen. Im Laufe ihrer stolzen Geschichte
von Angst und Not entfalten und ihre Fähigkeiten von mehr als hundert Jahren haben Sozialdemokra-
entwickeln kann. tinnen und Sozialdemokraten die Gesellschaft auf
dem Boden der Demokratie nachhaltig verändert
(2) Dieses Ideal einer humanen Gesellschaft ist je- und ein beachtliches Maß an sozialer Gerechtigkeit
nes Ziel, um dessen schrittweise Verwirklichung wir erkämpft. Österreich weist heute eine hohe wirt-
uns im demokratischen Wettbewerb mit anderen schaftliche und politische Stabilität auf, bietet um-
politischen Konzeptionen bemühen. fassende Rechte für Arbeitnehmerinnen und Ar-
beitnehmer in einer modernen Wirtschaft, hat ei-
(3) Das Streben nach Verwirklichung des uralten nen ausgebauten Wohlfahrtsstaat und ist interna-
Menschheitstraums von einer gerechten Gesell- tional anerkanntes Mitglied der Völkergemein-
schaftsordnung, in der alle Menschen in Frieden und schaft.
Freiheit leben ist weiter lebendig und bietet auch
für das 21. Jahrhundert die Grundlage für solidari- (8) Der gesellschaftliche Fortschritt, für den die So-
sche Arbeit an der Realisierung des sozialdemokra- zialdemokratie steht, muß immer wieder neu er-
tischen Ideals. kämpft werden. Unsere Grundwerte - Freiheit,
Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität - haben in
(4) Die Sozialdemokratie stützt sich auf Frauen und Zeiten rapiden gesellschaftlichen Wandels besonde-
Männer, die bereit sind, an der Verwirklichung sozi- re Bedeutung. Die Mittel und Wege ihrer Verwirkli-
aldemokratischer Ziele mitzuarbeiten, die sich zu chung gestalten wir entsprechend den geänderten
solidarischem Verhalten gegenüber ihren Mitmen- gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnis-
schen bekennen und im Sinne dieses Bekenntnis- sen. Heute muß die Sozialdemokratie neue Antwor-
ses handeln. ten auf die zunehmende Internationalisierung der
Wirtschaft und des Kapitals, die wachsende Abhän-
(5) Dem Programm der Sozialdemokratie liegt ein gigkeit aller Märkte und Gesellschaften voneinan-
Menschenbild zugrunde, wonach alle Menschen als der, den sich verschärfenden Wettbewerb und die
vernunftbegabte und zu Verantwortung fähige beschleunigte technologische Entwicklung finden,
Wesen mit gleichen Rechten und Pflichten geboren die zur Konsequenz haben, daß mit immer weniger
und mit gleicher Würde ausgestattet sind; es liegt Arbeitskräften immer mehr Produkte erzeugt wer-
ihnen eine Geschichtsauffassung zugrunde, wonach den. Wir streben weiterhin die Überwindung der
die Geschichte ein offener und nicht determinier- schwersten und vielfach gesundheitsgefährdenden
ter Prozeß ist, der Chancen und Risken enthält und körperlichen Arbeit durch den Einsatz modernster
der von uns Menschen in Wechselwirkung mit un- Technologien an. Unser zentrales Ziel ist freilich das
serer Umwelt gestaltet wird. Sichern und Schaffen von bezahlter Erwerbsarbeit,
die den Lebensunterhalt sichert und die Chance für
(6) Die österreichische Sozialdemokratie betrachtet ein sinnerfülltes Leben vergrößert. Wir bekennen
sich als Teil der großen Gemeinschaft sozialdemo- uns daher zum Recht auf Arbeit.
4 Das Programm

(9) Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten positiven und negativen Auswirkungen richtig ein-
haben in unserem Parteiprogramm aus dem Jahr schätzen zu können.
1978 die „Welt, die wir verändern wollen“, beschrie-
ben. Wir haben auf die großen Fortschritte verwie- (14) Die Arbeitslosigkeit in Europa ist angestiegen,
sen, die wir in den vorangegangenen Jahren erzie- manche traditionelle Instrumente zu ihrer Be-
len konnten, aber auch auf neue Gefahren und Pro- kämpfung verlieren ihre Wirksamkeit. Ein rück-
bleme, die sich aus der Veränderung der politischen sichtsloser Neoliberalismus und ein unsozialer Neo-
und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erge- konservativismus versuchen, aus diesen Entwicklun-
ben. Die Feststellung, daß sich die SPÖ „von einer gen dauerhafte Vorteile zugunsten der Kapitalinter-
Partei der Arbeiter zu einer Partei aller arbeitenden essen und zu Lasten der arbeitenden Menschen zu
Menschen“ entwickelt hat, hat nichts von ihrer Gül- ziehen.
tigkeit verloren.
(15) Gleichzeitig bietet sich aber auch die große
(10) Seither sind weitere zwei Jahrzehnte vergangen, Chance, Europa nicht nur weiter zusammenzufüh-
das Tempo der gesellschaftlichen Veränderungen ren, zu einer Stabilitäts- und Friedenszone zu ent-
hat sich nicht verlangsamt, sondern eher beschleu- wickeln, seine Wirtschaftskraft zu erhöhen, eine
nigt. Sozialdemokratisch mitbestimmte Politik hat gemeinsame Währung aufzubauen, sondern Euro-
nicht nur geholfen, das Wohlstandsniveau zu heben, pa zu einer gemeinsamen Heimat der Menschen
sondern auch, traditionelle Fesseln des Denkens und und ihres friedlichen und sozial gesicherten Zusam-
Handelns zu überwinden. Dadurch haben sich die menlebens mit gleichen Chancen zu entwickeln und
Lebensgewohnheiten der Menschen teilweise tief- somit zu einem weltweit bedeutsamen Pfeiler für
greifend verändert. Die Lebenserwartung hat zuge- Demokratie und Stabilität zu machen.
nommen, die politischen Strukturen sind vielschich-
tiger und flexibler geworden. (16) Diese Entwicklung wird nur durch eine gemein-
same politische Kraftanstrengung einer geeinten
(11) Das kommunistische System in der Sowjetuni- europäischen Sozialdemokratie sowie Hand in Hand
on und in anderen europäischen Staaten ist zusam- mit einer geeinten europäischen Gewerkschaftsbe-
mengebrochen, die Nachkriegsordnung hat sich wegung zu verwirklichen sein.
verändert. Österreich ist Mitglied der Europäischen
Union geworden, die sich auf die nächsten Schritte (17) Da im Mittelpunkt unserer Politik der Mensch
der Erweiterung vorbereitet. Diese hier bloß skizzier- steht, können wir es nicht hinnehmen, wenn Men-
ten Veränderungen haben viele Menschen verunsi- schen zu rechnerischen Größen und Kostenfaktoren
chert. Auch der Nationalismus in seiner häßlichsten degradiert werden und so ihre Lebenschancen ge-
Form hat in Teilen Europas wieder sein Haupt erho- opfert werden.
ben und hetzt Menschen gegeneinander.
(18) Es ist kein Zufall, daß die Sozialdemokratie in
(12) Die wirtschaftliche Entwicklung hat deutlich an den letzten Jahren zur größten politischen Kraft in
Dynamik der Veränderung gewonnen. Geographi- Europa aufgestiegen ist und daß in vielen Staaten
sche Entfernungen beginnen ihre Bedeutung zu der EU Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten
verlieren, die Mobilität der Menschen nimmt zu. Der eine führende Rolle spielen, denn die Bürgerinnen
internationale Konkurrenzdruck wächst als Aus- und Bürger Europas vertrauen darauf, daß die Sozi-
druck sich angleichender Verwertungsbedingungen aldemokratie Reformen durchführt, aber soziale
des Kapitals. Stabilität bewahrt, daß sie die Kraft zur Veränderung
hat, aber das menschliche Maß nicht aus den Au-
(13) Viele dieser Entwicklungen werden unter dem gen verliert; mit einem Wort, daß das Europa der
Schlagwort „Globalisierung“ zusammengefaßt, Zukunft auf sozialdemokratischen Grundwerten
und es erfordert Weitblick und Urteilsfähigkeit, um aufbaut und in diesem Sinne auch über die Gren-
die Chancen und Risken dieser Entwicklungen, ihre zen Europas hinaus wirksam wird.
Das Programm 5

(19) Die österreichische Sozialdemokratie will mit Im Wettbewerb mit anderen demokratischen
diesem Grundsatzprogramm klare Orientierung Parteien in unserer Gesellschaft halten wir die
geben. Sie will klar machen, wodurch sich politi- Unterschiede zu diesen Parteien für wesent-
sches Handeln von Sozialdemokratinnen und So- lich.
zialdemokraten auszeichnet und warum das
Eintreten für unsere Ziele nicht nur vernünftig, son- (20) Wir laden alle Menschen ein, mit uns gemein-
dern für ein friedliches Zusammenleben in einer sam die Zukunft im Sinne unserer Grundwerte zu
lebenswerten Welt geradezu notwendig ist. gestalten.

II. Die Grundsätze


der Sozialdemokratinnen
und Sozialdemokraten
II.1. Die Grundwerte der entsprechende materielle Absicherung können
Sozialdemokratie Abhängigkeiten überwunden, Wahlmöglichkeiten
geschaffen und damit Freiheit lebbar gemacht
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden. Nur unter solchen Voraussetzungen ist ein
streben eine Gesellschaft an, in der sich die mensch- Leben in Freiheit und Sicherheit möglich, und
liche Persönlichkeit frei entfalten kann. Unsere po- damit die Grundlage für Selbstbestimmung ge-
litische Arbeit zielt darauf ab, eine Gesellschaft ohne schaffen.
Privilegien und Herrschaftsverhältnisse zu schaffen,
die demokratisch organisiert ist und auf den Wer- Gleichheit
ten der Freiheit, der Gleichheit, der Gerechtigkeit
und der Solidarität beruht. Entscheidungsgrundla- Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten
gen für die Lebensgestaltung jeder und jedes Ein- sind davon überzeugt, daß jeder Mensch in seiner
zelnen müssen vor allem die Verantwortung gegen- Einmaligkeit und Individualität gegenüber allen
über sich selbst, gegenüber den Mitmenschen und anderen Menschen gleichberechtigt und gleichwer-
der Gesellschaft, gegenüber der Umwelt sowie ge- tig ist. Daher sind alle Menschen in ihrer Unter-
genüber den künftigen Generationen sein. schiedlichkeit gleich an Rechten und Würde; deshalb
wollen wir für alle Menschen Chancengleichheit
Freiheit durchsetzen - unabhängig von ihrem Geschlecht,
ihrer Herkunft und ihrem Einkommen, ihrer körper-
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten lichen und geistigen Leistungsfähigkeit, ihrer sexu-
treten für die Freiheit jedes und jeder Einzelnen im ellen Orientierung, ihrer ethnischen Zugehörigkeit,
Sinne sozial verantworteter Selbstbestimmung ein. ihrer Weltanschauung, ihrem religiösen Bekenntnis
Die Freiheit des bzw. der Einzelnen ist für uns die oder ihrem individuellen Lebensentwurf. Zur Chan-
Voraussetzung für die Freiheit aller in der Ge- cengleichheit gehören für uns das Recht auf Arbeit
sellschaft. Freiheit bedeutet nicht nur die Absage und Bildung sowie gleiche politische und soziale
an jegliche Form der Diktatur und autoritärer Syste- Menschenrechte. Menschen, die schwächer und
me, sondern hat auch materielle und soziale Voraus- benachteiligt sind, haben ein Recht auf besondere
setzungen: Erst durch Bildung, Information und Unterstützung und Förderung.
6 Das Programm

Gerechtigkeit die Menschen nur als Kosten- und Produktionsfak-


tor betrachtet, verändern und nach sozialdemokra-
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten tischen Grundsätzen gestalten.
setzen uns für Gerechtigkeit in allen gesellschaftli-
chen Bereichen ein. Wir treten daher für eine gerech- II.2.2. Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemo-
te Verteilung aller gesellschaftlichen Chancen und kraten ist die Demokratie jene Form des Zusam-
Güter ein, insbesondere von Arbeit und Bildung so- menlebens der Menschen, in der die Prinzipien der
wie Einkommen und Vermögen. Wir treten für die Gleichheit und der Freiheit am besten verwirklicht
gleichberechtigte Teilhabe aller an der Gesellschaft werden können. Wir treten daher dafür ein, daß alle
ein und stehen dabei an der Seite der sozial Schwä- Menschen das Recht darauf haben, bei Entscheidun-
cheren. Unser Ziel ist eine Gesellschaft freier und gen, die sie betreffen, mitzubestimmen und daß das
gleicher Menschen, in der die Klassenunterschiede Prinzip der Demokratie in allen gesellschaftlichen
überwunden sind. Bereichen verwirklicht wird.

Solidarität Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitis-


mus, die von nationalistischen und populistischen
Solidarität im Sinne von Rücksichtnahme auf den Kräften geschürt oder instrumentalisiert werden,
Nächsten und Bereitschaft zu gemeinsamem Han- bedrohen die Würde und Sicherheit der Menschen
deln ist die Basis für die politische Verwirklichung und sind daher eine Gefahr für das friedliche und
der Ziele der Sozialdemokratinnen und Sozialdemo- demokratische Zusammenleben. Aufgrund unserer
kraten. Solidarität bedeutet Verantwortung für die schmerzlichen historischen Erfahrungen sind wir
Gemeinschaft und damit die Verpflichtung, sich für Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten konse-
andere einzusetzen und gesellschaftliche Aufgaben quente Antifaschisten, setzen uns für die Erfüllung
im Interesse unserer Grundwerte zu erfüllen. Sie ist des antifaschistischen Auftrags der österreichischen
letztlich die Grundlage des sozialen Zusammenhalts Bundesverfassung und damit für die entschiedene
und das wirksamste Instrument zur Durchsetzung Bekämpfung aller neonazistischen und rassisti-
gerechterer Lebensbedingungen. Internationale schen Aktivitäten ein. Darüber hinaus treten wir al-
Solidarität umfaßt alle Völker. len menschenverachtenden, die Menschenrechte
mißachtenden autoritären Kräften ebenso entge-
Alle diese Grundwerte - Freiheit, Gleichheit, Gerech- gen wie jeder Form des Fundamentalismus, mag
tigkeit und Solidarität - sind gleichrangig. Nur ihre dieser politisch, religiös oder anders motiviert sein.
gemeinsame Verwirklichung kann allen Menschen
ein erfülltes Leben in Frieden und Freiheit gewähr- Sozialdemokratie und Religion sind keine Gegensät-
leisten. ze. Wir bekennen uns zum Recht auf freie Religions-
ausübung. Jedoch darf Religion nicht zu politischen
II.2. Unseren Werten Zwecken mißbraucht werden, ebenso wie Politik nicht
verpflichtetes Handeln für religiöse Ziele instrumentalisiert werden darf.

II.2.1. Die Würde des Menschen steht im Mittel- II.2.3. In einem sozialdemokratischen Konzept der
punkt sozialdemokratischer Politik, daher treten wir Wirtschaft steht der Mensch im Mittelpunkt. Es
entschlossen für die Wahrung der Menschenrechte hat Wohlstand für alle und damit eine gerechte Ver-
ein und stehen für eine Politik, die die Menschen in teilung der Arbeit, der Güter und Dienstleistungen
die Lage versetzt, ihr Leben selbstbestimmt und sowie des Einkommens zum Ziel. Märkte - ihre Dy-
mündig zu gestalten, und wollen gesellschaftliche namik und Innovationsfähigkeit - leisten innerhalb
Bedingungen schaffen, die diesem Prinzip entspre- definierter Rahmenbedingungen und bei fairem
chen. Wir treten daher einer Politik entgegen, die Wettbewerb einen wichtigen Beitrag zur Förderung
Menschen oder Menschengruppen benutzt oder des Wohlstands durch ihren Zwang zu effizienter
mißbraucht, und werden eine Wirtschaftsordnung, und preiswerter Erbringung von Leistungen und
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Gütern im Interesse der Verbraucherinnen und Ver- ben. Dabei ist die legale, sozialversicherte Arbeit ein
braucher. Die Kräfte des Marktes allein sorgen je- wesentliches Grundelement. Um eine faire arbeits-
doch nicht für eine gerechte Verteilung. Ungezügel- und sozialrechtliche Ordnung am Arbeitsplatz zu
te Märkte lassen vielmehr gefährliche Kapitalkon- erhalten, wird von uns jede Form ausbeuterischer
zentration und neue Monopole entstehen. Deshalb Beschäftigung, insbesondere auch organisierte ille-
muß dem Markt ein Rahmen gegeben und dort kor- gale Beschäftigung bekämpft.
rigierend eingegriffen werden, wo sich die Kräfte des
Marktes gegen Mensch und Umwelt richten. II.2.6. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokra-
ten treten für integrative Politik ein, die den soli-
II.2.4. Arbeit - in einem umfassenden Sinn verstan- darischen Zusammenhalt der Gesellschaft gewähr-
den - ist von zentraler Bedeutung für das menschli- leistet und der Benachteiligung Einzelner und so-
che Leben sowie für die Identität und das Selbst- zialer Gruppen entgegenwirkt.
wertgefühl des Menschen; sie sichert die soziale
und wirtschaftliche Basis der Gesellschaft. Arbeit Wir wollen die volle Gleichstellung von Frauen und
muß gerecht verteilt werden. Wir Sozialdemokra- Männern in allen Lebensphasen und allen Lebens-
tinnen und Sozialdemokraten treten daher für das bereichen verwirklichen. Wir sind der Überzeugung,
Recht auf Erwerbsarbeit für alle ein. daß eine gerechte Gesellschaft vom kreativen Po-
tential von Frauen und Männern, von der Mitwir-
Wir setzen uns für die Sicherung und Schaffung von kung am demokratischen Prozeß aller Bürgerinnen
Erwerbsarbeit sowie für die Umgestaltung der Ar- und Bürger und von einem partnerschaftlichen und
beitsprozesse im Sinne befriedigender, dauerhaft gleichberechtigten Zusammenleben der Geschlech-
existenzsichernder und eigenverantwortlicher Ar- ter geprägt sein muß.
beit im sozialen Zusammenhang ein. Uns geht es
nicht um den Unterschied zwischen selbständiger Wir setzen uns für die Solidarität der Generationen
und unselbständiger Arbeit, sondern darum, daß ein und unterstützen deshalb Modelle und Projek-
Einkommen gerecht verteilt und Kapital- und Ver- te, die neben der Sicherung der materiellen Existenz
mögenseinkommen nicht gegenüber Arbeitsein- besonderes Augenmerk auf unterschiedliche Le-
kommen begünstigt sind. bensbedürfnisse legen und den Erfahrungsaus-
tausch zwischen den Generationen fördern.
II.2.5. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokra-
ten bekennen uns zum Modell der österreichischen Wir setzen uns für Minderheiten und deren Recht auf
Sozialpartnerschaft, zum Ausbau der europäischen volle Integration in die Gesellschaft bei gleichzeitiger
Sozialpartnerschaft und setzen uns für eine wirk- Wahrung ihrer Identität ein. Wir gehen davon aus, daß
same Vertretung der Interessen der Arbeitnehme- alle Menschen ein Recht auf ihre Heimat, ihr Volks-
rinnen und Arbeitnehmer durch starke und überpar- tum, ihre Sprache und ihre Kultur haben.
teiliche Gewerkschaften ein, die durch Betriebsrä-
tinnen und Betriebsräte (Europa-Betriebsräte), Per- II.2.7. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokra-
sonalvertreterinnen und Personalvertreter sowie ten verstehen uns auch als Kulturbewegung. Kul-
Jugendvertauensrätinnen und Jugendvertrauensrä- tur ist Ausdruck der Auseinandersetzung des Men-
te Mitbestimmung sicherstellen. schen mit seinen Lebensbedingungen, mit seinen
Mitmenschen, mit seinen Erfahrungen und Empfin-
Wir treten dafür ein, daß eine gleiche und faire Ge- dungen, Ängsten und Hoffnungen und somit ein
staltung der Arbeits- und Sozialrechtsverhältnisse wesentlicher Bestandteil des menschlichen und
an die Stelle der ungleichen Behandlung der ver- gesellschaftlichen Selbstverständnisses.
schiedenen Gruppen unselbständig Beschäftigter
tritt, die längst nicht mehr zeitgemäß ist. Für alle II.2.8. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokra-
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer muß es da- ten wissen, daß Politik vom Engagement aktiver Bür-
her ein gleichwertiges Arbeits- und Sozialrecht ge- gerinnen und Bürger lebt, insbesondere auf Gemein-
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de-, Bezirks- und Landesebene. Politik im Sinne un- II.2.9. Parteien sind ein unverzichtbarer Bestandteil
serer Grundwerte kann aber nur dann voll wirksam unserer Demokratie. Unser Einsatz für eine gerech-
werden, wenn es auch gelingt, sowohl auf nationa- te Welt erfolgt im Bewußtsein solidarischen Den-
ler Ebene als auch in der Europäischen Union und kens, Handelns und Veränderns im Rahmen der so-
darüber hinaus auf internationaler Ebene in soli- zialdemokratischen Partei. Sie ist eine demokratisch
darischem Zusammenwirken für eine gerechte Welt aufgebaute Organisation, eine solidarische Interes-
zu arbeiten. Wir arbeiten daher aktiv in der Sozialde- senvertretung, eine Plattform der Diskussion und
mokratischen Partei Europas und in der Sozialisti- der zielgerichteten Arbeit sowie eine Gemeinschaft,
schen Internationale mit und unterstützen die Auf- in der die Gemeinsamkeit der Ziele und zukunfts-
wertung und Stärkung dieser Organisationen. orientierten politischen Handelns zu erleben ist.

III. Politische Perspektiven


III.1. Arbeit für alle in einer chen. Diese Einrichtungen müssen allen, unab-
zukunftsorientierten Wirtschaft hängig von ihrer sozialen Situation, zugänglich
sein.
(1) Arbeit bestimmt die Entfaltung der Persönlich-
keit und des Selbstwertgefühls, des Selbstbewußt- (5) Für uns ist der Mensch der Maßstab des Wirt-
seins der Menschen. Alle Formen gesellschaftlich schaftens. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
notwendiger Arbeit, auch Familien- und Gemein- sowie Unternehmerinnen und Unternehmer haben
schaftsarbeit, müssen daher - insbesondere zwi- ein gemeinsames Interesse an einer starken Wirt-
schen Männern und Frauen - gerecht und solidarisch schaft, haben aber auch in vielen Bereichen unter-
verteilt werden. schiedliche Interessen, wie z.B. im Bereich der Ein-
kommensverteilung. Wir wollen diese Interessens-
(2) Die Erwerbsarbeit vermittelt soziale Anerken- gegensätze partnerschaftlich überwinden, weil wir
nung, bestimmt Lebenschancen und sichert mate- der Überzeugung sind, daß nur faire Verhältnisse im
rielle Unabhängigkeit. Der Kampf gegen die Arbeits- Arbeitsleben eine geeignete Basis für eine gute so-
losigkeit ist daher heute die wichtigste Aufgabe der ziale und wirtschaftliche Entwicklung darstellen,
Sozialdemokratie, Vollbeschäftigung bleibt unser was im Interesse aller am Wirtschaftsprozeß Betei-
oberstes Ziel. ligten gelegen ist. Wir wollen Veränderungen aktiv
gestalten, wir wollen Mut zum Wandel und wir
(3) Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemo- wollen Sicherheit im Wandel bieten. Nur dadurch
kraten geht es aber auch um die inhaltliche Weiter- wird es möglich sein, daß Veränderungen nicht als
entwicklung von Erwerbsarbeit zu einer befriedi- Bedrohung abgewehrt und verweigert, sondern als
genden, dauerhaft existenzsichernden, eigenver- Chance begriffen und angenommen werden.
antwortlichen und gleichberechtigten Tätigkeit im
sozialen Zusammenhang. (6) Im Arbeitsprozeß selbst geht es uns um die Si-
cherung fairer Partnerschaft und Mitbestimmung
(4) Eine humane Arbeitswelt setzt - für beide Ge- der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die auf
schlechter - die Vereinbarkeit von Beruf und Fa- einem partnerschaftlichen Modell der betrieblichen
milie voraus. Wir setzen uns für Arbeitszeitrege- und überbetrieblichen Steuerung beruhende Wirt-
lungen sowie für die Schaffung von Kinderbe- schaftsweise hat gerade in Österreich bewiesen, daß
treuungseinrichtungen ein, die den Bedürfnissen hohe Produktivität und soziale Gerechtigkeit verein-
sowohl der Kinder als auch der Eltern entspre- bar sein können.
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(7) Steigende Lebensqualität, soziale Sicherheit und (10) Wir treten im Interesse der gerechten Verteilung
Vollbeschäftigung beruhen auf einer leistungsfähi- von Arbeits- und Einkommenschancen für eine den
gen Volkswirtschaft. Daher besteht ein gemeinsa- spezifischen Bedürfnissen und Möglichkeiten ent-
mes Interesse aller an der Leistungskraft und inter- sprechende Verkürzung der Arbeitszeit ein. Dies
nationalen Wettbewerbsstärke der österreichischen bedeutet in erster Linie eine Unterstützung der Ge-
Wirtschaft. Politik kann und soll nicht den Einsatz werkschaften bei ihren diesbezüglichen Initiativen,
und die Initiative der in der Wirtschaft Tätigen er- aber auch die Stärkung individueller Rechte von Ar-
setzen. Auf der Basis einer vernünftigen Zusam- beitnehmerinnen und Arbeitnehmern zur Verbin-
menarbeit zwischen Arbeitnehmerinnen und Ar- dung des Arbeitslebens mit Bildungszeiten und Frei-
beitnehmern, Arbeitgeberinnen und Arbeitge- zeitblöcken. Durch eine bessere Verteilung der Ar-
bern bzw. deren jeweiligen Interessenvertretun- beitszeit wollen wir auch erreichen, daß Arbeitneh-
gen sowie den politisch Verantwortlichen kön- merinnen und Arbeitnehmer nicht vorzeitig aus
nen aber jene Rahmenbedingungen geschaffen dem Erwerbsprozeß gedrängt werden.
werden, die steigenden Wohlstand und dessen
gerechte Verteilung sowie neue Arbeit und bes- (11) Wir setzen uns für eine Qualifizierungsoffensi-
sere Verteilung der bestehenden Arbeit möglich ve ein, insbesondere für ein breites Angebot an
machen. lebensbegleitenden Chancen des zusätzlichen Er-
werbs von Bildung und Qualifikation sowie für ent-
(8) Funktionierende Märkte und fairer Wettbewerb sprechend gesicherte Bildungsfreistellungen und -ka-
leisten einen wichtigen Beitrag zur Förderung des renzen - mit begleitenden Förderungsmaßnahmen.
Wohlstands durch ihren Zwang zu effizienter und
preiswerter Erbringung von Leistungen und Gütern (12) Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist eine
im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher. zentrale politische Aufgabe, deshalb treten wir für
Wir treten daher für offene Märkte und gegen be- aktive Arbeitsmarktpolitik ein. Arbeitslose dürfen
stehende und neue Monopole mit ihren Nachteilen nicht einfach sich selbst und den mit der Arbeitslo-
und Kosten ein. Ein modernes Wirtschafts- und Kar- sigkeit verbundenen psychischen und wirtschaftli-
tellrecht hat daher die Aufgabe, das Funktionieren chen Problemen überlassen werden. Wir wollen ih-
des Markts zu gewährleisten. Wo die Bedürfnisse nen mit gezielten Maßnahmen ermöglichen, daß sie
der Menschen durch den Markt nicht sozial gerecht wieder eine Tätigkeit finden, die Selbstwertgefühl
befriedigt werden können, treten wir für die Regu- und Anerkennung gibt. Insbesondere bekennen wir
lierung der Marktkräfte beziehungsweise für die uns daher zu Maßnahmen, die Frauen den Einstieg,
Erbringung oder Bereitstellung von Leistungen den Wiedereinstieg und das Fortkommen im Beruf
durch die öffentliche Hand ein. erleichtern. Wir treten für die öffentliche Förderung
von Arbeit ein, die nicht marktvermittelt nachge-
(9) Der Ertrag wirtschaftlichen Handelns muß ge- fragt oder erbracht werden kann, aber konkrete Le-
recht verteilt werden. In einer solidarischen Gesell- bensbedürfnisse befriedigt.
schaft muß nicht die Gleichheit, sondern die Un-
gleichheit der Einkommen und Vermögen ihre (13) Wir befürworten eine gezielte Wachstumspo-
Rechtfertigung beweisen. In diesem Sinne akzeptie- litik, staatliche Investitionen in die öffentliche In-
ren wir Einkommensunterschiede, die durch beson- frastruktur, steuerliche und geldpolitische Maß-
dere Leistung, Belastung oder Verantwortung be- nahmen, die Investitionen in den produktiven Sek-
gründet werden. Aber auch diese müssen dort ihre tor begünstigen und spekulativen Kapitaleinsatz
Grenzen finden, wo sie das Prinzip der gleichen Teil- auf nationalen und internationalen Finanzmärkten
nahme an der Gesellschaft infrage stellen. Wir tre- belasten. Wir befürworten die steuerliche Entla-
ten für ein System von Steuern und Abgaben sowie stung des Faktors Arbeit und die Belastung des
von sozialen Transferleistungen ein, das eine gerech- Verbrauchs natürlicher und nicht vermehrbarer
te Einkommens- und Vermögensverteilung gewähr- Ressourcen. Wir treten dafür ein, die Finanzierung
leistet. des Sozialversicherungssystems auf eine breitere
10 Das Programm

Basis zu stellen, die auch andere Elemente der Konsumenten zu gewährleisten, wollen wir auf in-
Wertschöpfung enthält. ternationaler Ebene gleiche Rahmenbedinungen für
die Weiterentwicklung der Wirtschaft schaffen. Die
(14) Um Wohlstand und soziale Sicherheit zu erhal- Konvergenz sozial-, arbeitsmarkt-, fiskal- und um-
ten sowie um die Nutzung der neuesten Entwick- weltpolitischer Steuerungsmaßnahmen auf mög-
lungen in Wissenschaft und Wirtschaft zu gewähr- lichst hohem Niveau ist deshalb für uns Sozialde-
leisten, setzen wir uns für eine verantwortliche und mokratinnen und Sozialdemokraten unumgänglich.
gesellschaftlich kontrollierte und mitfinanzierte Zur Umsetzung dieses Grundsatzes bedarf es der
Forschung im Interesse der Menschen ein. Wir tre- internationalen Stärkung sozialdemokratischer Par-
ten für eine Vernetzung der Klein- und Mittelbetrie- teien und der Arbeitnehmerinnen- und Arbeitneh-
be ein, damit sie gemeinsam in die Lage versetzt mervertretung.
sind, europaweit und mit entsprechenden
Forschungseinrichtungen zu kooperieren und so (18) Gemeinsam mit den europäischen Sozialdemo-
ihre Wettbewerbschancen zu erhöhen. kratinnen und Sozialdemokraten sowie anderen, die
unsere Wert- und Zielvorstellungen teilen, wollen
(15) Die Sicherstellung österreichischer Entschei- wir ein soziales und wettbewerbsfähiges Europa
dungszentren in wichtigen Industrie- und Dienst- verwirklichen. Wir wollen die Harmonisierung der
leistungsunternehmen ist von besonderer Bedeu- Steuersysteme vorantreiben, um eine gerechte Ver-
tung, um so die Grundlage der Weiterentwicklung teilung bei der Finanzierung der Staatsaufgaben
von Produkten und Leistungen, aber auch der Qua- sicherzustellen. Auch die abgestimmte Ökologisie-
lifikation von Beschäftigten in Wirtschaft und Wis- rung der europäischen Steuersysteme wollen wir
senschaft im Lande zu halten. Dies ist eine wesent- durchsetzen.
liche Voraussetzung für einen österreichischen Bei-
trag in einer weltoffenen, auf Partnerschaft, Koope- (19) Der Prozeß der Globalisierung der Wirtschaft
ration und Wettbewerb angelegten Wirtschaft, aber bietet für die davon betroffenen Menschen sowohl
auch für die längerfristige Sicherung von Beschäf- Chancen als auch Risiken. Unser sozialdemokrati-
tigungschancen. sches Wirtschaftsmodell der solidarischen Lei-
stungsgesellschaft verbindet Leistungsfähigkeit mit
(16) Eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik hat sowohl sozialer Sicherheit und setzt auf Innovation durch
auf der gesamtwirtschaftlichen Ebene der Makro- partnerschaftliches Wirtschaften. Das Zusammen-
ökonomie als auch auf der Ebene der Struktur- und spiel dieser Eigenschaften bestimmt den Gesam-
Wettbewerbspolitik anzusetzen. Gesamtwirtschaft- terfolg unseres Modells im globalen Wettbewerb
lich bedeutsam ist vor allem die Sicherung einer der Systeme.
dem Ziel der Vollbeschäftigung entsprechenden
Nachfrage bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf III.2. Innovation im gesellschaftlichen
Preisstabilität. Entsprechende Maßnahmen müssen Interesse - Wissenschaft, Forschung und
auf nationaler Ebene, vor allem aber auch auf euro- Technologieentwicklung im 21. Jahrhundert
päischer Ebene, getroffen werden und eine funktio-
nierende Koordination der Wirtschafts- und Sozial- (1) Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten
politik sicherstellen. stehen Wissenschaft und Forschung positiv und
aufgeschlossen gegenüber. Nur wenn Österreich in
(17) Durch eine sich selbst überlassene Internatio- die internationale Dynamik der Wissenschaft und
nalisierung der wirtschaftlichen Beziehungen steigt Forschung eingebunden ist, können die wirtschaft-
der Druck auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeit- liche und geistige Dynamik unseres Landes auf-
nehmer, dem Arbeitsmarkt billig und flexibel zur rechterhalten werden.
Verfügung zu stehen. Um ein verantwortungsvol-
les Wirtschaften im Sinne der Arbeitnehmerinnen (2) Innovative und demokratisch gesinnte Kräfte in
und Arbeitnehmer und der Konsumentinnen und Wissenschaft, Forschung und Technik sind Schritt-
Das Programm 11

macher für die Modernisierung von Wirtschaft und Bereichen intensivieren und ihren betriebsübergrei-
Gesellschaft. Ihre Leistungen sehen wir als Chance, fenden und grenzüberschreitenden Austausch auf
unsere Gesellschaft humaner und demokratischer der Ebene der Betriebe unterstützen. Anreize dafür
zu gestalten und die Lebensqualität aller Menschen zu schaffen, ist zentrale Aufgabe der Technologie-
zu erhöhen. Denn technologische und soziale Inno- politik.
vation ist notwendig, um im internationalen Wett-
bewerb zu bestehen, um Arbeitsbedingungen zu (6) In unserer Gesellschaft wird Wissen immer mehr
verbessern, um umweltschonender zu produzieren, zum wichtigen Standortfaktor der modernen Wirt-
um medizinischen Fortschritt zu erzielen, um den schaft. Bildung und Information werden zu noch
Zugang und den Austausch von Information zu er- wichtigeren gesellschaftlichen Werten; die Gewich-
leichtern oder um das Verstehen von Gesellschaf- te verschieben sich von der Produktion industrieller
ten und Kulturen zu vertiefen. Güter hin zur Entwicklung, Verarbeitung und Ver-
marktung von Wissen und Information. Die neuen
(3) Technologische Innovation braucht Akzeptanz Informations- und Kommunikationstechnologien
durch die Gesellschaft. Modernisierung durch For- verändern nicht nur die gesellschaftlichen und kul-
schung und Technik wird von den Menschen nur als turellen Beziehungen, sie ermöglichen auch die Ent-
Chance anerkannt werden, wenn klar ist, daß der wicklung eines neuen Wirtschaftssektors, als Feld
Fortschritt ihnen nutzt. Als Bürgerinnen und Bürger, neuer und zusätzlicher Beschäftigung. Wir erkennen
als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, als Kon- die Chancen und die großen Entwicklungspotentia-
sumentinnen und Konsumenten müssen sie die Si- le dieser Technologien, werden ihren Ausbau beson-
cherheit haben, daß sich diese Modernisierung nicht ders fördern, aber auch die Risken analysieren und
gegen ihre Interessen richtet, sondern ihnen Vorteile dafür sorgen, daß alle Menschen am neuen Reich-
bringt. Technologischer Fortschritt muß sich an die- tum an Wissen und Information und der Steigerung
sem gesellschaftlichen Leitbild orientieren und ge- ihrer Lebensqualität teilhaben können. Damit set-
sellschaftlicher Kontrolle unterliegen. Damit wis- zen wir einen wesentlichen Schritt in Richtung De-
senschaftliche Forschung im Dienste der Menschen mokratisierung des Wissens.
und der Gesellschaft betrieben und eingesetzt wird,
müssen Forschung und Industrie ihrer gesellschaft- (7) Wir wollen dafür sorgen, daß diese neuen Tech-
lichen Verantwortung gerecht werden. nologien zum Nutzen der Menschen verwendet wer-
den und daß es nicht zu einer neuen Spaltung in eine
(4) Wissenschaft und Forschung müssen auch den Klasse der Informationsreichen und eine Klasse der
geistigen und sozialen Fortschritt zum Ziel haben. Informationsarmen kommt. Dabei ist darauf zu ach-
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit die- ten, daß Privatsphäre und Konsumenteninteressen
sen Veränderungen muß ein Schwerpunkt der Wis- geschützt, allen ein finanziell leistbarer und ange-
senschaftspolitik sein. Gleichzeitig gilt es sicherzu- messener Zugang zu den Informationstechnologien
stellen, daß die Menschenwürde gewahrt wird, so- sichergestellt wird und durch eine Reform des Aus-
wie Risiken für Gesundheit und Umwelt vorzubeu- und Weiterbildungssystems vor allem junge Men-
gen; strenge Vorsorge- und Haftungsregeln sind schen auf die neuen digitalen Möglichkeiten und
deshalb unverzichtbar. Herausforderungen vorbereitet werden. Gemein-
sam mit Industrie und Wissenschaft müssen flä-
(5) Wir befürworten die gezielte, effiziente und ver- chendeckende, einfach zugängliche Kommunikati-
antwortungsbewußte Förderung von Wissenschaft onsnetze rasch entwickelt werden.
und Forschung als Investition in die Zukunft. Wir
wollen die verstärkte Zusammenarbeit in diesem III.3. In Sicherheit leben Dimensionen
Bereich auf internationaler Ebene sowie die Zusam- der Wohlfahrtsgesellschaft
menarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft beson-
ders unterstützen. Wir wollen Forschung und Tech- (1) Gerade in Zeiten rapiden gesellschaftlichen Wan-
nologieentwicklung in allen zukunftsorientierten dels, in denen von allen Menschen mehr Bereitschaft
12 Das Programm

zur Veränderung, zu Mobilität und Flexibilität ge- als wichtiges Instrument für die gerechte Verteilung
fordert wird, sind Gesellschaft und Staat gefordert, des gemeinsam erwirtschafteten Wohlstands. Hin-
für die Sicherheit der existentiellen Lebensgrund- ter den Forderungen, dieses Netz aufzuknüpfen
lagen zu sorgen. Nur auf Basis dieser Sicherheit sind oder gar zu zerreißen, steht Unwissen, kurzsichti-
gesellschaftlicher Zusammenhalt, sozialer Frieden ger Egoismus, Neid oder Interesse an der Spaltung
und die Voraussetzungen für die freie Entfaltung der Gesellschaft. Solche Forderungen werden auch
jedes und jeder Einzelnen gewährleistet. in Zukunft auf entschiedenen Widerstand der Sozi-
aldemokratie stoßen.
(2) Sicherheit und Wohlfahrt verstehen wir dabei in
einem sehr umfassenden Sinne: Das Ziel der Vollbe- (5) Wir wollen aber ständig überprüfen, ob die ein-
schäftigung gehört ebenso dazu wie solidarische zelnen Elemente des Wohlfahrtsstaates auch opti-
Sicherungssysteme für Alter, Krankheit, Behinde- mal leisten, was sie leisten sollen. Es muß darauf
rung, Unfall und Arbeitslosigkeit sowie ein sozial geachtet werden, daß tatsächlich denen geholfen
gerechtes System von Transferleistungen. Bewähr- wird, die in Notlage geraten sind. Zur Verantwortung
te Prinzipien unseres Sozialsystems, wie Selbstver- der Bürgerinnen und Bürger gehört auch die Bereit-
waltung, Pflichtversicherung, Umlageverfahren und schaft, im Rahmen gegebener Möglichkeiten selbst
Bundesbeitrag, dürfen nicht zerschlagen werden. vorzusorgen, der verantwortungsvolle Gebrauch
Wirkungsvoller Schutz vor Armut, sozialer Ausgren- von Leistungen der Gemeinschaft sowie die Pflicht,
zung, Gewalt und Verbrechen, zufriedenstellende sich persönlichen und finanziellen Beiträgen für die
Wohnverhältnisse sowie ein Bildungssystem, das Gemeinschaft nicht zu entziehen.
niemanden ausschließt, sind weitere unverzichtbare
Elemente. (6) Wir befürworten eine Verlagerung der verwen-
deten Mittel in Richtung Vorbeugung und Vorsorge
(3) Menschen mit Behinderungen, Opfer von Unfäl- statt nachträglicher Behandlung. Wir treten für die
len, chronisch Kranke und andere Benachteiligte Angleichung und Harmonisierung sämtlicher Ele-
haben einen Anspruch auf Hilfe und Betreuung, so- mente der solidarisch finanzierten sozialen Siche-
daß ihre Lebensqualität und Leistungsfähigkeit rung ein - auch der heute noch berufständisch un-
durch Ausbildung, durch Behandlung und Rehabili- terschiedlichen Versicherungssysteme.
tation sowie durch spezifische Möglichkeiten auf
dem Arbeitsmarkt so weit wie möglich wiederher- (7) Wir wollen allen Menschen ermöglichen, er-
gestellt wird. Sie haben auch einen Anspruch auf ein schwinglichen Wohnraum zu bekommen. Öffentli-
gesellschaftliches Umfeld, das ihnen zusätzliche che Wohnungspolitik muß den sozialen Wohnbau
Erschwernisse erspart. Ziel aller Maßnahmen muß forcieren und Förderungen nach dem Grundsatz der
sein, diesen Menschen gleiche Möglichkeiten der sozialen Gerechtigkeit einsetzen. Auch den sozial
Teilnahme an der Gesellschaft zu ermöglichen. Schwächsten und Betreuungsbedürftigen muß
menschenwürdiges Wohnen ermöglicht werden.
(4) Wir sind überzeugt, daß ein leistungsstarker und Klare, die Rechte der Wohnungsbenützerinnen und
finanziell gesunder Staat im Interesse aller Men- -benützer schützende Regeln sind für alle Wohnfor-
schen gelegen ist. Nur er kann insbesondere den men zu gewährleisten. Unser besonderes Augen-
Schwächsten in der Gesellschaft helfen, nur er kann merk gilt daher auch einem sozialen Mietrecht.
jenes soziale Netz spannen, das diejenigen auffängt,
die die Solidarität der Gesellschaft brauchen, ob aus (8) Der Wohlfahrtsstaat muß eine gesicherte Basis
Gründen der Arbeitslosigkeit, der Behinderung, des für alle Menschen schaffen. Nur eine sichere Exi-
Alters oder der Krankheit. Reformen, die diese Funk- stenz schafft die Grundlage für Selbstbestimmung,
tion des Staates langfristig absichern, werden von Selbstbewußtsein und Freiheit. Eine moderne Wohl-
uns deshalb aktiv gestaltet. Wir verstehen ein star- fahrtsgesellschaft besteht aber nicht nur aus dem
kes soziales Netz nicht als gnädigen Akt gegenüber staatlichen Sozialsystem. Eine solidarische Gesell-
den Schwächeren in unserer Gesellschaft, sondern schaft muß von den Menschen selbst gewollt und
Das Programm 13

gelebt werden. Soziale Sicherheit läßt sich mit damit den unfairen finanziellen Wettbewerb zwi-
Transferleistungen allein nicht sicherstellen, son- schen verschiedenen Verkehrsträgern überwinden
dern braucht auch vernetzte soziale Dienste zur Er- hilft.
bringung von Sachleistungen sowie das Engage-
ment und die Verantwortung der Bürgerinnen und (5) Eine zukunftsorientierte internationale Verkehrs-
Bürger selbst. Ehrenamtliches Engagement, priva- politik muß sich an der Kostenwahrheit im Verkehr
te gemeinnützige Einrichtungen spielen eine wich- und der Anwendung des Verursacherprinzips orien-
tige Rolle. Initiativen, die sich im sozialen Sinn für tieren. Dem Bedürfnis der Menschen nach einer sau-
Benachteiligte einsetzen, verdienen - als wertvolle beren Umwelt und nach sicheren und zuverlässigen
Ergänzung zu unserem Sozialsystem - daher Unter- Verkehrsmitteln ist durch eine bessere Balance zwi-
stützung und Förderung. schen den einzelnen Verkehrsarten durch spezielle
Maßnahmen für den Personenverkehr, den öffent-
III.4. Hohe Lebensqualität in einer lichen Personennahverkehr und den Güterverkehr
humanen Umwelt nachzukommen.

(1) Wir tragen sowohl der Umwelt als auch den nach- (6) Mit der Verbesserung der Mobilität, der Forcie-
folgenden Generationen gegenüber Verantwor- rung des umweltfreundlichen Schienenverkehrs, der
tung. Um unsere Umwelt lebenswert zu erhalten, Schiffahrt und des nichtmotorisierten Verkehrs, der
dürfen wir nicht mehr an Ressourcen verbrauchen frühest möglichen Nutzung des jeweiligen Standes
als wir ersetzen oder wieder erneuern können, müs- der Technik zur Vermeidung von Negativwirkungen
sen wir den Schadstoffausstoß auf ein erträgliches des Verkehrs und durch bewußtseinsbildende Maß-
Maß zurückführen und Risiken, die nicht wieder gut nahmen kann dieses Ziel erreicht werden. Wir for-
zu machende Schäden für die Umwelt auslösen kön- dern eine nationale und internationale Verkehrspla-
nen, vermeiden. Eine in diesem Sinne verstandene nung, die mit der Energiewirtschaft und der Raum-
ökologische Nachhaltigkeit ist eine Leitlinie unse- planung abzustimmen ist. Regionale Verkehrskon-
res politischen und wirtschaftlichen Handelns. zepte müssen die Bedürfnisse der Menschen bes-
ser und kundennäher erfassen.
(2) Nachhaltigkeitsstrategien müssen jedoch stets auf
soziale Gerechtigkeit und Verteilungsfragen Rück- (7) Nachhaltig Wirtschaften ist für uns auch Leitbild
sicht nehmen. Für uns Sozialdemokratinnen und So- für die Landwirtschaft. Bäuerinnen und Bauern er-
zialdemokraten steht fest, daß es hohe Lebensquali- bringen wichtige Leistungen für die Gesellschaft,
tät nicht ohne hohe Umweltqualität gibt - für alle besonders in benachteiligten Gebieten und in den
Menschen, und nicht nur für einige wenige. Bergregionen. Die finanzielle Förderung der Land-
wirtschaft wollen wir verstärkt nach sozialen und
(3) Zentrale umweltpolitische Zielsetzungen sind die ökologischen Kriterien gestalten. Wir wollen eine
Reduktion der Schadstoff- und Lärmbelastung so- Land- und Forstwirtschaft, die möglichst schad-
wie die gezielte Förderung des öffentlichen Verkehrs stoffrei produziert. Grundwasser, Boden und Luft
und umweltverträglichen Güterverkehrs. müssen geschützt, Beeinträchtigungen durch wir-
kungsvolle Maßnahmen beseitigt werden. Dem Ver-
(4) Wir treten für ein Verkehrssystem ein, das am ursacherprinzip ist dabei Rechnung zu tragen. Na-
Wohl der Menschen, den Entwicklungsmöglich- tur- und Tierschutz sind Teil unserer solidarischen
keiten der Wirtschaft und der geographischen Lage Gesellschaftskonzeption.
Österreichs in der Mitte Europas orientiert ist. Wir
unterstützen mit Nachdruck die Schaffung transeu- (8) Wir treten für die Bevorzugung umweltfreundli-
ropäischer Schienennetze unter Einbindung des cher Formen der Energiegewinnung ein und wollen
österreichischen Verkehrsnetzes. Wir treten für ein jedenfalls auf Nukleartechnologie verzichten. Den
Finanzierungssystem ein, das Transportbedürfnis- Ausstieg aus der Atomkraft wollen wir auch auf in-
se umwelt- und anrainergerecht erfüllen hilft und ternationaler Ebene vorantreiben.
14 Das Programm

(9) Die Erhaltung und Schonung natürlicher Res- her stets aufs Neue dem sich ändernden Bedarf der
sourcen und die erhebliche Reduktion der Umwelt- Menschen anzupassen. Seine Leistungen müssen
belastung durch Schadstoffe und Abfälle soll unter auch in Zukunft allgemein zugänglich sein. Für eine
anderem durch eine umfassende Ökologisierung „Zwei-Klassen-Medizin“ ist in einem sozialen Ge-
des Steuersystems (Ressourcenbesteuerung bei sundheitswesen kein Platz.
gleichzeitiger Entlastung des Faktors Arbeit), durch
eine ökologische Modernisierung des Industriesy- (14) Gesundheit hat ihren Preis, aber Gesundheit um
stems, die auch die Herstellung langlebiger, repa- jeden Preis ist weder heute noch in Zukunft finan-
rierbarer und wiederverwertbarer Produkte forciert, zierbar. Daher sind gleichermaßen Planungsinstru-
und durch strenge Haftungsregeln und Schutzbe- mente, die eine bedarfsorientierte Vorsorge sichern,
stimmungen erreicht werden. wie Qualitätssicherung und der Ausbau der Medi-
zinethik in der Berufsausbildung und im praktischen
(10) Umweltprobleme sind immer seltener aus- Alltag notwendig.
schließlich auf nationalstaatlicher Ebene zu lösen,
internationale Zusammenarbeit ist notwendig - (15) In Zukunft wird eine noch engere berufs- und
nicht nur im Sinne einer gemeinsamen europäi- fachübergreifende Zusammenarbeit der Gesund-
schen Strategie, sondern auch auf globaler Ebene. heitsberufe unter Einbeziehung bewährter komple-
Umweltbelastung darf im Rahmen der internatio- mentärer Methoden erforderlich sein. Auch deshalb
nalen Arbeitsteilung nicht in weniger entwickelte treten wir für die universitäre Verankerung der Pfle-
Länder exportiert werden. Um diese Länder in ihrer gewissenschaft ein.
Verantwortung für den globalen Umweltschutz zu
unterstützen, sind entsprechende Technologietrans- (16) Gesundheitsförderung und Krankheitsbe-
fers und Umweltinvestitionen vordringliche Aufga- handlung greifen immer mehr ineinander. Schon
ben der Industriestaaten. heute sind Gesundheitsförderung und Präventivme-
dizin aus einem modernen Gesundheitswesen nicht
(11) Der Sicherung gleicher Lebenschancen dient ein wegzudenken. Wir treten für regionale Gesund-
umfassendes Gesundheitssystem. Es muß der Viel- heitsförderungsprogramme auf einer möglichst
falt der Anforderungen entsprechen, insbesondere breiten gesellschaftlichen Basis ein, die zwischen
im Bedarfsfall rasche und leicht zugängliche Betreu- dem, was der bzw. die Einzelne für ihre oder seine
ung für alle gewährleisten und eine regional aus- Gesundheit tun kann, und dem, was gemeinschaft-
gewogene und hochwertige Versorgung sicherstel- lich getan werden muß, klar unterscheiden. Zu wirk-
len. Zur Weiterentwicklung eines hochwertigen samer Gesundheitsvorsorge gehört es, von den
Gesundheitswesens gehört auch die besondere Be- möglichen gesundheitsschädigenden Folgen des
rücksichtigung von frauenspezifischen Gesund- Konsums von Alkohol, Nikotin oder Drogen zu über-
heitsproblemen. Insbesondere sind Maßnahmen zu zeugen. Gesundheitsvorsorge kennt keine Alters-
entwickeln, die den gesundheitsschädlichen Folgen grenzen.
der Doppel- und Dreifachbelastung der Frauen Rech-
nung tragen. (17) Umfassende Prävention schließt den Schutz der
Gesundheit in der Arbeitswelt ein, insbesondere
(12) Weil Gesundheit und Krankheit nicht allein ge- mittels Maßnahmen zur Unfallverhinderung sowie
netisch gesteuert, sondern vor allem auch Ergebnis durch verstärkte arbeitsmedizinische und betriebs-
von Lebensumständen und sozialen Bedingungen ärztliche Versorgung und Vorsorge. Wir setzen uns
sind, ist es umso wichtiger, Gesundheitsvorsorge und für Arbeitsbedingungen ein, die körperliche oder psy-
Krankheitsbehandlung nach sozialmedizinischen chische Schäden so weit wie möglich ausschließen.
und ganzheitlichen Gesichtspunkten auszurichten.
(18) Wir setzen uns für einen wirksamen Konsumen-
(13) Das Gesundheitswesen ist für die Patientinnen tenschutz ein, der die Verbraucherrechte auf dem
und Patienten da - und nicht umgekehrt. Es ist da- Produkt- und Dienstleistungssektor sicherstellt. Ein
Das Programm 15

solcher Schutz beschränkt sich nicht auf die Abwehr chen Bedingungen so zu gestalten, daß Frauen und
unlauterer Praktiken, sondern muß faire Beziehun- Männer dieselben Chancen und Möglichkeiten ha-
gen zwischen Konsumentinnen und Konsumenten ben. Frauen werden noch immer individuelle, sozia-
einerseits und Unternehmerinnen und Unterneh- le, wirtschaftliche und politische Entwicklungs-
mern andererseits gewährleisten. chancen verwehrt.

(19) Die Instrumente der Konsumentenpolitik sind (2) Die strukturell bedingte Benachteiligung von
vielschichtiger geworden: Die Förderung von Wett- Frauen muß durch aktive Gleichstellungspolitik kon-
bewerb und Transparenz hat besonders in bislang sequent abgebaut und schließlich beseitigt werden.
abgeschotteten Marktnischen an Bedeutung ge- Aktive Gleichstellungspolitik bedeutet gerechte
wonnen, ebenso wie die umfassende Information Umverteilung von Arbeit, Einkommen und Macht
der Verbraucherinnen und Verbraucher und ihre zwischen Männern und Frauen.
frühzeitige Einbindung in für sie wichtige Entwick- - Umverteilung von Arbeit heißt, die vorhandene
lungen. Daneben bleiben gesetzliche Regelungen bezahlte und unbezahlte Arbeit zwischen Män-
zum Schutz der Konsumentinnen und Konsumen- nern und Frauen solidarisch zu teilen,
ten notwendig. Die Durchsetzung ihrer Rechte muß - Umverteilung von Einkommen heißt, eine gerech-
im außergerichtlichen und gerichtlichen Verfahren te Lohn-, Steuer-, Finanz-, Beschäftigungs- und
erleichtert werden. Sozialpolitik zu verwirklichen,
- Umverteilung von Macht schließlich meint die
(20) Wir wollen eine Vielzahl von ökologisch verträg- gleiche Teilhabe von Frauen und Männern an al-
lichen Freizeitmöglichkeiten fördern, die zu einer len gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen.
aktiven, schöpferischen und gesundheitsfördernden
Lebensgestaltung beitragen. Der Tourismus soll auf (3) Die Arbeit, ein Beruf, somit ein eigenes Einkom-
die Lebensinteressen der ansässigen Bevölkerung men bringen für Frauen ein Mehr an Unabhängig-
und der in diesem Bereich Beschäftigten abge- keit - auch von falschen Rollenerwartungen, die an
stimmt sein und unter dem Gesichtspunkt der sie gestellt werden. Erwerbsarbeit bedeutet für
Nachhaltigkeit, des Schutzes von Natur und Land- Frauen in jeder Lebensphase Entscheidungsfreiheit,
schaft gestaltet werden. Identität und Selbstbestimmung.

(21) Sport hat eine hohe Bedeutung für die Erhal- (4) Arbeit ist der Schlüssel zur Gleichstellung. Frau-
tung und Förderung der Gesundheit. Das Erleben en kommen bei der bezahlten Arbeit als der besten
von Gemeinschaft und das Streben nach Leistung Voraussetzung eigenständiger Existenzsicherung,
mit fairen Mitteln dient dem sozialen Lernen und zu kurz, tragen aber den überwiegenden Teil der
dem Abbau von Aggression. Deshalb unterstützen unbezahlten Arbeit im Haushalt, in der Betreuung
wir besonders den Breiten- und Schulsport, wobei der Kinder und in der Pflege von Angehörigen. Ziel
der gleiche Zugang zum Sport - für beide Geschlech- unserer Politik ist es, Frauen zu ermöglichen, ihre
ter sowie für alle sozialen Gruppen - gewährleistet Chancen im Beruf aktiv zu ergreifen, sowie diese
sein muß. Der Spitzensport verdient Förderung, so- falsch verteilten Gewichte ins richtige Lot zu bringen.
weit er die Jugend zur sportlichen Betätigung mo- Die Vorbildwirkung jedes Einzelnen in der eigenen
tiviert. Familie und die Erziehung zu gleichberechtigtem
Miteinander ist für diese Entwicklung wesentlich.
III.5. Gleichstellung der Frauen als
demokratisches Ziel - Partner- (5) Die ungleichen Rollenzuschreibungen sind auch
schaft der Geschlechter in einer Ursache der eklatanten Lohn- und Gehaltsunter-
Gesellschaft der Chancen schiede zwischen Männern und Frauen. Erst die ge-
rechte Verteilung von bezahlter und unbezahlter
(1) Es bleibt für uns Sozialdemokratinnen und Sozi- Arbeit sowie die gleiche Teilnahme von Frauen und
aldemokraten ein zentrales Ziel, die gesellschaftli- Männern an politischen Willensbildungs- und Ent-
16 Das Programm

scheidungsprozessen wird auch zu einer gerechten rung setzt sich auch im Alter oft noch verschärft fort.
Verteilung der Einkommen führen. Ein gerechtes System der Alterssicherung kann sich
also nicht nur an den durchschnittlichen Lebensläu-
(6) Frauen wissen um ihre Fähigkeiten, sehen ihre fen von Männern orientieren. Wir treten daher für
Möglichkeiten. Aber die Gesellschaft, wie wir sie eine eigenständige Alterssicherung für Frauen ein, die
jetzt kennen, läßt vielfach noch immer nicht zu, daß einerseits auf deren Lebensverläufe Rücksicht nimmt
sie Rechte und Chancen, die ihnen zustehen, auch und andererseits innerhalb unseres Solidarsystems
ergreifen. Uns geht es darum, diese „gläserne Dek- auf Berufstätigkeit und Beitragsleistungen aufbaut.
ke“ zu durchbrechen und den Weg frei zu machen
für alle Frauen. (11) Als Ausweg aus einer Zwangslage muß Frauen
in ganz Österreich die Möglichkeit offenstehen, eine
(7) Frauenförderung - im Sinne einer aktiven Gleich- ungeplante oder unerwünschte Schwangerschaft
stellungspolitik - bedeutet daher für uns, klare, ge- innerhalb einer medizinisch vertretbaren Frist so-
setzlich verankerte Bedingungen zu schaffen, die es wie unter bestmöglicher medizinischer, psychologi-
Frauen ermöglichen, ihre Qualifizierung zu verstär- scher und sozialer Betreuung abzubrechen. Wir tre-
ken sowie ihre Qualifikationen in berufliche Tätig- ten allen Tendenzen entgegen, die dieses Recht ein-
keit und beruflichen Aufstieg umzusetzen. Uns geht schränken oder in Frage stellen und verurteilen re-
es darum, den Frauen Bildungs- und Berufswege mit aktionäre Gruppierungen, die Frauen in einer
Zukunftschancen zu eröffnen und Rollenklischees zu Zwangslage zur Zielscheibe ihrer Agitation machen.
überwinden. Frauen und Männer sollten alle Beru-
fe, entsprechend ihren Neigungen und Interessen, (12) Im Sinne einer Partnerschaft der Geschlechter
wählen können. bekennen wir uns zur Ächtung jedweder Gewalt
gegen Frauen. Wir fordern wirksame Maßnahmen
(8) Aktive Gleichstellungspolitik bedeutet für uns zum Schutz der Frauen vor Gewalt in der Familie,
Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten auch, vor sexueller Belästigung oder vor verharmlosender
daß Frauen bei Personalentscheidungen bei gleicher bzw. verherrlichender Darstellung solcher Formen
Qualifikation bevorzugt behandelt werden, solan- von Gewalt und Verachtung in den Medien.
ge gesellschaftliche Ungleichheit existiert. In die-
sem Sinne bekennen wir uns zur positiven Diskri- (13) Auch auf internationaler Ebene wollen wir den
minierung, also zu einer gerechten Bevorzugung Kampf für das Recht der Frauen auf ein Leben in
von Frauen bei Personalentscheidungen im öffent- Würde und auf Gleichstellung führen. Jede Form der
lichen Bereich und zur Koppelung von Auftragsver- Unterdrückung, Diskriminierung und Ausbeutung
gabe und Förderungen aus der öffentlichen Hand lehnen wir ab. Wir unterstützen aktiv die interna-
an Maßnahmen zur Frauenförderung im privatwirt- tionale Zusammenarbeit zur Bekämpfung des Frau-
schaftlichen Bereich. enhandels in all seinen Formen, wie sexuelle Aus-
beutung, Heiratshandel oder Ausbeutung von Mi-
(9) Das setzt - für beide Geschlechter - die Vereinbar- grantinnen in Arbeitsverhältnissen, in denen sie wie
keit von Beruf und Familie voraus. Kinderbetreuungs- Sklavinnen behandelt werden.
einrichtungen, die den Bedürfnissen sowohl der Kin-
der als auch der Eltern gerecht werden, sind dafür (14) Die im Rahmen der Gleichstellung der Ge-
notwendig. Arbeitszeitmodelle, die es für beide El- schlechter angestrebten Ziele unterscheiden sich
ternteile möglich machen, sich für eine bestimmte nach dem sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen
Zeit aus dem Berufsleben zurückziehen, damit sie Umfeld. So können im Kampf um Geschlechterde-
sich zu gleichen Teilen der Erziehung und Betreu- mokratie unterschiedliche Prioritäten gesetzt wer-
ung der Kinder widmen können, sind zu schaffen. den. Grundvoraussetzung für eine Partnerschaft der
Geschlechter ist aber immer das Recht auf Selbst-
(10) Unterschiedliche Lebensbedingungen von Frau- bestimmung, auf freie Wahl der Lebensform eben-
en führen zu ungleichen Chancen, die Diskriminie- so wie das Recht auf Arbeit, auf soziale Absicherung
Das Programm 17

und auf ein Leben in Würde. Es geht - im Lichte der dungssystems, des Arbeitslebens, der Familienver-
heutigen Gegebenheiten - um eine Umverteilung hältnisse, der Gesundheit, der Gestaltung des Le-
der Rechte in Richtung der Frauen und um eine bensumfelds, der kulturellen, sozialen und politi-
Umverteilung der Pflichten in Richtung der Männer. schen Teilhabe und der ökonomischen Sicherung
und Vorsorge.
III.6. Solidarisches Miteinander
der Generationen (4) Kinder sind nach unserer Überzeugung Bürge-
rinnen und Bürger mit eigenständigen Rechten,
(1) Unsere Gesellschaft kennzeichnet ein tiefgreifen- nämlich dem Recht auf Zuwendung, Betreuung in-
der demographischer Wandel sowie eine beträcht- ner- und außerhalb der Familie und Ausbildung,
liche Veränderung des Generationenverhaltens. dem Recht, so zu leben und sich so zu verhalten, wie
Steigende Lebenserwartung und stagnierende Ge- sie es selbst wollen, sowie dem Recht auf Schutz vor
burtenzahlen erhöhen das Durchschnittsalter der Gewalt. Das Fördern von Fähigkeiten, Kreativität,
Bevölkerung. Aufgrund verbesserter sozialer Bedin- Kritikfähigkeit und Selbstbewußtsein ist eine wich-
gungen können Menschen länger aktiv bleiben, es tige Voraussetzung für die Chancen und Entwick-
schließen sich an das Erwerbsleben weitere Lebens- lungsmöglichkeiten im ganzen Leben.
abschnitte an. Insgesamt verwischen sich die Gren-
zen zwischen Jugend, Erwerbsleben und den ver- (5) Jugendliche müssen reale Möglichkeiten der
schiedenen Stufen des Alters immer mehr, und auch Mitbestimmung und der politischen Beteiligung
die einzelnen Generationen werden differenzierter erhalten, damit sie ihre Wünsche, Ansichten und Zie-
und uneinheitlicher. le einbringen und im demokratischen Prozeß der
Willensbildung auch umsetzen können. Die ersten
(2) Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten Erfahrungen mit demokratischen Entscheidungs-
stellen uns diesem gesellschaftlichen Wandel, der prozessen sind für junge Menschen für ihr Leben
gelebte Generationensolidarität braucht, um ein prägend. Deshalb treten wir für die Einbeziehung
hohes Maß an Lebensqualität für alle sicherstellen von Jugendlichen in demokratische Entscheidungs-
zu können. Unser politisches Ziel ist es, sowohl den prozesse ein. Politik mit Jugendlichen statt nur für
Lebensinteressen aller Altersgruppen bestmöglich Jugendliche sichert im Sinne umfassender Demo-
zu entsprechen als auch das Verständnis und den kratie, daß die Anliegen der Jugend im politischen
Austausch zwischen den Generationen in einer „Ge- Leben ernst genommen werden. Wir wollen die SPÖ
sellschaft des langen Lebens“ zu unterstützen. Für zu einer Plattform für die Beteiligung Jugendlicher
eine neue generationenübergreifende Politik folgt am politischen Prozeß entwickeln. Auch der sich
daraus, daß wir Jugendpolitik und Politik für die Äl- entwickelnden Kinder- und Jugendlichenkultur soll
teren nicht als isolierte Bereiche ansehen dürfen. entsprechender Raum gegeben werden.

(3) Denn die Bedingungen, unter denen wir auf- (6) Unsere Gesellschaft ist zusehends geprägt von
wachsen und leben, bestimmen und prägen nicht vielfältigen Formen menschlichen Zusammenle-
nur unsere ökonomische Lage, sondern auch unse- bens. Als politische Kraft für Freiheit und gegen Be-
re Gewohnheiten, Werte und Ansprüche bis ins hohe vormundung sehen wir es als Bereicherung, daß sich
Alter. Ob jemand in Würde altern kann, wird nicht immer weniger Menschen in traditionelle Verhal-
erst im Alter bestimmt; vielfach sind schon frühere tensmuster zwängen lassen. Wir unterscheiden
Lebensabschnitte entscheidend. Politisch aktive Se- nicht zwischen „besseren“ und „schlechteren“ For-
niorinnen und Senioren etwa sind in der Regel schon men des Zusammenlebens, für uns sind das Wohl
früher politisch interessiert gewesen und haben die der Menschen, insbesondere der Kinder, das Selbst-
entsprechenden Anforderungen und Möglichkeiten bestimmungsrecht des Menschen und seine sozia-
bereits ab der Jugendzeit erfahren und gelernt. In- le Verantwortung entscheidend.
tegrative Politik der Generationen umfaßt deshalb
in ihrem vollen Verständnis die Bereiche des Bil- (7) Wir verstehen unter Familie jede Form des dau-
18 Das Programm

ernden Zusammenlebens in partnerschaftlicher (11) Wir wollen Rahmenbedingungen schaffen, die


und demokratischer Form, die den einzelnen Mit- es älteren Menschen erlauben, möglichst lange ak-
gliedern dieser Gemeinschaft Solidarität, Anteilnah- tiv, selbständig und im von ihnen bevorzugten Um-
me und Schutz bietet. Wir wollen die notwendigen feld zu leben und dieses mitzugestalten. Wesentli-
Rahmenbedingungen schaffen, um die Lebensbe- che Voraussetzung für ein Altern in Würde ist ma-
dingungen der Familien weiter zu verbessern und terielle Sicherheit. Wir treten daher für ein gerech-
eine familien- und kindergerechte Gesellschaft tes und effizientes Pensionssystem - einschließlich
schaffen. Jede Form der Familie ist vom Staat durch einer eigenständigen Alterssicherung für Frauen -
eine Mischung aus Transfer- und Sachleistungen, ein. Wir bekennen uns zu sozial vertretbaren Refor-
steuerlichen Maßnahmen und sozialversicherungs- men und strukturellen Anpassungen zum Zweck der
rechtlichen Leistungen zu unterstützen. Dabei müs- langfristigen Absicherung, um Rückschläge in der
sen soziale Gesichtspunkte und daher die Unterstüt- Alterssicherung zu verhindern.
zung einkommensschwacher Familien - oft Jungfa-
milien, Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher sowie (12) Der Generationenvertrag stellt für uns Sozial-
Mehrkindfamilien - Vorrang haben. Im Mittelpunkt demokratinnen und Sozialdemokraten nach wie vor
hat das Wohl des Kindes zu stehen. das gesellschaftliche Fundament einer stabilen Al-
terssicherung dar. Um die Solidarität zwischen den
(8) Da wir dafür eintreten, neben den traditionellen Generationen nachhaltig zu stärken, sollen unter
Formen der Familie auch andere Formen des Zusam- Berücksichtigung der wirtschaftlichen Entwicklung,
menlebens lebbar zu machen, muß dies auch deren insbesondere der Wertschöpfung, zusätzliche For-
schrittweise gesetzliche Anerkennung zur Folge men der Finanzierung entwickelt werden. Betrieb-
haben. Bestehende Diskriminierungen für gleichge- liche und individuelle Vorsorge stellen Ergänzungen
schlechtliche Partnerschaften sind in Richtung der gesetzlichen Altersversorgung dar.
rechtlicher Gleichstellung zu überwinden.
(13) Menschen, die im hohen Alter krank sind und
(9) Die verschwimmenden Grenzen zwischen Ju- leiden, haben ein Recht auf menschenwürdige Be-
gend, Erwerbsleben und Alter erfordern auch flexi- treuung. An ihren körperlichen und seelischen Be-
ble Antworten auf diese neuen Herausforderungen. dürfnissen orientierte und erschwingliche Formen
Dazu gehören die Förderung des lebensbegleiten- der Pflege wollen wir für sie gewährleisten, wobei
den Lernens, Modelle des gleitenden Übergangs in sich die Pflege daheim, ambulante Formen der Be-
die Pension ebenso wie anderen Formen der Wei- treuung und stationäre Einrichtungen ergänzen.
tergabe von beruflicher Erfahrung nach Ende des
Erwerbslebens an Jüngere, aber auch Wohnformen, (14) Zur Würde des menschlichen Lebens zählt auch
die den Bedürfnissen unterschiedlicher Altersgrup- die Würde des Sterbens. Daher treten wir für huma-
pen entsprechen und somit verhindern, daß beson- ne Sterbebegleitung und für eine offene Diskussi-
ders im dichtverbauten Raum nach Generationen on aller damit zusammenhängenden Probleme ein,
getrennte Wohnzonen entstehen. Auch mit Mög- lehnen aber Tötung auf Verlangen ab.
lichkeiten der Freizeitgestaltung, die nicht nur auf
Seniorinnen und Senioren fixiert sind, wollen wir die III.7. Soziale Demokratie leben -
Integration der verschiedenen Generationen unter- für Mitbestimmung und
stützen. integrative Politik

(10) Wir treten dafür ein, ältere Menschen in Mei- (1) Nur die Weiterentwicklung der politischen zur
nungsbildungs- und Entscheidungsprozesse aktiv wirtschaftlichen, und damit zur sozialen Demokra-
einzubeziehen. Die Mitbestimmung der älteren tie schafft die Voraussetzung für die Verwirklichung
Generation muß auf allen politischen Ebenen durch unserer Grundwerte. In der sozialen Demokratie
Partizipationsmodelle gewährleistet sein, die den durchdringen demokratische Prinzipien alle Berei-
spezifischen Bedürfnissen des Alters entsprechen. che der Gesellschaft. Insofern ist der Prozeß der
Das Programm 19

Demokratisierung eine permanente Aufgabe, die nehmerinnen über ihre Interessensvertretung mit-
niemals an einem Endpunkt angelangt sein wird. bestimmen, aber auch darüber hinaus bei Entschei-
dungen einbezogen werden müssen. Ebenso wol-
(2) Demokratie ist die einzig menschliche und hu- len wir im privaten Leben partnerschaftliches Den-
mane Form der Organisierung des Zusammenle- ken und Handeln unterstützen.
bens der Menschen, aber sie ist empfindlich und
verletzbar. Sie muß daher gewollt, verteidigt und (7) Der in jeder Demokratie herrschende Grundsatz
weiterentwickelt werden. der Mehrheitsentscheidung hat seine Grenze dort,
wo es um unveräußerliche Rechte von Minderhei-
(3) Zum Herzstück der Demokratie gehört ein funk- ten oder Einzelpersonen geht. Die Rechte von Min-
tionierender Parlamentarismus auf den verschiede- derheiten auf ihre Identität stehen als solche nicht
nen Ebenen unseres Staates. Diese repräsentative zur Disposition einer Mehrheit. Aber auch Minder-
parlamentarische Demokratie - also die durch all- heiten dürfen nicht grundlegende Menschenrech-
gemeine, gleiche, freie und geheime Wahlen legiti- te des Individuums verletzen.
mierte, zeitlich begrenzte Berechtigung, Entschei-
dungen in der Gemeinschaft zu treffen - wird er- (8) Die österreichische Identität wird nachhaltig
gänzt durch die demokratische Verantwortung der auch durch die historisch gewachsene sprachlich-
Bürgerinnen und Bürger und durch Bürgerbeteili- kulturelle und ethnische Vielfalt unseres Staates
gung. Darüber hinaus spielen außerparlamentari- geprägt. Es ist für uns Sozialdemokratinnen und
sche Organisationen und Initiativen, in denen sich Sozialdemokraten selbstverständlich, den Bestand
Bürgerinnen und Bürger zur Vertretung gemeinsa- sowie die kulturelle und sprachliche Entwicklung
mer Interessen zusammenschließen, eine wachsen- dieser Minderheiten zu unterstützen.
de Rolle und sollen entsprechende Beachtung im
Prozeß der politischen Willensbildung finden. (9) Das Zusammenleben zwischen Minderheiten und
Mehrheit erfordert die Förderung des Geistes der To-
(4) Demokratie braucht Öffentlichkeit. Demokrati- leranz und des Dialogs sowie Maßnahmen zur För-
sche Entscheidungsprozesse und die demokratische derung der gegenseitigen Achtung, des gegenseiti-
Kontrolle staatlicher und politischer Macht beruhen gen Verständnisses und der Zusammenarbeit zwi-
aus unserer Sicht darauf, daß Bürgerinnen und Bür- schen allen Menschen unabhängig von deren ethni-
ger Zugang zu allen wesentlichen Informationen scher, kultureller, sprachlicher oder religiöser Identität.
haben, unterschiedliche Interessen erkennen, arti-
kulieren und bewerten sowie Mitwirkungsrechte (10) Dies schließt insbesondere unsere ausländi-
wahrnehmen können. schen Mitbürgerinnen und Mitbürger ein, für deren
Integration im politischen Leben, auf dem Arbeits-
(5) Wir setzen uns für eine Erweiterung demokrati- und Wohnungsmarkt sowie im Bildungs- und Sozi-
scher Rechte ein, durch die mehr Bürger und Bürge- alsystem wir eintreten.
rinnen bei sie unmittelbar betreffenden Fragen kon-
trollieren, mitwirken bzw. mitentscheiden können. (11) Im Sinne einer stärkeren Demokratisierung der
Uns geht es bei diesen neuen Modellen der Bürger- Europäischen Union setzen wir uns für eine tiefgrei-
entscheidung um eine Ergänzung der Elemente der fende Reform der EU und ihrer Institutionen zur
repräsentativen Parteiendemokratie im Sinne des Durchsetzung der Interessen der Bürgerinnen und
stärkeren Engagements für die Angelegenheiten Bürger ein. Es geht darum, dem Souverän, den Bür-
der Gemeinschaft. Die neuen Medien bieten eine gerinnen und Bürgern Europas, vermehrte Entschei-
Möglichkeit, verstärkt partizipatorische Aktivele- dungsrechte zu sichern.
mente zu fördern und einzubeziehen.
(12) Wir setzen uns für die weltweite Verwirklichung
(6) Demokratische Prinzipien haben auch für die demokratischer Grund- und Freiheitsrechte ein und
Berufswelt zu gelten, wo Arbeitnehmer und Arbeit- führen gemeinsam mit anderen Demokraten den
20 Das Programm

Kampf gegen alle Formen von Unfreiheit, Diskrimi- gegeben werden. Das gilt nicht nur für die Geschäf-
nierung, gegen Terror, Todesstrafe und Folter. Außer- te des täglichen Lebens und die Gewährleistung fai-
dem treten wir für die Wahrung der Menschenrech- rer Austauschverhältnisse, das gilt auch für all die
te einschließlich des Rechtes auf Asyl im Falle der Fragen des Schutzes der Umwelt, der Gesundheit
Verfolgung aus politischen, religiösen, rassischen usw, in denen Beweisschwierigkeiten den Schwä-
oder sonstigen Gründen ein. cheren sehr leicht um sein Recht bringen.

III.8. Dienstleistung statt Bürokratie - (5) Im demokratischen Rechtsstaat kann es nur


für ein modernes Staatsverständnis Macht geben, die durch das Recht legitimiert und
begrenzt ist. Rechtsprechung soll dem Bedürfnis
(1) Der Staat hat für den Interessensausgleich in der nach Gerechtigkeit dienen. Der Rechtsstaat bindet
Gesellschaft zu sorgen, um den sozialen Zusammen- die Ausübung der Macht an Recht und Gesetz. Die
halt und die soziale Sicherheit und damit das fried- Bindung an die demokratische Verfassung, an Ge-
liche Zusammenleben der Bürgerinnen und Bürger waltenteilung und gegenseitige Machtkontrolle le-
zu gewährleisten. Die Organe des Staates und de- gitimiert die staatliche Befugnis zur Durchsetzung
ren Handeln müssen demokratisch legitimiert sein. der Rechtsordnung und zur Ausübung des Gewalt-
Ein dauerhafter innerer Frieden der Gesellschaft monopols.
kann nur durch Anwendung von allgemein aner-
kannten fairen Regeln und die gerechte und gleiche (6) Funktionen des demokratischen Rechtsstaats
Behandlung der Bürgerinnen und Bürger erreicht sind es, die Grund- und Menschenrechte umfassend
werden. zu sichern, eine humane Ordnung aufbauen und si-
chern zu helfen, dem sozialen Ausgleich zu dienen,
(2) Wir glauben nicht, daß der Rückzug des Staates den Schutz der Schwächeren zu gewährleisten und
ein Wert an sich ist. Wir sind überzeugt, daß Dere- einen wirkungsvollen Beitrag zum Schutz vor Kri-
gulierung als Selbstzweck zu einer Spaltung der minalität zu leisten. Eine freie, gerechte und solida-
Gesellschaft führen kann. Wir sehen aber ebenso rische Gesellschaft muß jedem Menschen garantie-
klar die Gefahr eines Übermaßes an Regulierung ren, daß er rechtzeitig und mit zumutbaren Kosten
und Bürokratie, das die Menschen in ihrer Freiheit zu seinem Recht kommt. Lange Verfahren sind da-
einengt statt ihnen zu helfen. Wir glauben, daß der her eine Form der Rechtsverweigerung. Hohe Kosten
Weg zu einem zukunftsorientierten Staatswesen schließen sozial Schwächere vom Rechtsstaat prak-
nicht von mehr oder weniger Regeln, sondern von tisch aus. Die Erleichterung des Zugangs zum Recht
besseren und sinnvollen Regeln bestimmt wird. und die Beseitigung sozialer Schranken bei seiner
Durchsetzung bleiben daher eine zentrale Aufgabe
(3) Wir brauchen einen aktiven, das heißt einen lei- sozialdemokratischer Politik.
stungsfähigen und effizienten Staat, der seine Ab-
läufe an zeitgemäßen Modellen orientiert: Es muß (7) Gleichheit vor dem Gesetz und Gleichheit durch
mehr Autonomie, Eigeninitiative und Entschei- das Gesetz sind unverzichtbar, müssen aber auch im
dungsverantwortung des und der Einzelnen, ent- Vollzug der Gesetze wahrgenommen und durchge-
sprechend flachere Hierarchien sowie mehr setzt werden. Wir treten daher für ausgleichende
Kundenorientierung und mehr Leistungsorientie- Rechte zur Wahrung der Chancengleichheit ein. Wir
rung geben. befürworten eine weitere Entwicklung der Ver-
bandsklage und der Gemeinschaftsklagmöglichkei-
(4) Wir treten daher für eine Umgestaltung der Be- ten zugunsten benachteiligter Gruppen (z.B. in
ziehungen zwischen Staat und Bürgerinnen bzw. Gleichbehandlungsfragen, aber auch bei Arbeits-
Bürgern ein. Ihnen muß dabei mehr Freiraum und rechtsansprüchen). Wir treten daher für eine Wei-
Eigenständigkeit eingeräumt werden. In diesem terentwicklung von Recht und Rechtsprechung zu
Zusammenhang treten wir für eine Erweiterung des mehr Prävention, für eine verstärkte zivilrechtliche
Prinzips ein, daß dem Schwächeren stärkere Rechte Ordnungsautonomie der Bürger untereinander und
Das Programm 21

für weniger obrigkeitsstaatliche Verwaltungsinstru- Bürgerinnen bzw. Bürgern und Staat neu zu ordnen,
mente ein. sondern auch das Zusammenleben der Menschen
unter Wahrung ihrer Würde und des gegenseitigen
(8) Im Rahmen umfassender Sicherheit haben alle Respekts voreinander zu gestalten. Dieser Grund-
Menschen das Recht auf wirksamen Schutz vor Kri- rechtskatalog wird daher auch stärker die Praxis der
minalität. Wir bekennen uns zum Kampf gegen die Justiz zu prägen haben.
Kriminalität, wissen aber, daß eine Gesellschaft
nicht umso sicherer ist, je härtere Strafen sie an- (13) Wir lehnen die Privatisierung von staatlichen
droht und verhängt. Ein erfolgreicher Kampf gegen Aufgaben in all den Bereichen, in denen es um
Kriminalität hat wesentlich früher einzusetzen als Grundrechtsschutz oder Grundrechtseingriffe geht,
im Gerichtssaal und wesentlich länger anzudauern ab. Dies sind unverzichtbare Staatsaufgaben, die der
als die Freiheitsstrafe eines Verurteilten. demokratischen Kontrolle und Legitimation unter-
liegen müssen.
(9) Dazu gehört vor allem der Kampf gegen die Ur-
sachen von Kriminalität. Das Zurückdrängen von (14) Auf Basis seiner demokratischen Legitimation
Arbeitslosigkeit, ein wirksames soziales Netz, ein muß der Staat definieren, welche Leistungen im öf-
funktionierendes Bildungssystem, gezielte Integra- fentlichen Interesse erbracht werden sollen. Wir
tions- und Jugendarbeit wirken den sozialen Wur- Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten treten
zeln von Kriminalität entgegen. In der direkten Ver- hier für klare Orientierung am Wohl der Bürgerin-
brechensbekämpfung wollen wir durch bessere nen und Bürger, d.h. an der Qualität der Leistungen
Ausstattung, bessere Aus- und Weiterbildung der und an effizienter und preiswerter Aufgabenwahr-
Exekutive und verstärkte internationale Kooperati- nehmung ein. Ob Leistungen gemein- oder privat-
on die besten Voraussetzungen schaffen. wirtschaftlich erbracht werden, ist danach zu ent-
scheiden, wer bei vergleichbaren arbeits-, sozial-
(10) Der Schutz der Gesellschaft setzt auch ein mo- und umweltrechtlichen Bedingungen die Anforde-
dernes Strafrecht voraus, in dem den Interessen der rungen in Bezug auf Qualität, Effizienz und Wirt-
Verbrechensopfer besondere Bedeutung zugemes- schaftlichkeit am besten erfüllt, wobei vor allem
sen wird. Ein zeitgemäßer Strafvollzug ist die beste auch der gesamtgesellschaftliche Nutzen berück-
Gewähr gegen eine neue Straffälligkeit. Modelle des sichtigt werden muß. Monopolistisches Verhalten
außergerichtlichen Tatausgleichs und der integrati- lehnen wir auch auf diesem Feld ab.
ven Sozialarbeit müssen weiterentwickelt werden.

(11) Die Unabhängigkeit der Justiz und ihrer Richter III.9. Bildung als Chance der Entfaltung
sind in gleicher Weise Basis jedes Rechtsstaates wie aller Fähigkeiten des Menschen
die freie Ausübung anderer Rechtsberufe. In einer und der Gesellschaft - die Zukunft
Demokratie bedürfen sie jedoch auch der demokra- unseres Bildungssystems
tischen Kontrolle. Der demokratische Charakter der
Justiz ist insgesamt zu stärken, auch in der Laien- (1) Wir treten für eine Gesellschaft ein, in der alle
gerichtsbarkeit, die insbesondere durch eine besse- Menschen gleiche Chancen der Entwicklung finden,
re Ausbildung der Laienrichter gestärkt werden soll. und arbeiten daher für ein Bildungssystem, das
Möglichkeiten und Anlagen der Menschen entdeckt
(12) Im österreichischen Katalog an Grund- und Frei- und entwickelt sowie Kritikfähigkeit und Solidari-
heitsrechten fehlen soziale Grundrechte nach wie tät fördert. Bildung und Ausbildung sind grund-
vor zur Gänze. Wir fordern daher die Schaffung ei- legende Elemente einer Kultur des Zusammen-
nes modernen Grundrechtskatalogs, der Basis einer lebens und der Toleranz sowie zugleich zentrale
modernen, sozialen, freien, gerechten und solidari- Voraussetzung, den Lebensstandard auch unter
schen Gesellschaft sein wird. Dieser Grundrechts- den Bedingungen weltweiten Wettbewerbs zu
katalog hat nicht nur die Beziehungen zwischen halten.
22 Das Programm

(2) Bildung bestimmt auch wesentlich den Grad an meinsamen Lernens muß vor dem der individuel-
Reife, der eine demokratische Gesellschaft auszeich- len Leistung stehen.
net. Menschen, die Bildung als Chance erlebt und
gelernt haben, sich selbst Meinungen zu bilden, sind (6) In diesem Zusammenhang treten wir dafür ein,
in der Regel besser gerüstet gegen Denken in die Chancen und Potentiale von Mädchen und Bu-
Schwarz-Weiß-Mustern, politische Verhetzung und ben jeweils voll zu entwickeln. Die Erziehung vom
Demagogie. Bildung hat in der sich verändernden Kindergarten bis zu den Universitäten soll unter
Welt bei der Zuweisung von Lebenschancen eine Bedachtnahme auf ihre unterschiedlichen Bedürf-
immer größer werdende Bedeutung. Deshalb wol- nisse gemeinsam sein (geschlechtersensible Koedu-
len wir ein Bildungssystem, das im Zusammenwir- kation). Chancengleichheit heißt hier auch ausglei-
ken mit Wirtschafts- und Sozialpolitik dazu beiträgt, chende Fördermaßnahmen zu entwickeln und re-
soziale Gerechtigkeit, Solidarität und aktive Mitge- gelmäßig zu überprüfen.
staltung von politischen Prozessen zu fördern.
(7) Wir sehen Bildung als soziales Grundrecht aller
(3) Bildung ist die Grundlage, um sich in einer Welt Menschen. Lernende haben ein Recht auf ein Bil-
der immer rascheren Veränderung selbst und ge- dungssystem und auf Bildungsangebote, die ihren
meinsam mit anderen Menschen zurecht zu finden. Bedürfnissen und Wünschen entsprechen und die
Wir treten daher für ein Bildungsangebot ein, das der Staat zu sichern und in einer Weise zu finanzie-
neben Fachwissen und Berufsvorbereitung auch ren hat, die gleiche Chancen aller Menschen ge-
fachübergreifendes Denken, soziale Kompetenz und währleistet. Wir arbeiten daher auch weiterhin an
kulturübergreifende Kooperationsfähigkeit entwik- der Herstellung von Chancengleichheit, wo heute
keln hilft. Bildung ist die Voraussetzung, um Chan- noch ökonomische, soziale, geografische, ge-
cen in der Gesellschaft wahrzunehmen, und ist da- schlechtsspezifische, sprachlich-kulturelle oder an-
mit der Schlüssel für ein selbstbestimmtes, selbst- dere Hürden oder Vorurteile gleichen Zugang zu den
gestaltetes Leben. Bildungseinrichtungen und ihre Inanspruchnahme
behindern. Das Bildungsangebot muß Menschen
(4) Wir wollen daher ein Bildungssystem, das Neu- mit besonderen Problemen ebenso berücksichtigen
gier, Lust am Lernen, Eigenständigkeit sowie Inter- wie besonders Begabte und Leistungsfähige. In die-
esse an anderen Menschen und an der Welt fördert, sem Zusammenhang ist uns vor allem die Integra-
das Ängste abbauen und Mut entwickeln hilft. In tion von Menschen mit Behinderungen in unser Bil-
diese Richtung gilt es das bestehende Bildungssy- dungssystem ein zentrales Ziel.
stem weiterzuentwickeln. Wir wollen weg vom Dis-
ziplinieren, hin zum Wecken von Interesse, weg vom (8) Vor dem Hintergrund des europäischen Integra-
Auswählen besonders „Geeigneter“, hin zum opti- tionsprozesses treten wir für die Entwicklung ge-
malen Fördern aller in den Menschen steckenden meinsamer europäischer Bildungskonzeptionen
Möglichkeiten, weg vom bloßen Beseitigen von und -angebote sowie für ein Studienangebot ein,
Schwächen, hin zum gezielten Entwickeln von Stär- das den Wechsel zwischen den Universitäten der
ken. Mitgliedsländer problemlos erlaubt. Wir setzen uns
für den verstärkten internationalen Austausch von
(5) Unsere Perspektive geht weg vom unreflektier- Lernenden und Studierenden ein. In diesem Zusam-
ten Eingeben und Abrufen von Fakten- und Daten- menhang fordern wir Maßnahmen, die die Fremd-
wissen, hin zum Vermitteln der Fähigkeit, neues sprachenkompetenz der Österreicherinnen und
Wissen richtig zu verarbeiten und anzuwenden, weg Österreicher erhöhen, wobei sich diese Maßnahmen
vom reinen Frontalunterricht, hin zu Unterrichtsfor- nicht nur auf die Sprachen der Länder der Europäi-
men, durch die Bildungsinhalte aktiv erarbeitet und schen Union beschränken sollen.
die Entwicklung der Persönlichkeit sowie die Bereit-
schaft zur Diskussion und zur demokratischen Wil- (9) Wir schaffen die notwendigen Rahmenbedin-
lensbildung gefördert werden. Das Prinzip des ge- gungen rechtlicher Art und sichern die notwendi-
Das Programm 23

gen Investitionen, um bereits möglichst früh eine der Wirtschaft gerecht werden, die sinnvolle Bün-
kritische Auseinandersetzung mit und die Beherr- delung von Berufsbildern, betriebsunabhängige
schung von neuen Informations- und Kommunika- praktische Ausbildungseinrichtungen und neue
tionstechnologien zu vermitteln, weil die Chancen schulische Ausbildungsformen mit einem hohen
der Informationsrevolution im Interesse aller ge- Praxisanteil. Um den betrieblichen Teil der Lehraus-
nutzt werden müssen. bildung zu sichern, sind ein Lastenausgleich zwi-
schen ausbildenden und nicht ausbildenden Betrie-
(10) Wir treten für intensiven Austausch und verstärk- ben sowie die Schaffung von Ausbildungsverbün-
te Zusammenarbeit zwischen Gesellschaft, Wirt- den notwendig.
schaft und Bildungssystem ein, um neue gesellschaft-
liche und wirtschaftliche Anforderungen frühzeitig im (15) Wir treten für eine Entlastung der Schüler und
Bildungsangebot aufgreifen zu können und damit Studierenden von einem Übermaß an schnell veral-
Ausbildung anzubieten, die gebraucht wird. tendem Wissensstoff zugunsten der Entwicklung
von Methodensicherheit, Denk- und Arbeitsfähig-
(11) Wir setzen uns im Interesse einer weiteren De- keit ein und für die Bereitstellung von Angeboten,
mokratisierung für eine weitgehende Autonomie die lebensbegleitend das Erwerben weiteren Wis-
der Schulen bei gleichzeitiger Einbettung in das re- sens und weiterer Bildung sowie das Erwerben von
gionale Umfeld ein sowie für verstärkte Mitbestim- Abschlüssen und Ausbildungen im zweiten Bildungs-
mung der Eltern und der Schülerinnen und Schüler. weg ohne finanzielle Barrieren möglich machen.
Die allgemeine Anerkennung erworbener Berechti-
gungen muß aber auch beim Ausbau der Autono- (16) Wir treten für den Abbau von Schranken ein, die
mie gewahrt bleiben. den Zugang zur weiterführenden Bildung erschwe-
ren. Wir wollen mehr Menschen ohne traditionelle
(12) Wir treten für ein durchlässiges Bildungssystem Matura und aus sozial schwächeren Familien im In-
vom Kindergarten über eine gemeinsame Schule teresse der Chancengleichheit ermöglichen, ein Stu-
der 6-14-jährigen bis zu vielfältigen weiterführen- dium zu beginnen und positiv zu absolvieren.
den Angeboten ein. Dort sollen Lernprozesse in ei-
ner modularen Form gestaltet werden, die es er- (17) Im Hochschul- und Universitätsbereich geht es
möglicht, sie auch nach der schulischen Erstausbil- um ein System, das Durchlässigkeit sichert, damit
dung jederzeit zu ergänzen und zu vertiefen. die individuellen Interessen bestmöglich verfolgt
und die Möglichkeiten der Studierenden im Inter-
(13) Wir treten für eine Weiterentwicklung der Ober- esse der Gesellschaft optimal genützt werden kön-
stufe ein. Sie muß breite berufsfeldorientierte nen. Dies umfaßt auch eine vermehrte Anrechnung
Grundqualifikationen, umfassende Allgemeinbil- nichtuniversitärer Vorstudien und eigene Studien-
dung und Schlüsselqualifikationen vermitteln. Dies angebote für Berufstätige. Wir wollen einen stän-
bedeutet eine deutliche Rücknahme des Spezialisie- digen Prozeß der Qualitätskontrolle organisieren,
rungsgrades und intensivere Zusammenarbeit zwi- der sicherstellt, daß den Absolventinnen und Absol-
schen den verschiedenen Schultypen bis hin zur venten optimale Chancen ermöglicht werden.
Schaffung neuer und auf die Erfordernisse der Re-
gion abgestimmter gemeinsamer Schulformen un- (18) Wir treten für offenen Hochschulzugang, für
ter Einbeziehung der Berufsschule. Autonomie der Universitäten und Hochschulen,
aber zugleich für deren Einbettung in die Gesell-
(14) Bei der Weiterentwicklung des dualen Berufs- schaft ein. Die Kompetenz zu eigenständiger Rege-
ausbildungssystems Lehre geht es um die Erweite- lung muß mit größerer Verantwortlichkeit, Rechen-
rung der allgemeinbildenden Basis und um die Si- schaftspflicht, Transparenz und demokratischer
cherung der beruflichen Qualifizierung, die Entkop- Kontrolle, vor allem auch im Bereich der finanziel-
pelung von Berufsausbildung und Gewerbeord- len Gebarung, einhergehen. Hochschulen und Uni-
nung, neue Berufsbilder, die dem Strukturwandel versitäten sollen auch eine wichtige Funktion als
24 Das Programm

Dienstleistungsunternehmen für die Entwicklung reich der Kunst, sondern die gesamte Vielfalt an
der Regionen wahrnehmen. In diesem Zusammen- Ausdrucksformen des menschlichen Zusammenle-
hang sollen Mitgestaltungsmöglichkeiten für die Ar- bens und der Auseinandersetzung der Menschen
beitgeber- und Arbeitnehmerseite, aber auch für Ab- mit ihren Lebensbedingungen. Ziel sozialdemokra-
solventinnen und Absolventen ausgebaut werden. tischer Kulturpolitik ist es, allen Menschen zu er-
möglichen, ihr schöpferisches Potential zu entwik-
(19) Auch im gesamten Hochschulbereich muß die keln und zur Geltung zu bringen, um im Rahmen
Möglichkeit der demokratischen Mitbestimmung einer toleranten und solidarischen Gesellschaft die
gesichert und erweitert werden. Darüber hinaus eigenen Lebensbedingungen mitzugestalten.
setzen wir uns für besondere Maßnahmen der Ent-
wicklungs- und Karriereförderung von Frauen ein. (2) Sozialdemokratische Kulturpolitik sorgt dafür
Wir wollen einen fairen Anteil von Frauen an allen und schafft die erforderlichen Freiräume, daß Ten-
Positionen im Bereich der Universitäten und Fach- denzen gesellschaftlicher Entwicklungen erkannt,
hochschulen erreichen. gezeigt, benannt und öffentlich diskutiert werden.
Sie fördert und unterstützt daher nicht nur Kunst,
(20) Um auch die Lehrenden für die neuen Aufga- sondern sämtliche kreativen Milieus. In diesem Sin-
ben zu rüsten, setzen wir uns für verbesserte Aus- ne sind daher unter anderem auch Bildung, Wissen-
bildung der Lehrkräfte ein sowie für ein qualifizier- schaft und Medien Felder der Kulturpolitik, da auch
tes Angebot berufsbegleitender Supervision und sie wesentlich zum Selbstverständnis einer Gesell-
Fortbildung, das vor allem die Fähigkeit zu kommu- schaft und dessen kritischer Reflexion sowie zur All-
nizieren stärkt. Eine Gestaltung der Lernprozesse, tagskultur beitragen.
die allen gleiche Entwicklungschancen bietet, kann
nur dann gelingen, wenn Lehrende und Lernende (3) Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten
solidarisch miteinander arbeiten. bekennen uns zum Grundsatz der Freiheit der Kunst
und zu künstlerischer Vielfalt. Kunstpolitik hat sich
(21) Lebensbegleitende Weiterbildung wird immer nicht in künstlerisches Schaffen einzumischen, sie
wichtiger. Wir sehen es als Aufgabe der öffentlichen soll vielmehr Rahmenbedingungen und Möglichkei-
Hand, daran mitzuwirken, daß in ganz Österreich ein ten schaffen, damit sich die Künste frei entfalten
bedarfsgerechtes Weiterbildungsangebot zur Ver- können. Sie soll daher Künstlerinnen und Künstler
fügung steht, von dem niemand aus finanziellen fördern, zu ihrer sozialen Absicherung beitragen
Gründen ausgeschlossen ist. Um die Möglichkeit zur sowie Infrastruktur, insbesondere in Form von Aus-
Teilnahme an Weiterbildungsangeboten zu sichern bildungseinrichtungen und Möglichkeiten der öf-
und die Chancen am Arbeitsmarkt zu verbessern, fentlichen Darstellung, Realisierung und Vermitt-
treten wir dafür ein, daß allen arbeitenden Men- lung von Kunst, bereitstellen bzw. unterstützen.
schen ein Recht auf bezahlte Bildungszeit einge-
räumt wird und daß Arbeitslosen durch gezielte Bil- (4) In Ergänzung zum etablierten Kunstschaffen
dungsangebote der Einstieg in die Arbeit erleichtert sind besonders jene künstlerischen Ausdrucksfor-
wird. Wir treten für den Ausbau der Erwachsenen- men zu fördern, die kulturelle Investitionen in die
bildung sowie für den Aufbau eines flächendecken- Zukunft darstellen, wie zum Beispiel der gesell-
den, kostenlos zugänglichen Systems der Bildungs- schaftlich wichtige Bereich der Jugendkultur oder
information und -beratung zur Orientierung im innovative Kunstrichtungen, die im Feld der audio-
Weiterbildungssystem ein. visuellen Medien und der neuen Informations- und
Kommunikationstechnologien entstehen.
III.10. Identität und kritische
Öffentlichkeit - Kunst und Medien (5) Die Pflege der künstlerischen Tradition Öster-
reichs darf sich nicht auf die Vermarktung großer
(1) Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten künstlerischer Leistungen der Vergangenheit be-
verstehen unter Kultur nicht bloß den engeren Be- schränken. Im Spannungsverhältnis mit gegenwär-
Das Programm 25

tigen und zukünftigen Kunstströmungen sollen (10) Im Verbund mit Schulen, Museen, Bibliotheken
fruchtbare kulturelle Impulse entstehen. Wir wol- und Medien kommt der Kunstvermittlung ein be-
len eine künstlerische Landschaft, in der das Experi- sonderer Stellenwert zu, um ein reiches kulturelles
mentelle neben dem bereits Akzeptierten Platz fin- Leben zu schaffen. Wir fördern zeitgemäße Formen
det. Dies gilt auch für die Darstellung österreichi- und Strategien, um Interesse zu wecken und die
scher Kunst im Ausland. kreative und gegenwartsbezogene Auseinanderset-
zung mit Kunst zu stimulieren.
(6) In einer durch Kommunikation und Mobilität der
Menschen vernetzten Welt ist die Beschränkung von (11) Öffentlichkeit ist Grundbedingung für eine funk-
Kunst und Kultur auf den nationalen Raum überholt. tionierende Demokratie. Wir sind daher für eine
Wir streben die produktive Förderung und Umset- breite Medienvielfalt, gegen Medienkonzentration,
zung eines grenzüberschreitenden künstlerischen die diese gefährdet, sowie für die Förderung wirt-
und kulturellen Schaffens und Dialogs an. Diese In- schaftlich schwächerer Medien durch die öffentli-
ternationalität fördern wir auch im Bereich der Kul- che Hand nach den Kriterien Vielfalt und Qualität.
turpolitik. Deshalb unterstützen wir den beständi- Der Pluralismus an Meinungen ist nur durch um-
gen Austausch von internationalen Erfahrungen fassende Pressefreiheit und Unabhängigkeit der in
sowie die Koordination von gemeinsamen Program- den Medien Tätigen (innere Pressefreiheit) gewähr-
men, z.B. auf europäischer Ebene. leistet.

(7) Innovative oder gesellschaftskritische Kunst ist (12) Im Bereich der elektronischen Medien wird es
häufig nicht von vornherein marktfähig. Staatliche aufgrund der neuen Technologien zu besonders gro-
Förderung von Kunst kann deshalb durch private ßen Veränderungen kommen, neben traditionellen
Investoren ergänzt, jedoch nicht ersetzt werden. elektronischen Medien wie Radio und Fernsehen
Daher treten wir auch zukünftig für eine ausreichen- werden vor allem die neuen Informationstechnolo-
de Dotierung der Kunstbudgets ein. Gefordert ist in gien zu einem neuen Medienangebot, aber auch zu
diesem Zusammenhang die Entwicklung zeitgemä- einer veränderten Mediennutzung führen.
ßer Vergabemodelle sowie eine konzeptive Arbeits-
teilung zwischen öffentlicher Verwaltung und aus- (13) In diesem Bereich (Rundfunk, TV, Neue Medien)
gelagerten Einrichtungen wie Stiftungen und Fonds. treten wir für ein Nebeneinander von öffentlich-
rechtlichen, nichtkommerziell privaten und kom-
(8) Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten merziellen Programmanbietern ein. Dabei erwarten
wollen ein gesellschaftliches Klima fördern, das wir vom öffentlichen Rundfunk und Fernsehen ein
künstlerischen Pluralismus gewährleistet und kri- Programm, das in besonders umfassender Weise
tische Auseinandersetzung ermöglicht. Daher wol- Informations-, Bildungs- und Kulturangebote sowie
len wir den Dialog mit Künstlerinnen und Künstlern regionale Berichterstattung enthält. Um dies leisten
und die öffentliche Diskussion über kunstpolitische zu können, muß der Bestand öffentlicher Rundfunk-
Fragen führen und fördern sowie für die Auseinan- und Multimediaanbieter durch eine Neugestaltung
dersetzung mit Kunst aktiv werben. Die verfas- der gesetzlichen Rahmenbedingungen und der wirt-
sungsmäßig verankerte Freiheit der Kunst verteidi- schaftlichen Basis langfristig abgesichert werden.
gen wir vorbehaltlos gegen ihre Gegner.
(14) Zur Sicherung der Programmqualität gehört die
(9) Sozialdemokratische Kulturpolitik arbeitet für ei- Förderung der Herstellung und des Vertriebs von
nen breitestmöglichen Zugang zur Vielfalt des künst- Produktionen, die den kulturellen Standards und
lerischen Lebens. Sie setzt sich für den Abbau von den Forderungen nach geistiger Vielfalt und umfas-
Barrieren ein, die sich z.B. durch Preisgestaltung, regio- sender sachlicher Information entsprechen. Interak-
nale Gegebenheiten oder Bildungsdefizite ergeben tive Angebote, die Mediennutzung über den passi-
können. Kulturelle Vielfalt muß über Ballungsräume ven Konsum hinaus ermöglichen, verdienen beson-
und eine kaufkräftige Bildungselite hinausreichen. dere Unterstützung.
26 Das Programm

(15) Wir wollen die Medienkompetenz in unserer (3) Eine besondere Herausforderung und Chance
Gesellschaft unter anderem durch entsprechende sehen wir darin, die soziale Dimension Europas zu
Bildungsangebote fördern. Auf dieser Basis muß es stärken. Arbeitslosigkeit wird von uns niemals ak-
auch zur Neudefinition der Verantwortung zwi- zeptiert werden. Sie muß auf nationaler Ebene, aber
schen Medienproduzentinnen und -produzenten auch durch verstärkte Anstrengungen auf europäi-
einerseits und -konsumentinnen und -konsumen- scher Ebene bekämpft werden. Die neue Qualität
ten andererseits kommen. Es müssen in manchen der europäischen Einigung durch die Herstellung
Bereichen neue Formen der Selbstbeschränkung einer Wirtschafts- und Währungsunion muß auch
wirksam werden, es ist aber auch durch öffentliche durch die Inangriffnahme einer Beschäftigungs-
Kontrolle - unter Einbeziehung relevanter Vertretun- und Sozialunion ihre notwendige Ergänzung finden.
gen der Konsumentinnen und Konsumenten - sicher- In diesem Zusammenhang haben auch die Sozial-
zustellen, daß z.B. die Verherrlichung und Verniedli- partnerschaft und die Gewerkschaften eine wichti-
chung von Gewalt, die Diskriminierung von gesell- ge internationale Rolle.
schaftlichen Gruppen und die Ausbeutung von
Schutzbedürftigen in allen Medienprogramminhal- (4) Das Europa der Bürger ist ein Europa, das seine
ten wirksam unterbunden werden können. Klare Re- demokratischen Strukturen weiterentwickeln muß.
geln müssen hinsichtlich der Informationsaufgabe Der Einigungsprozeß ist notwendigerweise mit dem
und Ausgewogenheit sowie des Schutzes der Persön- Aufbau zentraler europäischer Institutionen ver-
lichkeitssphäre von Bürgerinnen und Bürgern gelten. bunden. Solche bergen immer die Gefahr einer Ver-
selbständigung und einer Entfernung von den In-
III.11. Politik jenseits enger Grenzen - teressen der Bürger in sich. Daher bedarf es auch
das Projekt Europa einer aktiven europäischen sozialdemokratischen
Partei und eines starken Europäischen Parlaments.
(1) Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten Wir brauchen aber auch eine lebendige zivile Ge-
stehen für eine Politik, die den Frieden als bestim- sellschaft mit vielen privaten Initiativen und Orga-
menden Wert einer Gesellschaft betrachtet. Daher nisationen auf europäischer Ebene. Unser Europa ist
ist für uns die Einigung Europas ein entscheiden- ein Kontinent der lebendigen Demokratie, des
des Friedensprojekt. Nur durch den schrittweisen Rechts und der Freiheit.
Aufbau eines gemeinsamen Europa können die Vor-
aussetzungen geschaffen werden, Konflikte zwi- (5) Sicherheit in Europa bedeutet heute nicht in er-
schen Staaten, aber auch zwischen ethnischen ster Linie militärische Sicherheit. Viele akute Bedro-
Gruppen, friedlich zu regeln. Für uns ist die Europäi- hungen sind nicht-militärischer Art: Ökonomische
sche Union daher eine Gemeinschaft der Solidari- und ökologische Krisen stellen realistischere Bedro-
tät, der Chancengleichheit, der Toleranz und der Si- hungen dar als kriegerische Konflikte.
cherheit, die all jenen Staaten Europas offenstehen
muß, die diese Werte teilen und die gemeinsam fest- (6) Wir wollen, daß europäische Sicherheitspolitik
gelegten Voraussetzungen erfüllen. nicht nur militärisch konzipiert und organisiert wird.
Europäische Sicherheitspolitik hat vorausschauend
(2) Wir werden nur dann breite Zustimmung in der und vorbeugend Maßnahmen zur Stabilitätsförde-
Bevölkerung für das neue Europa finden, wenn es rung und Demokratiesicherung zu setzen. Die Sozi-
nicht nur um die Herstellung eines gemeinsamen aldemokratie verfolgt den Gedanken einer Sicher-
Marktes geht, sondern in Ergänzung zum Projekt heitspartnerschaft mit dem Ziel, Sicherheit mitein-
der Friedenssicherung um ein Europa der Bürgerin- ander statt gegeneinander zu gewährleisten.
nen und Bürger, um ein Europa der Arbeit und der
sozialen Sicherheit. Zu dieser breiten Akzeptanz ist (7) Die effektivste Gewaltprävention ist die Entwick-
es daher erforderlich, alle Politikfelder der Europäi- lung Europas zu einer Zone demokratischer Rechts-
schen Union im Sinne einer querschnittsorientier- staaten. Demokratien führen in aller Regel keine
ten Gleichstellungspolitik weiterzuentickeln. Kriege gegen andere Demokratien. Daher treten wir
Das Programm 27

dafür ein, die europäische Stabilitätszone auszuwei- Persönlichkeitsrechte sowie menschenwürdige Be-
ten. In ihr stehen Maßnahmen zur Förderung der dingungen bei der Erfüllung ihrer Aufgabe zu ge-
Demokratie, Rüstungskontrolle und Abrüstung, In- währleisten.
strumente des Minderheitenschutzes, friedliche
Streitbeilegung sowie Konsultation und Kooperati- (12) Die Entwicklung der Nationalstaaten war seit
on, Frühwarnung und Vermittlung im Vordergrund, der Aufklärung eng verbunden mit dem Kampf ge-
ergänzt durch das Spektrum des militärischen Kri- gen das individuelle Faustrecht, welches durch den
senmanagements. Aufbau des Rechtsstaates und durch die Schaffung
des Gewaltmonopols des Staates zurückgedrängt
(8) Die Perspektiven für ein europäisches Sicher- und abgeschafft wurde.
heitssystem haben sich seit Ende der Bipolarität
und des Kalten Krieges radikal geändert. Stan- (13) In weiterer Konsequenz gilt es nunmehr, durch
den vor 1989/90 für den Westen die Verteidigung die Schaffung supranationaler rechtsstaatlicher
Westeuropas und der USA im Vordergrund, so Strukturen und durch ein Gewaltmonopol für legi-
wird auf absehbare Zukunft kooperative Konflikt- timierte Organe der Völkergemeinschaft, das „inter-
prävention und Krisenmanagement entschei- nationale Faustrecht“ in Form militärischer Aggres-
dend sein. sion zurückzudrängen und zu überwinden und da-
mit zur dauerhaften Friedenssicherung beizutra-
(9) Ein Militärbündnis ist dafür kein geeignetes In- gen.
strument, weil Friedenspolitik nach Ende des Kalten
Krieges sinnvollerweise nicht mehr in nuklearer (14) Teil dieser Bemühungen sollte die Entwicklung
oder konventioneller Abschreckung durch ein kol- einer gemeinsamen friedensorientierten europäi-
lektives Verteidigungsbündnis bestehen kann. Ein schen Außen- und Sicherheitspolitik sein, die - ein-
künftiges europäisches Sicherheitsmodell muß weit gebettet in eine globale Sicherheitspolitik - dazu
darüber hinaus gehen und auf sehr flexiblen Struk- führen soll, daß in Europa Kriege zwischen Staaten
turen (Konfliktprävention, Krisenmanagement, in- und die Anwendung von Gewalt zur Lösung politi-
ternationale Solidaritätseinsätze usw.) beruhen, scher Probleme der Geschichte angehören.
sodaß für große wie kleine Staaten vielfältige Sicher-
heitsstrategien und verschiedene Formen der Ko- (15) So wenig es heute für Österreich einen plausi-
operation und Konsultation möglich werden. blen Grund gibt, einem Militärbündnis beizutreten
und auf die österreichische Neutralität zu verzich-
(10) Österreich verfügt in Form der Neutralität, in ten, wäre doch ein solches europäisches Sicherheits-
Kombination mit internationaler kooperativer Soli- system und eine neue Kultur bei der Bewältigung
darität, über ein bewährtes Sicherheitskonzept. Es von Konflikten ein Friedensmodell, dem sich kein
gestattet eingegangene Verpflichtungen in ver- europäischer Staat entziehen sollte.
tragstreuer und solidarischer Weise wahrzuneh-
men. Wir lehnen daher eine automatisierte Ver- (16) Die Erweiterung der Europäischen Union be-
pflichtung zur Teilnahme an militärischen Operatio- trachten wir als Erweiterung einer Zone des Friedens
nen in einem Bündnis ab. Wir benötigen auch kei- und der Stabilität. Sie muß schrittweise und nach
nen Bündnisbeitritt, um unsere internationale Soli- sorgfältiger Vorbereitung bzw. nach einer Periode
darität unter Beweis zu stellen. Wir leisten schon der Annäherung der Sozial- und Umweltstandards
bisher einen - bezogen auf unsere Bevölkerungszahl erfolgen, um sicherzustellen, daß die Erweiterung
- überproportionalen Beitrag zur internationalen auch unter wirtschaftlichen und sozialen Gesichts-
Friedenssicherung. punkten Vorteile für ganz Europa bringt. Auch nach
Vollendung des Prozesses der Erweiterung der Eu-
(11) Im Rahmen dieser Konzeption bekennen wir uns ropäischen Union wird Europa keine Festung gegen-
zu einer demokratisch organisierten Landesvertei- über anderen Völkern und Kontinenten sein, son-
digung. Den Angehörigen des Bundesheers sind alle dern dialogbereit und weltoffen.
28 Das Programm

III.12. Globale Gerechtigkeit schaffen - fen freie Welt haben. Scharfen internationalen
die Zukunft der Weltgesellschaft Kontrollen muß aber auch der Handel mit Waf-
fen vor allem in Konfliktzonen unterworfen wer-
(1) Ebenso wie innerhalb Europas wollen wir uns auf den. Waffen, die gegen humanitäres Recht ver-
globaler Ebene für die Verwirklichung unserer stoßen wie z.B. Landminen sind zu ächten.
Grundwerte einsetzen. Auch unser eigenes Schick-
sal hängt mit davon ab, ob es gelingt, eine friedli- (5) Wahrung und Verbreitung der Menschenrech-
che Welt der Demokratie und Humanität, des Wohl- te und Grundfreiheiten gehören zu den wichtig-
standes und des umweltschonenden Wirtschaftens sten Grundlagen eines stabilen politischen Welt-
zu verwirklichen oder uns diesem Ziel anzunähern. systems. Menschenrechte und Grundfreiheiten
sind universal und unteilbar und gelten in glei-
(2) Neue Strukturen der Weltgesellschaft, die we- cher Weise für alle Kulturen und alle Stufen wirt-
der von militärischer Gewalt noch von wirt- schaftlicher und sozialer Entwicklung.
schaftlicher Übermacht bestimmt sind und in
denen gleiches Recht und gleiche Verantwortung (6) Im Zeitalter der Globalisierung müssen Weltwirt-
für große und kleine Nationen gelten, sind dafür schaft und Weltwährungssystem von überschauba-
eine unabdingbare Voraussetzung. Zentraler ren und transparenten Regeln gelenkt werden. So
Platz für globales politisches Handeln sollen die wie die nationalen Märkte bedürfen auch die Welt-
Vereinten Nationen sein, die - um ihrem Namen märkte einer nach demokratischen Spielregeln ent-
gerecht zu werden - auch mit den Mitteln und standenen Marktordnung, die Schutz vor Miß-
Instrumenten auszustatten sind, um ihre Frie- brauch wirtschaftlicher Macht bietet, die Spekula-
densmission und andere Aufgaben, die ihnen von tion auf den internationalen Finanzmärkten ein-
der internationalen Gemeinschaft übertragen dämmt und die Krisenanfälligkeit des Weltwirt-
werden, erfüllen zu können. schaftssystems mindert. Das Weltwährungssystem
von morgen darf nicht nur von den Launen der Märk-
(3) Eine ebenso bedeutende Rolle muß jenen re- te abhängen, sondern muß die Gestaltungsmöglich-
gionalen Organisationen zukommen, die - wie keiten von Regierungen, Zentralbanken und Welt-
für den europäischen Raum die OSZE - für regio- währungsinstitutionen erhalten.
nale Friedenssicherung legitimiert sind. Völker-
recht muß vor nationalem Recht gelten und vor (7) Ein erneuertes Weltwirtschaftssystem muß
allem über nationalen Interessen stehen. Auch auch den heute noch armen Nationen gleiche
und gerade große Staaten müssen Völkerrecht Chancen bieten und ihre Integration in den Welt-
beachten. Im internationalen System von mor- handel und die Weltwirtschaft insgesamt för-
gen müssen neben Regierungen, Parlamenten dern. Voraussetzung dafür sind für uns Sozialde-
und anderen bestehenden Institutionen auch mokratinnen und Sozialdemokraten allerdings
neue Akteure der internationalen Politik, inter- weltweite soziale und ökologische Mindeststan-
nationale Bürgerbewegungen und regierungs- dards, insbesondere Vereinigungsrecht, Recht auf
unabhängige Organisationen den ihnen gebüh- Kollektivvertragsverhandlungen, Verbot der Kin-
renden Platz finden. Besonders für die interna- derarbeit und der Gefangenen- und Sklavenar-
tionale Sozialdemokratie müssen sie privilegier- beit. Eine weitere Voraussetzung auf diesem Weg
te Bündnispartner von morgen werden. bleibt eine zwischen allen Gebern abgestimmte
Entwicklungspolitik, auch als ein Gebot interna-
(4) Globale Sicherung des Friedens ebenso wie tionaler Solidarität. Partnerschaftliche Entwick-
die Eindämmung lokaler Konflikte setzt voraus, lungszusammenarbeit darf nicht an den Men-
daß der Primat der Politik vor der Logik militäri- schen vorbeigehen und muß auch der Schaffung
scher Gewalt kommt. Abrüstung und Rüstungs- moderner und demokratischer gesellschaftlicher
kontrolle unter der Ägide der Vereinten Nationen und staatlicher Strukturen im Geiste der Verant-
muß als Ziel eine von Massenvernichtungswaf- wortung und Transparenz dienen.
Das Programm 29

IV. Demokratische Erneuerung


als Prinzip - das Selbst-
verständnis der SPÖ
(1) Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten Verfassung bekennen. Dieser Konsens muß in der
stehen für politisches Gestalten im Interesse der Form der Auseinandersetzung sichtbar bleiben.
Menschen. Die SPÖ ist eine Partei mit klaren Grund-
sätzen und richtet sich gegen politische Beliebigkeit (5) Politische Kultur benötigt die Spannung zwi-
und Populismus. Wir wollen in einem Prozeß der schen Zukunftsentwurf und Wirklichkeit. Unsere
ständigen Veränderung eine neue und bessere Ge- politischen Ziele werden dann wirksam, wenn sich
sellschaft verwirklichen. Unsere politische Aufgabe selbstbewußte Bürgerinnen und Bürger darin wie-
bleibt aktuell, so aktuell wie die Grundsätze und dererkennen. Unsere Politik beruht auf der Akzep-
Grundwerte, von denen wir ausgehen. tanz und dem Erstreben von Mehrheiten, ohne daß
dadurch Minderheiten in ihren Rechten und in ih-
(2) In unserer sich dynamisch verändernden Gesell- rer Würde eingeschränkt oder diskriminiert werden.
schaft erheben Bürgerinnen und Bürger in wachsen-
dem Ausmaß den Anspruch, selbst Träger des Pro- (6) Offenheit gegenüber der Gesellschaft und De-
zesses dieser Veränderung zu sein; gleichzeitig sind mokratie nach innen bedingen sich in der Sozialde-
viele skeptisch gegenüber staatlichen Einrichtun- mokratie wechselseitig. Ihre Basis ist eine breite
gen, aber auch gegenüber Interessensvertretungen Mitgliedschaft und die Bereitschaft vieler, aktiv mit-
und Parteien. Nur wo Menschen verantwortlich Po- zuarbeiten, sich selbstbewußt einzubringen und
litik mitgestalten und erfahren können, wo sie ihre ihre politische Überzeugung im Dialog mit Bürge-
Vorstellungen einbringen können, werden die Kräf- rinnen und Bürgern zu vertreten. Alle Mitglieder
te freigesetzt, die die politische Kultur in der sozia- müssen gestaltend an der Politik der Partei im Sin-
len Demokratie braucht. ne unserer Grundwerte mitwirken können. Men-
schen, die bereit sind, sich in Parteien zu engagie-
(3) Die Partnerschaft zwischen den Bürgerinnen und ren, sind wichtige Träger unseres demokratischen
Bürgern und den demokratischen Einrichtungen Systems.
muß neu begründet werden. Sie muß vor allem of-
fener und dialogorientierter werden. Für die Demo- (7) Das Bekenntnis zur Geschlechterdemokratie
kratie bleiben aber politische Parteien unverzicht- muß auch innerhalb der eigenen Bewegung mit
bar, um Interessen legitimiert zu organisieren und Leben erfüllt sein. Die gleichberechtigte Teilhabe von
zu vertreten. Bei diesem Bekenntnis allein darf es Frauen und Männern muß auch für unsere inner-
allerdings nicht bleiben: parteilichen Entscheidungsprozesse sowie die Be-
setzung von Funktionen und Mandaten gelten. Es
(4) Politik ist für uns undenkbar ohne Diskussion. In ist unser Ziel, vermehrt Spitzenpositionen mit Frau-
der Art, wie wir diskutieren, müssen die Ziele, für die en zu besetzen, weil Chancengleichheit und Fairneß
wir eintreten, erkennbar sein. Im Wettstreit um die für alle Positionen gelten muß. Davon wird auch Si-
politische Gestaltung heiligt der Zweck nicht die gnalwirkung für Frauen in anderen gesellschaftli-
Mittel. Wir bejahen den Grundkonsens mit all jenen chen Bereichen ausgehen.
gesellschaftlichen Kräften, die sich zu den Grund-
rechten und Grundregeln der Demokratie und der (8) Mitglieder der Sozialdemokratie, besonders aber
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Funktionärinnen (12) Längst ist unbestritten, daß Sozialdemokratie
und Funktionäre, Mandatarinnen und Mandatare und Religion keine Gegensätze darstellen. Wir freu-
sollen in ihrem Engagement für die Ziele unserer Be- en uns, daß religiöse Botschaften, die zu Nächsten-
wegung Vorbilder sein und sich daher in ihrem be- liebe und zum Eintreten für die Schwachen aufru-
ruflichen und privaten Leben an sozialdemokrati- fen, für viele Menschen ein Motiv zum Engagement
schen Grundsätzen orientieren und diese in ihrer po- in der Sozialdemokratie sind.
litischen Arbeit konsequent beachten und vertreten.
Auch deshalb ist für die SPÖ die optimale und demo- (13) In unserer vielfältigen Gesellschaft ist das Bünd-
kratische Auswahl von Mandats- und Funktionsträ- nis politischer und gesellschaftlicher Kräfte oft die
gerinnen und -trägern von zentraler Bedeutung. notwendige Basis für die Durchsetzung einer Poli-
tik der Veränderung. Wir suchen die Partnerschaft
(9) Für Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten mit allen fortschrittlichen und gesellschaftspolitisch
steht fest: In dem Maße, in dem wir den Anspruch engagierten Gruppen, Organisationen und Initiativen.
erheben, die Gesellschaft zu reformieren und zu
modernisieren, in dem Maße müssen wir unsere ei- (14) Eine besondere Verbundenheit gibt es auch
gene Tätigkeit und unsere Organisation kontinuier- zwischen Sozialdemokratie und Gewerkschaftsbe-
lich weiterentwickeln. Die Grundwerte, die wir in der wegung, insbesondere wenn es um die Verbesse-
Gesellschaft verwirklichen wollen, müssen auch der rung des Lebensstandards der Arbeitnehmerinnen
Arbeit in unserer Partei zugrundeliegen und mit und Arbeitnehmer sowie der sozial Schwächeren
Leben erfüllt werden. geht.

(10) Für uns kann das nur bedeuten, den Weg einer (15) Ein Dialog, ein Bündnis, ein Kompromiß mit An-
dynamischen Organisationsentwicklung, einer ra- dersdenkenden ist dann möglich, wenn sie die
dikalen Öffnung und einer Belebung unserer Orga- grundlegenden Werte der Zweiten Republik, wie
nisationskultur fortzusetzen. Das heißt unter ande- insbesondere Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Men-
rem, vielfältige Formen der Mit- und Zusammenar- schenrechte, soziale Sicherheit, Toleranz und Gleich-
beit anzubieten und neue flexible Mitbestim- berechtigung, nicht in Frage stellen und ihre Politik
mungsmöglichkeiten bei der Formulierung unserer nicht auf Haß oder Ausgrenzung aufbauen.
Politik zu entwickeln, vor allem auch für die jüngere
Generation. Es bedeutet auch, Eigeninitiative und - (16) Wir streben politische Verantwortung an, weil
wo sie an sozialdemokratischen Grundsätzen orien- wir glauben, mit diesem Programm über das beste
tiert ist - Selbstorganisation zu unterstützen und Konzept für die Zukunft unseres Landes und für die
eine Plattform dafür zu bieten. Weiterentwicklung unserer Gesellschaft zu verfü-
gen. Wir laden Mitglieder und Freunde der Sozial-
(11) Auf diese Weise wollen wir gewährleisten, daß demokratie sowie darüber hinaus alle Bürgerinnen
alle aktiven und kreativen Menschen, die sich für und Bürger ein, mitzuarbeiten, demokratisch mit-
eine gerechtere Welt einsetzen wollen, in der SPÖ zuentscheiden und damit mitzuhelfen, daß wir alle,
mitarbeiten können - in unterschiedlicher Form und aber auch unsere Kinder und deren Nachkommen
unabhängig davon, aus welchen Gründen sie sich in einer humanen, friedlichen, sozialen und gerech-
engagieren möchten. ten Welt leben können.
Medieninhaber und Herausgeber:
SPÖ-Bundesgeschäftsstelle, 1014 Wien, Löwelstraße 18.
Hersteller: Gutenberg, 2700 Wiener Neustadt.

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