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Architektur Denken
Wenn ich an Architektur denke. steigen Bilder in mir auf . Viele dieser
Architekt. Sie enthalten das berufliche Wissen über Architektur, das ich
mir im Laufe der Zeit erwerben konnte . Andere Bilder haben mit meiner
K indheit zu tun.lch erinnere mich an jene Zeit in meinem Leben, in der ich
Türklinke. jenes Stück Metall, geformt wie der Rücken eine s Löffels. in
Ich fasste es an. wenn ich den Garten meiner Tante betrat. Noch heute
erscheint mir jene Klinke wie ein besonderes Zeichen d es Eintritts in eine
das Geräusch der Kieselsteine unter meinen Füssen, an den milden Glanz
hinter mir ins Schloss fallen. laufe den düsteren Gang entlang und betre-
Nur dieser Raum, so will mir heute scheinen, hatte eine Decke, die
Bodens. dunkelrot und satt verfugt. setzten meinen Schritten eine un-
All es in dieser Küche war so. wie herkömmlich e Küchen eben sind.
Es gab nichts Besonderes an ihr. Aber vielleich t ist sie, gerade weil sie
auf diese fast natürliche Weise einfach Küche war, in meiner Erinne-
rung so sehr als Inbild einer Küche präsent. Die Atmo sphäre dieses
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Raumes hat sich für immer mit meiner Vorstellung von einer Küche
verbunden.
Nun wäre mir danach, fortzufahr-en und zu erzählen: von al len Türklinken,
die auf jene Klmke am Gartentor meiner Tante fo lgten, und von Böden, von
bedeckt von Kastanienblattern im Her bst, und von T üren, die auf so unter-
schiedlicheWeise ins Schloss fielen: die einen satt und vor-nehm, andere dünn
turerfahrungen, die ich kenne . Sie bilden den Grundstock von architekt:oni-
schen Scimmungen und Bildern. den ich in meiner A rbeit als Architekt aus-
zuloten versuche.
Wenn tch entwerfe. finde ich mich immer wieder eingetaucht in alte und
für mich damals. und was könnte mir helfen , jene reiche Atmosphäre wie -
der entstehen zu lassen. die gesattigt zu sein scheint von der selbstverständ-
lichen Präsenz der Dinge. wo alles seinen richtigen Ort und seine richtige
Form hat? Daber waren gar keine besonderen Formen auszumachen. Aber
dieser Anflug von Fulle wäre spürbar, von Reichtum auch, der einen denken
lasse das habe ich schon einmal gesehen. während ich gleichzeitig w eiss, dass
alles neu und anders ist und kein direktes Zitat einer alten Architektur das
ist der präzise und sinnliche Einsatz des Materials in diesen Kunstwerken.
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den Menschen verankert zu sein und gleichzeitig das eigentliche Wesen
freizulegen.
ln meiner Arbeit versuche ich, die Materialien auf ähnliche Weise einzu-
Der Stnn, den es 1m Stofflichen z.u stiften gilt, liegt jenseits kompositorischer
Regeln. und auch die Fuhlbarkeit. der Geruch und der akustische A usdruck
der Materialien sind lediglich Elemente der Sprache. in der wir sprechen
die nur in dtesem einen ObJekt auf diese Weise spürbar werden.
Wenn wir auf dieses Ziel hinarbeiten, mussen wir uns immer wieder fra-
sowohl dte An. wie dieses Material fur gewöhnlich angewendet wird, als
nem neuen Lichte erscheinen lassen. Gelingt uns dies. können Materialien
Etwas vom Etndrucklichsten an der Musik Johann Sebastian Bachs ist, sagt
man. thre «Archttektur».lhr Aufbau wirkt klar und durchsichtig. Es ist mög-
tm Emzelnen z.u verfolgen, ohne das Gefuhl fur die KompoSition als Gan-
zes, tn der alle Einzelheiten ihren Sinn finden. zu verlieren. Eine klare Struk-
tur schemt dem Werk zugrunde zu liegen, und folgt man den einzelnen
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Fäden des musikalischen Gewebes. so ist es möglich, die Regeln, die den
Konstruktion ist die Kunst. aus vielen Einzelteilen ein sinnvolles Ganzes
terialien gefügt und aufgerichtet werden. wird die erdachte Architektur Teil
Ich empfinde Respekt für die Kunst des Fügens, für die Fähigkeiten der
schen über die Herstellung von Dingen, das in ihrem Können enthalten ist.
W issen gerecht werden und die es auch wert sind, dieses Können heraus-
zufordern.
«Da drin steckt viel Arbeit», pflegt man zu sagen, wenn man einen schön
gearbeiteten Gegenstand betrachtet und glaubt, die Sorgfalt und das Kön-
nen des Menschen, der den Gegenstand geschaffen hat, zu verspüren. Dass
unsere Arbeit wirklich in den Dingen steckt, die uns gelingen. ist eine Vor-
stellung, die an die Grenzen des Nachdenkens über den Wert eines Werkes
ein Bauwerk mich berührt wie eine Musik, ein Stück Literatur oder ein Bild,
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01e Weit der Tone umfasst aber auch d1e Gegensatze von Melodie. Har-
men. Fragmente und Ballungen von Klangen. und es gibt die rein fun ktio-
nalen Gerausche. d1e w1r Larm nennen. Oie zeitgenössische Musik arbei-
Ich denke. dass die Zeltgenossische Architektur im Grunde uber einen eben-
smd jedoch Grenzen gesetzt. Wenn die Komposition eines Bau werks auf
aber m1t dem Verstehen der Aussage erlischt die Neugier. und was zurück-
bleibt. ist d1e Frage nach der Nutzlichkeit des architektonischen Objektes
korperlich er, Verbmdung m1t dem Leben. ln mei ner Vorstellung ist sie zu -
nachst weder Botschaft noch Ze1chen, sondern Hulle und Hintergrund des
vorbeiziehenden Lebens. ein sensibles Gefass für den Rhythmu s der Schritte
auf dem Boden. fur die Konzentration der Ar·beit, fur die Stille des Schlafs.
Gebaute A rchitektur hat ihren Ort in der konkreten Weit. Dort hat sie ihre
Prasenz. Dort spncht sie fur sich. Architekturdarste llungen. d ie noch nicht
Gebautes zum Inhalt haben. sind geprägt von der A nstrengung. etwas zum
Sprechen zu bringen. das semen On in der konkreten W elt noch nicht ge-
funden hat. aber fur d1ese gedacht ist. Die Archi tekturzeichnung versucht,
d1e Ausstrahlung des ObJektes an seinem Ort moglichst prazise ins Bild zu
setzen Aber gerade die Anstrengung der Darstellung kann die Abwesenheit
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in der Darstellung versprochene Wirklichkeit und vielleicht, wenn uns das
zu gross werden, wenn die Darstellung keine «offenen Stellen» mehr ent-
hält, in die wir mit unserer Imaginat ion eindringen können und die Neugier
wird die Darstellung selber zum Objekt der Begierde. Das Verlangen nach
dem w irklichen Objekt verblasst.Wenig oder nichts mehr verweist auf das
halb meine Zeichnungen auf jenen delikaten Punkt der Anschaulichkeit hin,
an dem die erstrebte Grundstimmung fassbar wir d, ohne dass sie von Un-
w esentlichem abgelenkt würde. Dazu hat die Zeichnung selbst die Quali -
täten des gesuchten Objektes anzunehmen. Sie ist dann. ähnlich der Skiz-
ze eines Bildhauers fur seine Skulptur, nicht bloss Abbild einer Idee, son-
das verstehen zu lernen, w as noch nicht ist und doch zu werden beginnt.
ln der Bildhauerei gibt es eine Trad ition, die den Ausd ruck der Fugen und
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ebenso homogen und ganzheitlich w ie Skulpturen älterer bildhauerischer
Traditionen aus Stein oder Holz.Viele Künstler der 60er und 70er Jahre
berufen sich in ihren Installat ionen und Objekten auf die einfachsten und
Beuys, Merz und andere haben immer wieder mit lockeren Setzungen im
keine Störung des Gesamteindruckes durch kleine Teile, die nichts mit der
Aussage des Werkes zu tun haben. Die W ahrnehmung des Ganzen wird nicht
dung, jede Fuge ist da. um der Idee des Ganzen zu dienen und die ruhige
Wenn ich Gebäude entwerfe. versuche ich, diesen eine ähnliche Präsenz
zu verleihen. Anders als der bildende Künstler muss ich dabei jedoch von
die sich in Funktion und Form. im Material und in der Grösse unterschei-
den. ein Ganzes zu bilden. Für die K anten und Fugen, dort wo di e Flächen
der treffen . sind sinnvolle Konstruktionen und Formen zu suchen. Mit die-
Details haben auszudrucken, was die Grundidee des Entwurfs an der betref-
Details. wenn sie uns glücken, sind nicht Dekoration. Sie lenken nicht ab,
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sie unterhalten n1cht. sondern sie fuhren hin zum Verstandnis des Gan-
unser Blick erst jetzt auf ein Detail und verharrt m Erstaunen: D iese zwei
je ns eits de r Zeic he n
«All es 1st moglich», hort man in der Welt der Macher. «Mainstreet is
almost all nghm. sagt Venrun. der Architekt. «N icht s geht mehr>>. sagen je-
ne. d1e an der Unwwtllchkelt unserer Zeit leiden. D 1ese Aussagen stehen
kontrollieren scheint. Alles vermengt sich mit allem, und die Massenkom-
schwommen und wgendwie unwirklich. D1 e Welt ist voll von Zeichen und
Informat ionen, die fur Dinge stehen, d1e niemand vollauf versteht, weil auch
drese s1ch letztlich w1ederum nur als Zeichen fur ande re D inge erweisen.
Trotzdem, ich bin uberzeugt. dass, wenn auc h gefahrdet, noch wahre
Dmge ex1st1eren. Es g1bt Erde und Wasser. das L1cht der Sonne. Landschaft
Maschinen.Werkzeuge oder Musikinstrumen te, die sind. was sie si nd, die kei-
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ne künstlichen Botschaften tragen. deren Gegenwart selbstverständlich ist.
hen scheinen. wird unsere Wahrnehmung auf eine besondere Weise ruhig
und stumpf. Das Objekt, das wir wahrnehmen. drängt uns keine Au ssage
und nicht besiuergreifend. Sie liegt jenseits der Zeichen und Symbole. Sie
ist offen und leer. Es ist, als ob man etwas sähe. das sich nicht ins Zentrum
kann im Betrachter eine Erinnerung auftauchen. die aus der Tiefe der Zeit
zu stammen scheint. Das Objekt sehen. heisst jetzt auch, die Welt in ihrer
Ganzheit erahnen; denn es ist nichts da, was nicht zu verstehen wäre.
Lebens, scheinen die Gemälde von Edward Hopper zu sagen. Man muss nur
Vervollständigte Landschaften
Die Gegenwart bestimmter Bauten hat für mich etwas Geheimnisvolles. Sie
Und doch ist es schier unmöglich, sich den Ort, an dem sie stehen, oh ne
sie vorzustellen. Diese Bauten schei nen fest im Boden verankert zu sei n.
Sie wirken als selbstverständlicher Teil ihrer Umgebung, und sie scheinen zu
sagen: «Ich bin so, wie du mich siehst. und ich gehöre hier hin.»
Gebäude entwerfen zu können, die im Laufe der Zeit auf diese selbstver-
standliehe Weise mit der Gestalt und Geschichte ihres Ortes verwachsen,
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Neue semen Platz fi nden kann. muss es uns erst dazu anregen. das Beste-
hende neu zu sehen. Man wrrft emen Stem ins Wasser. Sand wirbelt auf und
setzt sich wieder. De r· Aufr uhr war notwendig. Der Stein hat seinen Platz
gefunden. Aber der Terch rst nicht mehr derselbe wie vorher·.
Ich glaube. dass Gebaude. dre von rh rer Umgebung allmah lich angenommen
werden. dre Fahrgkert besrtzen mussen. Gefuhl und Verstand auf vielfaltige
Weise anzusprechen. Unser Fuhlen und Verstehen aber wurzelt in der Ver-
gangenheit. Deshalb muss der Sinnzusammenhang, den wir mit einem Ge-
bäude schaffen. den Prozess des Ennnerns respektieren. Das Erinnerte je-
doch ist nicht mrt dem Endpu nkt am Schluss einer Linie vergleichbar. sagt
John Berger 1n semem Buch ube r das Sehen. «Es grbt verschiedene Mog-
li chkeiten. die zur Ennnerung fuhren und 10 ihr zusammenlaufen. Bilder.
Strmmungen. Formen.Worter. Zerehen und Vergleichemussen Möglichkei-
ten der Annaherung eroffnen. Um das Werk im Zentrum muss ein strah-
lenform iges System der Annaherung gelegt werden. so dass wir es giereh-
zeitig unter verschiedenen Aspekten betrachten konnen: historisch. asthe-
tiSch. funktronal. alltaglrch. personlrch. lerdenschaftlrch.»
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Kunst des Fügens, verborgene Geometrien, die Reibung der Materialien, die
inneren Kräfte des Tragens und Haltens. die menschliche Arbeit, die in den
Dingen steckt.
tur in der Form eines Hauses. Das Haus hatte keinen Eingang. Sein Inneres
war unzugänglich und verborgen. Es blieb ein Geheimnis, das der Skulptur
Hauses so anzulegen sind, dass sie den vollendeten Körper in einen Zustand
der inn eren Spannung und Vibration verseuen. Geigen sind so gebaut. Sie
ke von mehr oder weniger diffusen Metaphern und Anspielungen, die un-
der Welt zu knüpfen sei. Als Architekt habe ich gelernt zu verstehen, dass
das Gegenteil dieser jugendlichen Definition von Poesie der Wahrheit wohl
näher kommt.
Ein Bauwerk kann über künstlerische Qualitäten verfügen, wenn seine viel-
fallen. die uns zu berühren vermag. Diese Kunst hat nichts mit interessan-
stand und vor allem von Wahrheit. U nd viellei cht ist Poesie die unerwar-
tete Wahrheit. Ihr Auftreten bedarf der Stille. Dieser stillen Erwartung Ge-
stalt z.u verleihen. 1st die klinstlerische Aufgabe der Architektur. Denn das
Bauwerk selber ist niemals poetisch. Es mag lediglich über diese delikaten
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Begierd e
Um ein Bauwerk klar und logisch aufzubauen, ist es notwendig, nach ratio-
Wenn Architekten über ihre Bauten sprechen, passt dies oft nicht genau
zu dem, was uns ihre Bauten erzählen. Vermutlich hängt das damit zusam-
men, dass sie viel über die durchdachten Aspekte ihrer Arbeiten sagen und
wenig von den geheimen Leidenschaften zu erkennen geben, die ihre Ar-
von Gefühl und Verstand. Die Gefühle. die Vorlieben. Sehnsüchte und Begier-
den, die aufkommen und Form werden wollen. sind mit kritischem Verstand
Eingebung. denke ich. Die kostbaren Augenblicke der Eingebung stellen sich
bei geduldiger Arbeit ein. Mit einem plötzlich auftauchenden inneren Bild, ei-
nem neuen Strich auf der Zeichnung scheint sich das ganze Entwurfsgebäu-
als ob man mit einem Male die Wirkung einer seltsamen Droge verspürte.
Alles, w as ich noch eben zuvor über das zu schaffende Objekt wusste, er-
scheint in einem hellen, neuen Licht. Ich empfinde Freude und Leidenschaft.
und etwas in mir scheint zu sagen: «Dieses Haus will ich bauen!»
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m1t dem Raum umgehen kennen. Die Architektur kennt zw ei grundsätzl i-
che Mögltch keiten der Raumbildung: den geschlossenen Korper. der in sei -
nem lnner n Raum 1sohert. und den offenen Korper. der einen mit dem un-
des Raumes kann durch offen in die Tiefe des Raumes gese tzte oder gereih-
Ich nehme nicht tn Anspruch zu wissen, was Raum w irkli ch bedeutet. Je län -
ger ich uber das Wesen des Raumes nachdenke. des to geheimnisvo ll er er-
ten mit dem Raum beschäfttgen. dann befassen w ir uns lediglich mit einem
kleinen Teil dieser Unendlichkeit. die die Erde umgibt. A ber jedes Bauwerk
M1t dieser Vorstellung zeichne tch die ersten Grundnsse und Schnitte mei-
ner Entwürfe. Ich ze1chne raumliehe Diagramme und einfache Korper. Ich
versuche. d1e erdachten Korper als prazise Objekte im Raum zu sehen, und
es ist mir w tchttg zu spuren. wie sie aus dem Raum. der sie umgibt. einen
Gebäude, die uns beeindrucken. vermitteln uns immer ein sta rkes Gefühl
für ihren Raum. Sie umschliessen diese geheimnisvolle Leere, die wi r Raum
nennen. auf eine besondere Weise und bringen sie zum Schwingen.
wtr, d1esem Gr undsatz nachzuleben. Wtr suchten fur Jedes Pro blem
Probleme gtbt, fur dte ntcht schon fruher etnmal gultige Losungen gefunden
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vor. Unsere Vorbilder waren die Pioniere und Erfinder des Neuen Bauens.
unsere Entwürfe einfloss. So erianden wir häufig das bereits Erfundene und
Werte. Spätestens als praktizierender Architekt tut man jedoch gut dar-
an, sich des immensen Wissens und der Erfahrung zu versichern. die in der
Geschichte der Arch itektur enthalten sind. W enn wir diese in die Arbeit
einbeziehen, denke ich. wird unsere Chance grösser, einen eigenen Bei-
trag zu leisten.
Nun ist das Entwerien allerdings kein linearerVorgang. der aus der Architek-
führen würde. Auf der Suche nach der Architektur. die mir vorschwebt, erle-
be ich immer wieder diese schalen Momente der Beengung. Nichts, was ich
kenne, scheint zu dem w passen, was ich will und von dem ich noch nicht
weiss, wie es sein soll.ln diesen Situationen versuche ich mich von meinem
en. Dieses Verfahren hilft. Mein Atem wird freier. Ich rieche die altbekannte
Luft der Erfinder und Pioniere. Entwerfen is t nun auch wieder Erfinden.
steht die Auseinandersetzung mit den Fragen der Zeit. Architektur ist im
Moment ihrer Entstehung auf eine besonder e Weise mit der Gegenwart
verbunden . Sie widerspiegelt den Geist ihrer Erfinder und gibt ihre eige-
nen Antworten auf die Fragen der Z eit, nämlich mit der Form ihrer Nut-
Oie Antworten auf diese Fragen, die ich als A rchitekt zu formulieren
vermag, sind beschränkt. Unsere Zeit des Umbruchs erlaubt keine grossen
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Gesten W1r alle teilen nur noch wemge gemeinsame W erte. auf die sich
bauen liesse. Ich pladiere darum fur eme Architektur der p•·aktischen Ver-
nunft. die ausgeht von dem. w as w1r alle noch kennen. verstehen und füh-
len konnen. Ich berrachte d1e gebaute Weit genau und versuche mit mei-
Melancholische W ah rn ehmung
Ettore Seclas Film Le bal zeigt einen Tanzsaal. in dem die ganze Handlung
stattfindet.Wenn 1ch m1ch ncht1g ennnere. hat der Film weder gesprochene
Man s1eht immer denselben Saal. m den d1eselben Leute treten. um zu tan-
zen, wah rend d1e Zeit vergeht und die tanzenden Menschen älte•· werden .
Tanz.saal mit se1nem plattenbelegten Boden und seiner T äfelung. dem Trep-
penaufgang im Hmtergrund und der Lowenpranke auf der Seite. der die
dichte Atmosphare des Films entstehen lasst. Oder sind es umgekehrt die
Ich stelle hier diese Frage. weil ich uberz.eugt bin, dass ein gutes Gebäude
fahig sem muss. die Spuren des menschlichen Lebens zu absorbieren. und
Naturlieh denke 1ch h1er an d1e Pa tma des Alters auf den Materialien. an
bruchig gewordenen Glanz des Lackes und an die von der Abnutzung
polierten Kanten. Aber wenn 1ch meine Augen schliesse und versuche.
alle diese phys1schen Spuren und meme ersten Assoz.iationen ausser Acht
es ISt em Bewusstsem fur das Verstromen der Z e1t und em Gefuhl fur
das menschl1che Leben. das s1ch an Orten und in Räumen vollzieht und
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diese auf eine besondere Weise auflädt. Die ästhetischen und prakt ischen
Werte der Architektur werden nun zweitrangig. Ihre stilistische oder histo-
jetzt zäh lt. ist allein dieses melancholische Gefü hl. das mich er·greift. A rc hi-
tektur ist dem Leben ausgese tzt. Ist ihr Korper em pfi ndlich genug, kan n sie
eine Q ualität entwickeln, die die W irklichkeit des verga ngen en Lebens
verbürgt.
und Stimmungen leiten. die ich mit der gesuchten A rchitektu r in Verbindung
bringen kann. Die Bilder, die mir einfallen, gehen in der Mehrzah l auf meine
persönlichen Erlebnisse zuruck und sind deshalb nur selten mit einem er-
Nach einer gewissen Z eit nimm t das Entwurfso bje kt in der Vorstellung be-
stimmte Eigenschaften der verw endeten Vorbilder an. Und wen n es gel ingt,
ken, gewinnt das Objekt Reichhal t igkeit und Tiefe. Um diese W irkung zu er-
reichen. müssen die Eigenschaften, die ich in den Entwurf ei nbr·inge, mit der
nun nicht mehr venemander getrennt werden. Sie gehö ren zusammen und
jetzt bet rachten wrr das Bauwerk. U nser Blick. vom analytischen Versta nd
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ln di esem Moment treten die ursprünglichen Motive des Entwurfes in den
Hintergrund. Die Vorbilder. Worte und Vergleiche, die nötig waren, um das
Ganze zu schaffen, verblassen . Sie erscheinen nun wie hinter sich gelasse-
ne Schritte. Der neue Bau steht im Zentrum und ist sich selbst. Seine Ge-
schichte beginnt.
Wid erstand
Ich glaube. dass sich die Architektur heute auf ihre ureigenen Aufgaben und
Möglichkeiten besinnen muss. Architektur ist kein Vehikel oder Symbol für
Dinge. die nicht zu ihrem Wesen gehören. ln einer Gesellschaft, die das Un-
Die Sprache der Arch itektur ist in meinen Augen keine Frage eines bestimm-
ten Baustils. Jedes Haus wird für einen bestimmten Zweck, an einem be-
stimmten Ort und für eine bestimmte Gesellschaft gebaut. Die Fragen, die
sich aus diesen einfachen Tatsachen ergeben, versuche ich mit meinen Bau-
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D er harte Kern der Schönheit
Vor zwei Wochen habe ich zufallig in eine Radiosendung über den ameri-
den Titel: Der horte Kern der Schönheit. D ieser Sat z liess mich aufhorchen.
Dass die Schönheit einen harten Kern hat, stelle ich mir gerne vor, und an
und hartem Kern vertraut vor. «Die Maschine ist ein D ing. das keine über-
flüssigen Teile hat», höre ich. soll W illiams gesagt haben. U nd ich glaube so-
fort zu wissen. was er damit mein t. Es ist ein Gedanke, den Peter H andke
anspricht. denke ich. wenn er sinngernäss sagt, dass die Schönheit in den
Botschaften beseut sind, und dass er verst immt sei, wenn er den Sinn der
Und dann erfahre ich weiter aus dieser Sen dung, die Poetologie von W il-
liams ber uhe auf der Anschauung, dass es keine Ideen gebe, ausser in den
Dingen, und dass es in seiner Kunst darum gehe. die sinnliche W ahrnehmung
tions los und lakonisch und gerade deswegen entwickelten seine Texte eine
Was ich da höre. spricht mich an: Emotionen mit Bauwer ken nicht hervo r-
ru fen wollen , sondern Emotionen zulassen, denke ich mir. U nd: Hart an der
Sache selber bleiben, nahe am eigentlichen Wesen des D inges, das ich zu
schaffen habe. und darauf vertrauen, dass das Bauwerk, ist es nur präzise
genug fur seinen Ort und seine Funktion erdacht, seine eigene Kraft ent-
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Der harte Kern der Schönheit: konzentrierte Substanz. Aber wo liegen die
ter Giacomo Leo pard i, der· die Schö nheit eines Kunstwerkes. in seinem
ans iedelt, weil es die Form fur vielfaltige Sinnerfüllungen offen hält.
tungsebenen, die sich überlagern und verschränken und die sich im Lichte
Aber wie erreicht man diese Tiefe und Vielschichtigkeit in einem Bauwerk,
das man als Architekt zu schaffen hat? Lässt sich das Vage und Offene ent-
werfen? Liegt hier nicht ein Widerspruch vor, zum Anspruch auf Genauig-
Calvino gelangt anhand eines Textes des D ichters Leopandi, der dasVage fo r-
des Unbestimmten sich in seinen Texten mit Akribie und Treue an die Din -
zum Schluss: «Dies also ist es, was Leopardi von uns verlangt, damit w ir die
jedes Bildes, bei der minutrösen Definition der Details, bei der Wahl der
Dichter des Vagen kann nur der Dichter der Präzision sein!»
Was mich an dieser Geschichte. die Calvino berichtet. interessiert, ist nicht
die Aufforderung zur geduldigen Kleinarbeit und Präzis ion, die w ir alle ken-
nen, sondern der H inweis darauf, dass Vielschichcigkeit und Reichtum aus
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den Dingen selber sprechen. wenn wir sie genau erkennen un d zu ihrem
Ins Architektonische gewendet, heisst das für mich. Kraft und Vielschichtig-
keit aus der Bauaufgabe entwickeln, das heisst, aus den Dingen, die sie aus-
John Cage sagt in einer Vorlesung sinngemäss, er sei kein Komponist. der
im Geiste Musik höre und dann versuche, diese aufzuschreiben. Seine Ar-
beitsweise sei eine andere. Er erarbeite sich Konzepte und Strukturen und
Als ich diese Aussage las, ist mir in den Sinn gekommen, wie wir unlängst
im Atelier ein Projekt für ein Thermalbad in den Bergen entwickelten, oh-
ne uns zunächst einmal geistige Bilder für diese Bauaufgabe vorzugeben und
diese dann auf unsere Bauaufgabe bezogen abzuwandeln, sondern wie wir
Erst nachdem es uns möglich geworden war. die Fragen an den Ort. das
nach Strukturen und Räume entstanden. die uns selber überraschten und
von denen ich glaube, dass sie das Potenzial einer ursprünglichen Kraft
haben. die hinter das Arrangieren von stilist isch vorgefertigten Formen
z.urückreicht.
Sich mit den Eigengesetzlichkeiten von konkreten Dingen wie Berg, Stein,
Wasser auf dem Hintergrund einer Bauaufgabe zu befassen. birgt die Mög-
und eine Architektur zu entwickeln, die von den Dingen ausgeht und zu den
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Meine Schweizer Kollegen Herzog und de Meuron reden davon, dass es -
ich zitiere sinngernäss -die Architektur als Ganzheit heute nicht mehr ge-
Akt des Denkens. herzustellen sei. Die beiden Arch itekten leiten aus die-
sem Ansatz ihre Theorie der Architektur als D enkform ab, einer A rchitek-
tur. die, so nehme ich an. ihre erdachte und somit künstliche Ganzheit auf
Die Architektur als Denkform-Theorie dieser Arch itekten möchte ich hier
nicht weiter verfolgen , wohl aber die dieser Anschauung zugrunde liegende
Arbeit.
einer Zeit. in der das sinnstiftende Gottliehe fehlt und die W irklichkeit sich
Bei Peter Handke lese ich vom Bemühen. Texte. Beschreibungen Tei l der
richtig verstehe, begegnet mir h1er nicht nur das mir bekannte Bewusstsein
ihre Künstl ichkeit zu nehmen und sie der W elt der alltäglichen und natur-
haften D inge anzuverwandeln, sondern auch und einmal mehr der Glaube
Ich denke, dass in künstlerischen Prozessen, die nach der Ganzheit ihrer
H ervor bringungen streben, immer w ieder versucht wird, diesen eine Prä-
senz zu verleihen, wie sie den Dingen in der Natur oder in der gewachse-
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So verstehe ich gut. wenn Handke, der sich im selben Interview als ein
keine Z utat passiert, sondern eine Erkenntnis der Einzelheiten und deren
Das Wort Sachverhalt, das Hand ke hier wählt, erscheint mir erhellend im
Was hier aufscheint, ist die Reduktion auf die Sachen und D inge, die sind.
Handke spricht in diesem Zusammenhang auch von der Treue zu den D in-
gen. Er möchte, so sagt er, dass seine Beschreibungen als Treue zum Ort,
den sie beschreiben, erlebbar sind und nicht als zusätzliche Färbung oder
Farbigkeit.
Säue dieser Art helfen mir, mich mit der Unlust abzufinden, die mich häufig
ne ich Bauten, die mit A ufwand und dem Willen zur besonderen Form ge-
staltet sind, und bin verstimmt. Der Architekt, der das Ding gemacht hat, ist
zwar nicht anwesend, aber spricht zu mir oh ne Unter lass aus jedem D etail
des Gebäudes. und er sagt mir immer das Gleiche, das mich doch so rasch
gen und Getragenwerden, Erde und Himmel, und Vertrauen in Räume. die
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Personlieh stelle ich mir gerne vor, Hauser zu emwerien und zu bauen. aus
denen ich mich als Encwerier am Ende des Bauprozesses gleichsam zu-
rückziehe und dabei ein Bauw erk zurücklasse. da s sich selber ist, das dem
Woh nen dient als Teil derWeltder Dinge. das ohne meine personliehe Rhe-
torik auskommt.
Es gibt für mich ein schönes Schweigen von Bauten. das ich verbinde mit
tegrität, aber auch W ärme und Sinnlichkeit: sich se lber sein, ein Gebäude
Dies ist der Anfang des Gedichtes Bouquet of Roses in the Sunlighc des ame-
Wallace Stevens, so lese ich im Beglei ttext zum Gedichtband. hat sich
und die D inge zu entdecken. ganz zu verstehen . Seine Gedichte sind nicht
Protest oder Klage um d1e verlorene Ordnung, auch nicht Ausdruck einer
Verscorung. sondern sie suchen eine dennoch mögliche Harmon ie, die -
m seinem Falle - nur die des Gedichtes sein kann. (Calvino argumentiert
ahnlich. wenn er sagt. dass er dem Verlust an Fo rm. den er überall kon-
statiert. nur eine einzige Abwehr entgegenzusetzen habe: eine Idee der
Literatur.)
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Für Stevens ist die Realität das gesuchte Ziel. Der Surrealismus, so wird
er· zitiert, beeindrucke ihn nicht, denn er erfinde, ohn e zu entdecken. «Eine
sagt er. Hier erscheint er noch einmal, dieser Grundgedanke, den ich von
W illiams und Handke zu kennen glaube und den ich auch aus den Bildern
der Dinge und der Imagination zündet der Funke des Kunstwerkes.
Wenn ich den eben zitierten Satz ins Arch itektonische übersetze, sage ich
mir: Nur zwischen der Wirklichkeit der Dinge, von denen ein Bauwerk
handelt. und der Imagination zündet der Funke des geglückten Bauwerks.
Und der Satz ist mir keine Offenbarung, sondern Bestätigung einer Erfah-
rung. die ich in meiner Arbeit immer wieder mache. und Bestätigung eines
N un nochmals die Frage: Wo finde ich die Wirkl ichkeit. auf die ich meine
Einbildungskraft richten muss. wenn ich versuche. ein Gebäude für einen
Ein Schlüssel zur Antwort auf diese Frage liegt in den Wörtern Ort und
Aufenthalt bei den D ingen ist Grundzug des Menschseins», was ich so ver-
stehe, dass wir uns niemals in einem Abstraktum, sonder n immer in einer
Dingwelt befinden, auch wenn w ir denken. Und weiter lese ich bei H eideg-
ger: «Der Bezug des Menschen zu Orten und durch Orte zu den Räumen
beruht im Wohnen.»
Der BegriffWohnen, so weit gefasst w ie das H eidegger tut als Leben und
Denken an Orten und in Räumen, enthält einen genauen Hinweis auf das,
Es ist nicht die Wirklichkeit der von den D ingen abgelösten Theor ien, es
ist die Wirklichkeit der konkret en Bauaufgabe, die auf dieses Wohnen zielt,
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die mich interessiert, auf die ich meine Einbildungskraft richten w ill. Es ist
die Wirklichkeit der Baumaterialien - Stein. Tuch, Stahl, Leder ... - und die
versuche, um Sinn und Sinnlichkeit bemüht, damit vielleicht der Funke des
Oie Wirklichkeit der Ar·chitektur ist das Konkrete, das Form-, Masse- und
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Von den Leidenschaften zu den Dingen
der tagliehen Arbeit, zurückzutreten und zu schauen, was ich mache und
warum ich es so mache. Ich liebe das und brauche es wohl auch. D enn ich
bin kein Architekt. der von der Theorie ausgeht, der von einem theoret isch
wirft, sondern ich bin vielmehr dem A rchitektur-Machen, dem Bauen, dem
perfekt gemachten D ing verfallen, so w ie ich als Junge meine Dinge, die ei-
ner innern Vorstellung zu genügen hatten, gemacht habe. D inge, die so und
nicht anders sein konnten, aus Gründen, die ich eigentlich nicht kenne. Es
gab nur immer schon dieses sehr persönliche Gefühl für die Gegenstände.
Dieses Gefühl ist mir nie als etwas Besonderes aufgefallen. Es war ein-
fach immer da. Heute w eiss ich, dass ich in mein er Arbeit als Architekt im
mir heute überlege. ob seit meiner Jugend nicht doch auch neue Bilder
und Leidenschaften zu den alten getreten sind. so will mir scheinen, ich
immer gekannt.
Orte
Ich arbeite in Graubünden. in einem Bauerndori, umgeben von Bergen, ar-
beite aus diesem Ort heraus. wohne dort. Manchmal frage ich mich. ob die-
se Tatsache meine Arbeit beeinflusst, stelle mir auch nicht ungern vor. dass
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Wurden meine Häuser anders ausschauen. wenn ich die letzten 25 Jahre
mit ihren welligen Hügeln. Buchenwäldern und der vertrauten Nähe zur
Sobald ich beginne. über diese Frage nachzudenken, merke ich, dass meine
Wenn ich mich auf einen bestimmten Ort konzentriere. für den ich zu
entwerfen habe, wen n ich versuche. diesen Ort auszuloten. seine Gestalt,
von anderen Orten einzudringen: Bilder von Orten, die ich kenne. die
Orten. deren Gestalt ich als Inbil d bestimmter Stimmungen und Quali-
täten in mir trage; Bilder von Orten oder architekt onischen Situationen
auch, die aus der Welt der bildenden Kunst. des Films. der Literatu r. des
T heaters, stammen.
Sie fallen mir zu. diese anderen, auf den ersten Blick oft unpassenden oder
herbei. Ich brauche sie. Erst w enn ich im Geiste in den konkreten Ort ein-
strahlen lasse. was diesem ähnlich, verwandt oder zunächst fremd ist, ent-
steht dieses vielschichtige und t iefenschade Bild des Lokalen. das Bezüge
näherung an den Ort kommt zum Vorschein, was mir die Entscheid ungen
des Entwerfens ermöglicht. So tauche ich in den Ort meines Entwurfes ein.
spure ihm nach. und gleichzeitig blicke ich nach aussen, in die W elt meiner
anderen Orte.
Von Bauwerken. die an ihrem Ort eine besondere Präsenz entwickeln, ha-
be ich oft den Eindruck. sie stünden unter einer inneren Spannung, die über
41
den Ort hinausweist. Sie begrunden ihren konkreten Ort indem sie von
der Welt zeugen. Das aus der Welt Kommende tst in ihnen eine Verbindung
Schöpft ein Entwurf alleine aus dem Bestand und der Tradition. wiederholt
er das, was sein Ort ihm vorgibt, fehlt mir die Auseinandersetzung mit der
Welr, fehlt mir die Ausstrahlung des Zeitgenössischen. Erzählt ein Stück
zum Mitschwingen zu bringen, vermisse ich die sinn liche Verankerung des
Beobachtu ngen
I Wir stehen um den Zeichentisch und reden uber ein Projekt, das ein
Architekt verfasst hat, den wir alle schätzen. Ich finde das Projekt in ver-
stimmter Qualitäten wegen und füge dann noch bei. dass ich es vor einiger
Zeit einmal - ohne das positive Vorurteil meiner Wertschätzung für den
Ganzes eigentlich gar nicht gefallt. Wir erörtern die möglichen Gründe für
samturteil zu gelangen, bis dann einer der jungen Architekten aus der Run -
Wochen später spreche ich mitAnnalisa beim Kaffee unter freiem Himmel
uber Hauser, dte eine Seele haben. Wir lassen viele Bauten, die wir kennen,
Revue passieren. beschreiben sie uns gegenseitig. Wenn wir dabei auf Bau-
ten stossen, die der gesuchten Qualität entsprechen, und uns das Besonde-
re, das sie an sich haben. in Erinnerung rufen, merken wir, dass wir bestimm-
te Häuser lieben.Viele sind es nicht. die uns in den Sinn kommen. Und ob-
wohl wir jew ei ls rasch w issen. welche in die gesuchte Kategorie gehören.
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tun wir uns schwer damit, die dafür massgebenden Merkmale auf einen ge-
zu nehmen. Da mich das Thema nicht loslässt, nehme ich mir vor, anhand
und mich dabei im Rahmen der Kategorien zu bewegen, mit denen ich ar-
länglichen Baukörpers und schauen ins Tal. Zu ebener Erde befinden sich
ten und untereinander durch eine Tür verbunden. Oie kleinere scheint zum
bequemen Sitzen und Lesen einzuladen, die grössere ist offensichtlich der
Raum , in dem gegessen wird: Darin fünfTische. alle schön plauien. lm mitt-
ln den oberen Zimmern würde mir der freie Himmel, der weite Ausblick
zu den Bergketten am Horizont gefallen. denke ich, als wir uns dem Haus
zum ersten Mal nähern. Aber auch die Vorstellung, eines der unteren Zim-
mer zu erhalten und die Intimität der Lauben am späten Nachmittag beim
Am Fuss der Treppe. die von den 9beren Stockwerken zum Eingang hin-
reiche fur Speisen. Auf dem Simsbrett der Durchreiche stehen am frühen
Nachmittag Früchtekuchen und weisse Teller fur die Gäste bereit. Der Duft
der frischen Kuchen überrascht uns. als wir die Treppe herunterkommen.
dringen heraus.
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Nach ein. zwei Tagen kennen w1r uns aus. Auf derjenigen Seite des
Hauses, die an die grosse Wiese angrenzt. sind Liegestühle gestape lt.
Stuhl eine lesende Frau. Wir nehmen zwei Liegen und suchen uns auch
einen Platz. Tagsüber setzen wir uns zum Kaffeetrinken meist an einen
der Holzklapptische auf der schmalen Veranda vor· den Stuben. Die schma-
dem breiten Verandasims. Das Brett hat dafür die richtige Höhe.
Bei den Gesprächen mit anderen Gasten des Hauses in der Däm-
genden oberen Teile des Hauses. N ach dem Abendessen wird die Fen-
stertür zur Veranda geöffnet. man vertritt sich die Füsse, schaut ins Tal,
trinkt noch etwas, kommt ins Gespr-äch und setzt sich hin in der N ä-
he der Wand. d1e noch warm ist von der Sonne des Tages. Nur einmal
da. der zum Eingangsbereich des Hauses gehört und der tagsüber mehr-
heitlich von Leuten benutzt wird, die zum Haus zu gehören scheinen.
Den Stunden an jenem Tisch ging eine E1nladung voraus. dort nach dem
der Veranda war ich nie. An den sonnigen Morgentagen sass dort meist
Wenn ich an Gebäude denke. die mrr auf ungezwungene und natürliche
Weise räumliche Situationen anbieten, die zum Ort, zum Tagesabla uf. zu
meiner Tätigkeit und meinem Befinden passen, wenn ich mir Architektur
vorstelle. dre m1r Raum zur Verfugung stellt. mich wohnen lasst. die meine
Bedurfnisse vorausahne und sie ohne grosses Aufheben erfullt. dann kommt
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mir dieses Berghaus in den Sinn. Gebaut hat es ein längst verstorbener
3 Aufgr und des ersten Eindruckes von aussen. bevor wir hineingingen,
rechneten wir mit der Möglichkeit , etwas Besseres als die anderen Lokale
täuscht. Durch den engen Windfang. der, wie sich herausstellt, in der Art ei-
nes Holzverschlages von innen vor die Eingangstür gebaut ist, betreten wir
einen grossen Raum. saalartig. hoch, die Wände und Decken sind mit dunk-
Die Stimmung im Raum ist dunkel. solange sich die Augen nicht angepasst
haben sogar düster. Der düstere Eindruck verliert sich rasch . das Licht im
Raum wirkt nun mild.Tageslicht, das im Rhythmus der hohen Fenster ein-
fallt . hebt Raumzonen hervor. während andere Tei le des Raumes, die nicht
Der Saal hat in der Mitte der grossen Stirnwand einen Schwerpunkt. der
dass fünfTis che. entlang der Wandrundung an die Fenster gerückt, gut in ihr
Platz. finden. Der Fussboden in dieser raumhohen Nische liegt eine niedri-
ge Stufe höher als der restliche Saalboden. Keine Frage, dort möchte ich
sitzen. Zwei oder drei T ische in dieser Nische sind noch frei, drei sind be-
setzt. Oie Leute. die dort sitzen. ohne Zweifel gewöhnliche Gäste, kom-
Wir zögern , entscheiden uns schliesslich für einen Tisch im fast leeren
Hauptsaal,lassen uns dort aber doch nicht nieder. sondern gehen lange We-
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ge auf der Suche nach einer Bedienung. Nach einerWeile tritt ein Mädchen
aus einer Tür in der Täfelung der Innenwand und führt uns gleich zu einem
Tisch in der Nische. Wir setzen uns hin. Die leichte Irritation. hervorgeru-
fen durch unser Eindringen in die vorhandene Gesellschaft der Gäste, klingt
rasch ab. Wir rauchen unsere ersten Zigaretten und bestellen W ein.
beiden sp1·icht je ein Wort in der Sprache der anderen. Die Stimmen der
gentlich in die Runde und nehme allmählich die Stimmung auf. Ich geniesse
es. im L1cht zu sitzen. eines der Fenster. die nun noch höher wirken. neben
mir zu haben. in die abgedunke lte Weite des Saals zu schauen. Die Leute,
sein. geben sich naturlieh und fühlen sich bei gerade noch spürbarer Rück-
sichtnahme, die ihrer Haltung einen Anflug von Würde verleiht, durch die
Anwesenheit der anderen nicht gestört. Ab und zu begegnet mein Blick ih-
ren Gesichtern. und mit meinem eigenen Tun beschäftigt, weiss ich sie nicht
ungern neben mir, in diesem Raum, in dem wir alle gut aussehen.
des Geländes hoch über dem Pazifik. Kaum Bäume. durch die Grasnar-
den d1e meist emgeschossigen, aber hohen Trakte, deren flache Dach-
nen Verbindungsgänge. Das Gefüge der Wege und Pavillonzeilen. die die
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plötzlich ab bei Gebäuden, deren besondere Funktion wir mehr erahnen
als erkennen. Der Ort ist menschenleer. es ist Ferienzeit. Einen Blick in
die Klassenräume zu werfen ist schwierig, ihre Fenster liegen hoch. Irgend-
wo steht ein grosses Metalltor ein klein wenig offen, das einen seitlichen
gelingt uns ein Blick in den Raum mit den Tischen und der Wandtafel. Die
Ausstattung ist nüchtern. Die Wände und der Boden zeige n Spuren inten-
siver Benutzung. Das hoch einfallende Tageslicht verleiht dem Raum eine
Schutz vor der Sonne. Schutz vor dem Wind, sinnvoller Umgang mit dem
Licht. denke ich und weiss, dass ich damit längst nicht alle Besonderheiten
Der Besuch hat sich gelohnt. Ich nehme mir einmal mehr vor, in meiner Ar-
beit an die einfachen und praktischen Dinge zuerst zu denken, sie gross. gut
und schön zu machen, sie zum Anlass für die besondere Form zu nehmen,
5 Mit 18 Jahren. meine Lehrzeit als Möbelschreiner näherte sich dem En-
de, baute ich mir meine ersten, selbst entworfenen Möbel. Normalerwei-
se stellten wir in der Werkstatt Möbel her, deren Form und Konstruktion
der Meister oder die Kunden bestimmten und die mir nicht gefielen. Auch
das Holz, das wir für alle besseren Stücke verwendeten, gefiel mir nicht:
Nussbaum. Fur meine Möbel wählte ich die helle Esche. und die einzel-
nen Stücke arbeitete ich so. dass sie von allen Seiten gut aussahen: hinten
und vorne waren sie mit derselben Sorgfalt und mit dem gleichen Material
verfertigt. Über den Brauch der Schreiner, Rückseiten von Möbeln etwas
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billiger und weniger aufwendig auszufüh ren , weil sie ja sowieso niemand
sieht. setzte ich mich hinweg. Endlich konnte ich nun auch die Kanten meiner
Möbel nur ganz wenig abrunden, ohne korrigiert zu werden. Leicht und rasch
fuhr ich mit dem Schleifklotz über die Kanten der fertig zusammengebauten
Eleganz der feinen Linie zu erhalten. Die Ecken. in denen jeweils drei Kan-
ten des Körpers zusammenlaufen, berührte ich mit dem Schleifklau kaum.
Mit minimalen Fugen baute ich die Tür des kleinen Schranks in den Rah-
men der Front, so dass sie mit einem sanften Reibungswiderstand und ei-
Meine Gefühle bei jener Arbeit waren gut. Die präzisen Formen und
tration, und die fertig gestell ten neuen Möbel brachten etwas Frisches in
meine Umgebung.
6 Unsere Vorstellung ist folgende: Ein länglicher, schmaler Block aus Ba-
saltstein ragt gut drei Geschosse hoch aus dem Bod en. Der Block wird
von allen Seiten her ausgehöhlt. bis nur noch eine Längsrippe in der Mit-
der gedachten Masse des Blockes ist nun im Querschnitt betrachtet eine
Art Baum, ein T mit drei Querstrichen. übrig geblieben: ein Steinobjekt am
Rande der Altstadt. dunkel, fast scnwarz, matt glänzend - die Tragstruktur
Wir gehen sorgfaltig um mit dieser Steinskulptur, denn sie ist schon fast das
ganze Haus. Das Fugenbild der Heizplatten. in denen sie gegossen wird. ge-
stalten wir als feines Netz, das alle Oberflächen regelmässig überzieht, und
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achten darauf. dass die Fugen. die beim abschnittsweisen Giessen des Be-
tons entstehen, in diesem Netz aufgehen. D ünne Stahl rahmen , die wie Klin-
gen in der Mitte der Türleibungen aus dem Steine vorspringen. halten die
Türflügel. Leichte Glas- und Metallpaneele setzen wir von aussen zwischen
Unsere Auftraggeber finden die Art und Weise. wie wir die Materialien ein-
setzen wollen , wie wir die Fugen und Übergänge von Bauteil zu Bauteil ent-
Sie möchten, dass wir mehr auf allgemein übliche Bauteile und Konstruk-
t ionen zurückgreifen und an die Handwerker und Techniker. die das Haus
mit uns planen und bauen, nicht so hohe Anforderungen stellen - dass wir
billiger bauen.
Wenn ich mir die Ausstrahlung des Hauses am Ort, für den wir es erdacht
haben, in fünf Jahren, in fünf Jahrzehnten vorstelle. wenn für alle Leute, die
dem Haus in irgendeiner Form begegnen. nur noch zählt, was gebaut ist ,
stehen.
7 D en Saal mit der Sitznische in der Stirnwand, der mir so gut gefallen hat,
dass ich darüber schrieb. habe ich später nochmals besucht. Ich war mir
nicht sicher, ob die niedrige Stufe. die den Boden der Nische vom Haupt-
raum abhebt, tatsächlich existiert. Es gibt sie nicht. Auch die Unterschiede
in der Helligkeit zwischen N isch e und Saal sind nicht so ausgeprägt wie ich
mich an sie beim Schreiben zu erinnern glaubte , und die fade Helligkeit der
ben mich nicht überrascht. Ich war nie ein guter Beobachter, wollte nie
so r ichtig einer w erden. Ich nehme gerne Stimmungen auf, bewege mich
50
gerne in räumlichen Situationen, bin zufrieden , wenn ein gutes Gefühl, ein
Eindruck zurückbleibt, aus dem ich später, wie beim intensiven Betrachten
eines Bildes. Einzelheiten herauslesen und mi ch fragen kann. was wohl das
Gefühl der W ärme. der Geborgenheit, der Leichtigkeit oder der Weite
ausgelöst hat, das mir in Erinnerung blieb. Wen n ich so zurückblicke, las-
sen sich A rchitektu r und Leben, die räumliche Situation und was ich in ihr
erlebte. nicht mehr trennen. Auch wenn ich mich nur auf die A rchitektu r
konzentriere. versuche zu verstehen, was ich sah. schwingt das Erlebte mit
und farbt das Gesehene ein. Und Erinnerungen an ähnliche Erfahru ngen
lagern sich und verdichten sich gegenseitig. D ie Stufe in der Nische hätte
sein können. Vielleicht war sie sogar einmal dort und wurde nachträglich
entfernt? Oder· wenn sie nie dort war. müsste man sie vielleicht einbau-
en, um den Raum zu verbessern? Jeut bin ich schon wieder Architekt, und
ich merke, wie gern ich mi t diesen offenen Bildern arbeite und wie sie mir
SI
Der Körper der Architektur
Beobachtungen
1 Der Kurator des Museums macht ein Interview mit mir. Mit klugen und
überraschenden Fragen versucht er. mich auszuhorchen. Wie ich über Ar-
chitektur denke. was mir bei meiner Arbeit wichtig ist, soll deutlich werden.
Das Aufnahmegerät läuft. Ich tue mein Bestes. Am Schluss des Interviews
Später am Abend unterhalte ich mich mit einer Freundin über den jüngsten
Film von Aki Kaurismäki.lch bewundere die Sympathie und den Respekt, die
nicht am Gängelband des Dirigenten, der mit ihnen ein Konzept zur Dar-
stellung bringen will, sondern setzt vielmehr die Schauspieler selbst ins Bild.
lässt uns ihre Würde. ihr Geheimnis spüren. Die Kun st Kaurismäkis verleiht
seinen Filmen einen Ausdruck von Wärme. sage ich zu meiner Kollegin und
weiss nun, was ich am Morgen gerne aufs Tonband gesprochen hätte. Häu-
ser bauen zu können. so wie Kaurismäki Fi lme macht. das w äre schön.
2 Das Hotel, in dem ich wohnen soll, stammt von einem französischen Star-
designer, dessen Arbeit ich nicht kenne. weil mich trendiges Design eigent-
lich nicht interessiert. Aber schon beim Eintreten in die Hotelhalle beginnt
seine Inszenierung, auf mich zu wirken. Kunstlicht erhellt die Halle wie ei-
nen Bühnenraum. Viel gedämpftes Licht. ln den Wandnischen auf den aus
Akzente . Wer die elegant sich abhebende Treppe zum umlaufenden Gale-
riegeschoss benützt, geht vor einer strahlenden Wand aus Blattgol d. Oben
setzt man sich in eine der Balkonlogen. die auf die Halle hinunterschauen,
53
fur einen Drink. zum Essen. Es gibt nur gute Plätze. Christopher Alexander.
der in Pattern Language von raumliehen Situationen spricht. die den Men-
und fuhle mich gut als Tei l der Inszenierung des Designers. Es ist mir an-
genehm. auf den Bemeb m der Halle hinunterzuschauen, in der die Leute
kommen und gehen, ihren Auftritt haben. Der Erfolg des Designers scheint
mir verstandlich .
3 Sie habe ein klemes Wohnhaus von Frank Lloyd Wright gesehen, das sie
sehr beeindruckt habe, sagt H. D ie Räume seien niedrig gewesen. klein und
intim. Eine winzige Bibliothek habe es gehabt. mit einer besonderen Leuch-
te. und viele architektonische Verzierungen überall. und das ganze Haus habe
diesen starken A usdruck von Horizontalität verm ittelt, wie sie es noch nie
gesehen habe. und die alte Frau habe noch gelebt und das Haus bewohnt.
Ich brauche m1r das H aus nicht anzuschauen. denke ich. ich we iss. was sie
meint, kenne d1eses Gefühl für ein W ohnhaus.
4 Unserer Jury werden Bauten vorgelegt von Architekten. die sich um eine
tion eines kleinen roten Holzhauses in ländlicher Umgebung. eine als Wohn-
haus umgebaute Scheune. die von den A rchitekten und Bewohnern erwei-
tert w urde. D ie Erweiterung ist gelungen. denke ich für mich. D er Baukörper
unter dem Satteldach lässt den Anbau erkennen. wirkt gut modelliert und
ganzheitlich. Die Fensteroffnungen sind mit Gefühl gesetzt. Alt und neu ist im
Gleichgewicht. Die neuen Teile des Hauses scheinen nicht sagen zu wollen:
«Ich bin neu». sondern vielmehr: «Ich bin Teil des neuen Ganzen.» Es ist nichts
Spektakuläres oder Innovatives da, etwas. das ins Auge springen w ürde.Vom
Pnnzip der Gestaltung her ist dies vielleicht eher eine altmodische. handwerk-
liche Haltung. Wir waren uns emig. dass man diesem Umbau keine Design-
54
auszeichnung z.usprechen kann. Dafür ist er im architektonischen Anspruch
men schwimmen. mein Interesse. Auch das Bild auf dem Umschlag des
tungen. spricht m1ch an. Die vielen abgebildeten Bauten aus Holz. obwohl
von guter Qual itat, tun dies weniger. Die Zeit meiner eigenen Holzbauten
«Wie wurdest du heute. nachdem du uber Jahre an Ba uten aus Stein und
Beton. Stahl und Glas gearbei tet hast. ein H olzhaus bauen wollen?» fragt
m1ch me1n junger Kollege Das Bild. von dem ich meine Antwort ableiten
kann. 1st sofon da: Ein hausgrosser Block aus massivem Holz. ein dichtes
Volumen aus der biologischen Masse Holz, waagrecht geschichtet, w ird aus-
gehehlt. mit raumhohen Nuten und prazisen Höhlungen versehen, wird zum
Gebaude .. . «Und die Tatsache. dass der Körper des derart konstruierten
Hauses. verursacht durch das Quellen und Schwinden des Holzes. seine
trachdlch an Hohe verl1eren wu r de. ware als Qual ität zu begreifen und im
g1bt mem Junger Kollege zur Antwo rt. «gibt es diese N ähe der W ö rter Holz.
Mutter und Stoff: madero. modre. mateno. » W ir beginnen ein Gespräch uber
Werkstoffe Holz und Stem und w ie wir diese in unseren Gebäuden zum
6 Central Park Sout h. New York. Saal im obersten Stock. Es ist Abend.
Vor m1 r hegt das nesige Baumrechteck des Parks. eingerahmt von der auf-
ragenden, steinernen. erleuchteten Masse der Stadt. Grassartigen Städten
liegen klare und grosse Ideen der Ordnung zugrunde, denke ich. Das recht-
winklige Strassenraster. die schräge Linie des Broadway, die Uferlinien der
Halbinsel. ln den Planquadraten drängen sich die Gebäude, wuchern in die
Raster.
auf dialogischer Distanz zum Alten, was die Gestaltung betrifft. Ich muss an
das alte Schloss in meinem Dorf denken. Viele Male wurde es über die Jahr-
hunderte umgebaut und vergrössert. Es entwickelte sich schrittweise aus
den Putz entfernt und die Fugen in de n Mauern untersucht, geben diese
alten Bauten ihre komplexe Entstehungsgeschichte zu erkennen.
57
verbundenen Flachen, der Stäbe und Seil e. die hängen. lehnen. schweben,
w irkt, Bewegung symboli si ert. Ihre Gestik beansprucht den Raum, w ill
wirken und angeschaut werden. Fur mich bleibt wenig Raum. Ich folge dem
Im nachst en Pavillon begegne ich der weit ausholenden, mit grossen Lini-
en und Formen arbei t enden Eleganz der Bauten des brasilianischen Altmeis-
t er s N 1emeyer. Einmal mehr wecken die grossen Raume, die Leere der
9 Am Str and des kleinen Badeortes in der Region Cinque Terre. vornehm-
lich besucht von Italienischen Gast en. tragen auffallend viele Frauen eine
Tät ow ierung auf der Haut, erzählt mir A. Man versichert sich seines Kör-
pers. setzt ihn ein. um die eigene Identität zu behaupten. Der Körper als
Z uflucht in etner W ei t, die von künstlichen Zeichen des Lehens verste llt zu
als Vers icherung eigener Identität. die nur noch glückt. wenn ich ihn im Spie-
turp roJekten aus Frankre ich. Glänzende Objekte aus Glas. kantenlose, sanft
geformte Korper fallen m1r auf. Elegant gespannte Rundungen, die die geo-
che. rhre Haut. H ermetisch und makellos umspannt sie die Körper.
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I0 Ein Glasabschluss unterteilt die Länge des schlanken Korr·idors des
alten Hotels. Ein Türflügel unten, ein festes Glas oben, keine Rahmen. die
nen der beiden Gläser, die Form und Position der Beschläge auf dem Glas,
der Glanz des Glases in der abgedämpften Farbigkeit des düsteren Ganges
oder ist es die die Höhe des Ganges sichtbar machende Tatsache, dass das
obere Glasfeld viel höher ist als der normal hohe Türflügel darunter. was
Felder, Ebenen und Volumen scheinen sich zu überlagern. stehen schief und
Erscheinung mir keine direkten Hinweise auf seine Funktion gibt, macht auf
mich einen seltsam überladenen und gequälten Eindruck. Es kommt mir ir-
eines bunt bemalten Kartonmodells vor mir zu haben. Später erfahre ich
den Namen des Architekten. und mich durchzuckt ein kurzer Schrecken.
Habe ich mich getäuscht. aus Unkenntnis voreilig geur·teilt? Der Archi-
tekt trägt einen international klingenden Namen. Seine sti lvollen Architek-
12 Wir besuchen eine Stadtvilla in Manhattan. Sie hat eine gute Adresse
und ist soeben fertig geworden. Die neue Fassade in der Strassenflucht ist
nicht zu übersehen. Auf den Fotos wirkte der von Glas umrahmte Schild
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de ganzheitlicher, mehr gebunden und in die Umgebung eingebunden. Mei-
Betreten des Hauses. Die Qualität, mit der das Haus gebaut wurde , nimmt
mich sofort gefangen. Der Architekt empfängt uns, führt uns ins Vestibül
und von Zimmer zu Zimmer. Die Räume sind grosszügig, die Abfolgen lo-
gisch. Man freut sich auf den nächsten Raum und wird nicht enttäuscht. Die
Qualität des Tageslichts, das über die verglaste Rückfassade und ein Ober-
licht über der Treppe einfallt, ist angenehm. Der intime Hinterhof, an den
die Haupträume grenzen, wirkt von Geschoss zu Geschoss in die Tiefe des
Hauses hinein.
Arbeit. von ihren Bedürfnissen, die er zu erfüllen suchte, von ihrer Kritik an
türen, senkt die grossen Markisen aus Gitterstoff, die den Wohnraum in ein
mildes Lich t tauchen, führt uns Faltwände vor und bewegt riesige Schwing-
13 ln der Stadt, die ich besuche, gibt es ein schönes Quartier. Gebäude
aus dem 19. Jahrhundert und der Jahrhundertwende, massive Körper ent-
lang den Strassenzügen und Plätzen. a1.1s Stein und Ziegel gebaut. Nichts
zur Strasse hin orientiert, die Wohnungen und Arbeitsräume dagegen zie-
hen sich hinter den Schutz der Fassaden zurück, verbergen die Sphäre des
61
Man hatte mir gesagt. dass viele Architekten in diesem Quartier wohnen
und arbeiten. Daran wurde ich erinnert, als ich einige Tage später in der
14 Über Jahre arbeiten wir am Konzept. an der Form, an den Plänen für
unser Therma lbad aus Stein. Dann wird es gebaut . Ich stehe vor den ersten
Blöcken, die die Maurer mit den Steinen aus dem nahe gelegenen Stein-
bruch aufgemauert haben. Ich bin überrascht und irritiert. A lles entspricht
zwar genau unseren Plänen. Aber diese harte und zugleich weiche, die-
se glatte und felsähnliche, diese in vielen Grau- und Grüntönen schi llern-
de Prasenz der aus Steinplatten gefügten Quader habe ich nicht vorausge-
ahnt. Fur einen Moment beschlei cht mich das Gefühl, unser Projekt ent-
gleite mir und verselbständige sich. weil es nun Materie wird und eigenen
Gesetzmässigkeiten folgt.
Oppenhe im an. Ihre hier versammelten A rbeiten sind in der Technik auffal-
lend unterschiedlich. Ein durchgehender Stil ist nicht zu erkennen. Ihre Art
zu denken, ihre A rt, die W elt zu betrachten und mit ihren Arbeiten in die
ist es wohl müssig, darüber nachzudenken. was die berühmte Pelztasse mit
der aus Koh lestucken gefügten Sch lange verbindet. Jede Idee brauche ihre
Form. damit sie wirksam wird. soll sie sinngernäss gesagt haben.
62
Architektur lehren, Architektur lernen
ist klug.
Architektur haben wir alle erlebt, noch bevor wir das Wort Architektur
überhaupt kannten. Die Wurzeln unseres Arch itekturverständnisses lie-
gen in unseren frühen Architektu rerfahrungen: Unser Zimmer, unser Haus,
unsere Strasse, unser Dorf, unsere Stadt, unsere Landschaft - früh haben
wir sie erfahren, unbewusst, und sie später verglichen mit den Landschaf-
ten. Städten und Häusern. die neu dazukamen. Die Wurzeln unseres Archi-
tekturverstän dnisses liegen in unserer Kindheit, in unserer Jugend; sie lie-
gen in unserer Biographie.
Die Studenten müssen lernen, mit ihren persönlichen biographischen Ar-
chitekturerfahrungen als Grundlage des Entwerfens bewusst zu arbeiten.
Die gestellten Entwurfsaufgaben sind so angelegt, dass sie diesen Prozess
in Gang bringen.
Wir fragen uns. was hat uns damals an diesem Haus, in dieser Stadt ge-
fallen. beeindruckt, berührt - und warum? Wie war der Raum, der Platz
65
beschaffen, wie hat er ausgesehen, welcher Geruch lag in der Luft, wie haben
meine Schritte in ihm geklungen, wie hat meine Stimme in ihm getönt, wie
haben sich der Boden unter meinen Füssen. die T ürklinke in meiner Hand
angefühlt. wie war das Licht auf den Fassaden. der Glanz auf den Wänden?
War da ein Gefühl von Enge oder Weite, von Intimität oder Grösse?
Tücher. polierter Granit, sanftes Leder, roher Stahl, poliertes Mahagoni. kris-
tallines Glas. weicher Asphalt von der Sonnen gewärmt - die Materialien
der Architekten , unsere Materialien. Wir kennen sie alle. Und wir kennen
wir lernen. bewusst mit ihnen umzugehen. D as ist Forschungsarbeit; das ist
Arch itektu r ist immer konkrete Materie. Architektur ist nicht abstrakt,
sondern konkret. Ein Entwurf. ein Projekt, aufgezeichnet auf Papier, ist nicht
Architektur, sond ern nur eine mehr oder weniger mangelhafte Repräsen-
tation von Architektur, vergleichbar mit den Noten der Musik. Die Musik
turen, von ihrer Materialität aus. Architektur konkret erfahren, das heisst
und bewusst damit umgehen - das sind die Themen des Unterrichts.
tionen aus w irklichen Ma terialien (Ton, Stein, Kupfer, Stahl. Filz. Stoff, Holz,
66
Auch das Zeich nen von massstäblichen Plänen soll immer von einem
welt übliche Ablauf - Idee, Plan, Modell. kon kretes Objekt - wird um-
Innenraumes usw.).
Von den Arch itekturen. die uns geprägt haben. tragen w ir Bilder in uns.
Diese Bilder können w ir im Geiste wieder entst ehen lassen und befragen.
Aber daraus entsteht noch kein neuer Entwurf. keine neue Architektur.
Jeder Entwurf verlangt nach neuen Bildern. Unsere «alten» Bilder können
Bild zeigt naturgernäss immer das Ganze des ins Auge gefassten Ausschnit-
tes der erdachten Realität: Wand und Fussboden. D ecke und Materialien,
auch alle Details der Übergänge vom Fussboden zur Wand und von der
Sie sind allerdings häufig nicht einfach da, diese Bildelemente, wenn wir
mit einem Entwurf beginnen und uns ein Bild des erdachten Objektes zu
rer vorgestellten Bilder hilft uns dabei. Sie hilft uns, uns nicht in der Dürre
zu den konkreten Qualitäten der Architektur nicht zu verlieren. Sie hilft uns,
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uns nicht in die graphische Qualität unserer Zeichnungen zu verlieben und
- das ist meine liebste D efinition des Entwerfens. Das Denken in Bildern
als Methode des Entwerfens würde ich den Studenten und Studentinnen
gerne vermitteln.
69
Hat Schönheit eine Form?
Die Aprikosenbäume gibt es. Die Farne gibt es; und Brombeeren. Aber
Schönheit? Ist Schönheit eine konkrete Eigenschaft einer Sache. eines Ob-
durch eine besondere Form. Gestalt oder Gestaltung, die wir wahrnehmen?
W ie ist das Ding beschaffen, das in uns die Empfindung von Schönheit aus-
1 Musik unterbricht mein Schreiben. Peter Conradin spielt eine alte Auf-
nahme von Charles Mingus. Eine besondere Stelle hat meine Aufmerksam-
keit geweckt , eine Stelle voller Intensität und von grosser Freiheit im ruhi-
sen Puls das Tenorsaxophon eine warme und rauhe und unhastige Rede
führt. die ich fast w örtl ich verstehe. Booker Erwin mit hartgepresstem Ton,
schrill aber nicht spröde, porös geblasen bei aller Härte; trockene Pizzica-
t i im Bass von Mingus. kein erotisch fetter «gr oove», der entwaffnen und
einnehmen will. Die Musik könnte. so gehört, eigentlich auch zickig t önen,
denke ich. Tut sie aber nicht. Sie ist wunderbar. <<Unglaublich schön!» sagen
mein Sohn und ich fast gleichzeitig und schauen uns an. Ich höre in die M u-
sik hinein. Sie ist ein Raum. Farbig und sinnlich; mit Tiefe und Bewegung. Ich
2 Ein Bild von Rothko. vibrierende Farbfelder. reine Abstraktion. Die Er-
fahrung handelt allein vom Sehen, ist für mich rein visuell, sagt sie. Andere
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Sinneseindrücke wie Geruch oder Geräusch, das Material oder der Tast-
sinn spielen keine Rolle. Du gehst in das Bild. das du anschaust. hinein. Der
Vorgang hat etwas mit Konzentration und Meditation zu tun. Es ist wie
Meditation, aber nicht mit leerem. sondern mit vollem Bewusstsein. Die
Konzentration auf das Bild macht Dich frei. meint sie, Du erreichst eine
3 Die intensive Erfahrung eines Momentes. das Gefühl des völligen Aufge-
hobenseins in der Zeit, das kein Bewusstsein für die Vergangenheit und die
empfindungen. Etwas, das die Ausstrahlung von Schönheit hatte, hat in mir
etwas zum Klingen gebracht. von dem ich nachher. wenn es vorbei ist. sa-
ge: Da war ich ganz bei mir und gleichzeitig ganz in derWelt, zuerst und für
ruhig. gebannt vom Zauber der Erscheinung, der mich traf. Gefühle der
Freude. Glück. Das Antlitz eines schlafenden Kindes, das nicht w eiss. dass
Der Fluss der Zeit ist angehalten. das Erleben geronnen zum Bild. dessen
Schönheit in die Tiefe zu weisen scheint. Für die D auer der Empfindung ha-
be ich eine Ahnung vom wirklichen Wesen der Dinge. von ihren allgemein-
sten Eigenschaften, von denen ich jetzt vermute, dass diese jenseits aller
grosse Intimität. Ein starkes Gefühl für den Raum . Intensität . «Alles stimmt
natürlich.»
72
Und dann später die Villa auf dem Hügel: Sie ging durch die Landschaft und
erblickte plötzliche ein Juwel, das ihr den Atem stocken liess. Das Gebäu-
de strahlte, gehörte zur Landschaft und die Landschaft zu ihm, so sei es ihr
vorgekommen.
S D ie Schönheit der Natur berührt uns als etwas Grosses, das über uns
hinausweise. Der Mensch kommt aus der Natur und kehrt in sie zurück. Ei-
tauche in unserem Bewusstsein auf, wen n wir eine Landschaft, die wir nicht
domeseiziert und auf unseren Massstab gebracht haben, als schön empfin-
den .Wir fühlen uns aufgehoben; bescheiden und stolz in Einem. Wir sind in
der Natur, in dieser grossen Form, die wir letztlich nicht verstehen und die
brauchen, weil wir spüren, dass wir selbst ein Teil von ihr sind.
Ich schaue in die Weite der Landschaft; ich blicke auf den Horizont des
Meeres, schaue in die Masse des Wassers; ich gehe über die Felder hinüber
zu den Akazien, ich betrachte die Blüten des Holunders, den Wacholder-
Stockt der Atem. Ein riesiger Fisch schwimmt dicht an ihr vorbei; lautlos,
6 Sie liebt schöne Damenschuhe. Sie bewundert ihre Machart, das Mate-
rial und vor allem ihre Form, die Li nien; sie schaut sich Schuhe gerne an,
nicht am Fuss , sondern a ls Objekte, deren Form passgenau aus den Not-
tischen Anforderungen auf eine Weise überhöht, die wiederum auf den Ge-
brauch verweist: «Brauch mich, zieh mich an». sagen schöne Schuhe zu ihr.
73
Die Schönheit eines zweckhaften Objektes ist für mich die höchste Form
der Schönheit, fügt sie bei.
7
Die Schönheit eines von Menschenhand geschaffenen Objektes habe ich,
solange ich mich erinnern kann, immer als eine besondere Präsenz der Form
Objekt eigen ist. Manchmal. wenn ein Objekt dieser Art sich in der Natur
behauptet. sehe ich Schönheit. Dieses Bauwerk. Stadt, Haus o der Strasse.
fernung, ein Drinnen und Draussen, gibt es Formen der Fokussierung. der
Das Objekt und seine Umgebung: Ein Zusammenklingen von Natur und
künstlich geschaffenem Werk, das anders ist als reine Naturschönheit- und
anders als reine Objektschönheit. Architektur, die Mutter der Künste?
8 Sie steht in einer Gruppe von jüngeren Leuten, mehrheitlich Arch itek-
ten. Es falle ein feiner Nieselregen; die Luft ist lauwarm. Die Männer und
Frauen stehen im Hof einer Villa. Ihre aufges pannten Regenschirme und die
langen. halboffenen Regenmäntel verleihen ihnen erwas weltstädtisch Ele-
gantes. Das Tageslicht, das über der Gruppe liegt, ist mild. Eine hellgraue
Wolken decke, die man auch für dichten Nebel halten könnte, ist von oben
delt die feinen Tropfen des Regens in LichtpartikeL Die Landschaft ist von
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auf. Die Pflastersteine im Hof, die Blätter der· Bäume, die G r·äser derWiesen
glanzen. Man hält Ausschau, sucht einen Weg zur Villa Rotonda von Andrea
Palladio. die hier ganz in der Nähe liegen soll. Die Szene ist ihr als Bild in
Landschaften, von denen ich heute sage, sie hätten mir den Eindruck der
Schonheit vermittelt. Sind mir diese Situationen damals, als ich sie erlebte,
auch schon schön vorgekommen? Ich glaube ja. aber ich bin mir nicht ganz
sicher. Zuerst war wohl der Eindruck da. die Reflexion darüber kam spä-
ter. Und ich weiss auch, dass mir bestimmte Dinge erst nachträglich schön
und zu einem eigenen Gefühlseindruck werden lassen. wenn ich mir von der
Schonheit, von der mir die anderen erzählen, ein Bild machen kann.
wie eine in sich geschlossene Szene, auskomponiert ohne eine Spur von
Anstrengung oder Kunstlich keit. Alles ist so, wie es sein soll. alles ist an
seinem Plau. Nichts stbrt. kein Zuviel an Arrangement, keine Kritik, keine
Erfahrung ist unwillkürlich.Was ich sehe. ist die Sache selbst. Sie nimmt mich
gefangen. Das Bild. das ich sehe, w irkt w ie eine Komposition. die mir aus-
I 0 Sre bregt um die Ecke des kleinen Schuppens und sieht zum ersten Mal
das neue Gebäude. Uberrascht bleibt sie stehen, elektrisiert. Etwas in der
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Art, wie das neue Pfeilergebäude dasteht, wie es gebaut ist aus porösem
Stein und Glas und fein jährigem Holz und wie es mit den älteren Nachbar-
bauten zusammen einengrossen H ofraum bildet - der neue Körper mit un-
des O r tes gesetzt -, vermittelt ihr ein Gefühl von Anziehung und Ausstrah-
lung, von Energie und Präsenz. »Es war, wie wenn sich alles. was ich sah, in
einem gespannten Zustand der Schwebe befunden hätte. Und der Körper
1 1 Er steht im Portal von St. Andrea in Mantua. Ein hoher Vor raum, Licht
und Schatten, einzelne Sonnenstrahlen auf den Pilastern. Eine Welt für sich,
nicht mehr Stadt, noch nicht der Innenraum der Kirche. Oben im Halb-
ren, fliegen die Tauben, die ich häre, aber nicht sehe. Viel D unkelheit. Das
eindringende Licht macht fein ste Staubpart ikel in der Luft sichtbar. Die
Luft w irkt dicht, hat fast taktile Qualität. Es kam mir vor, als hätten sich die
D inge im Raum des Portals, in dem ich stehe, die ich mehr spüre als sehe,
geordnete Rolle. Schönheit, die aus unserer Kultur hervorgeht und unse-
rer Bildung entspricht, erkennen wir sofort, glaube ich.Wir sehen eine ge-
die uns berührt, die die Eigenschaft hat, vieles, ja vielleicht alles in Einem zu
Ob die Erscheinung. die mich berührt, wirklich schön ist, ist an der Form
selbst kaum je richt ig nachzuweisen. denn nicht die Form an sich, sondern
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erst der Funke. der uberspnngt von ihr zu m1r, erzeugt d1e besondere Erre-
Aber d1e Schonhe1t g1bt es. S1e tritt zwar eher selten auf und wenn sie auf-
sie erwarten wurden . fehlt s1e. Aber die Schonheit g1bt es.
Lasst c;1ch Schonhe1t entwerfen und herstellen? Wo sind die Regeln. die uns
Bescheid zu w1ssen. reicht nicht aus. Methoden und Hilfsmittel, diese schö-
nen Instrumente. ersetzen weder die Inhalte, noch vermogen sie den Zau-
13 Meme Aufgabe als Gestalt er bleibt schw1erig. Sie hat mit Kunst und Ge-
und A uchentiZitat.
Um Schonhe1t zu erreichen, muss 1ch ganz bei mir sein. meine eigene
Sache tun und keine andere, denn die besondere Substanz. die Schonheit
erkennt und mit Gluck zu schaffen vermag. liegt in mir selbst. Andererseits
muss ich die Dinge, d1e 1ch schaffen w ill. Tisch. Haus und Brücke, zu ihrem
Recht kommen lassen. Ich glaube. Jedes gut geschaffene Ding hat ein ihm
Wesen gehort. Dieses Wesentliche w1ll 1ch entdecken und bleibe darum
be1m Entwerfen hart an der Sache selbst. Ich glaube an eine Genauigkeit der
Was will d1eses Haus werden. als Objekt des Gebrauchs. als smnlicher Kör-
per. m1t Macenal gefugt und fest konstruiert. als Gestalt. zur Form gebracht,
die dem Leben d1ent? So frage 1ch mich und frage weiter : Was will dieses
Haus sem. fur se1nen O rt 1n der N ebenstrasse der Stadt. in der Vorstadt.
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in der geschundenen Landschaft, am HLigel vor den Buchen, in der Anflug-
DenAnfang dieses Aufsatzes wie auch den gleich nachfolgenden Schluss ver-
danke ich der Ly rikerin lnger Christensen, die mit diesen Wor·ten ihr mit
eine Verdichtung aus Wörtern. in der sie sich der Welt versichert und
und kerner rn
strahlt die Schonhert, die aus dem Mangel hervorgehe. Ich vermisse etwas,
eine Stärke des Ausdrucks, ein Mitgefühl, das mir in einer Schönheitserfah-
rung unvermittelt entgegentritt und von dem ich. bevor ich es erfuhr, noch
nrcht oder nicht mehr wusste, dass es mir fehlte und von dem ich jetzt
Schönheitserlebnis wird mir ein Mangel bewusst. Das, was ich erfahre, das.
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was m ich berührt. enthält beides: Freude und Schmerz. Es schmerzt der
Mangel und es beglückt die anrührend Form. die schon e Gestalt. die sich
am Gefü hl des Mangels entzündet. Oder mit den Worten d es Schriftstel-
lers Martin Walser: «Je mehr einem fehle, desto schöner kann werden. was
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Die M agie des Realen
Es gibt die Magie der Musik. Die Sonate beginnt. eine erste fallende Melodie-
linie der Bratsche, das Piano setzt ein. und schon ist sie da, die Berüh rung;
die Atmosphäre aus T ön en, die mich umfangt und berührt, die mich in eine
Es gibt die Magie der Malerei und des Gedichts. des Films, der Wörter und
Bilder. es gibt den Zauber der funkelnden Gedanken. Und es gibt die Ma-
gie des Realen, des Stofflichen, des Körperhaften . der Dinge, die mich um-
geben, die ich sehe und berühre. die ich rieche und höre. Manchmal, in be-
sche oder landschaftliche Umgebung. ein bestimmtes Milieu auf mich aus-
übt, plötzlich da, hat sich eingestellt. wie ein langsames Wachstum der See-
Es ist Gründonnerstag. Ich sitze in der langen Loggia der Tuchhalle.Vor mir
Wand des Cafes im Rücken. Die richtige D ichte von Menschen. Ein Blumen-
Gespräche. Schritte auf dem mit Steinplatten belegten Platz. leichtes Ge-
es mir vor. ein kurzwelliges Linienmuster in die Luft. Die beginnenden Feier-
tage haben die Schritte der Menschen bereits verlangsamt. so scheint es.
sig, ihre Hauben wehen im Wind. Jede trägt eine Plastiktasche. Die Tempe-
ratur ist angenehm frisch und war m zugleich. Ich sitze auf einem gepolster-
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ten Sofa aus bleichgrünem Samt. Die Bronzefigur auf dem hohen Sockel vor
mrr auf dem Platz dreht mir den Rücken zu und schaut w ie ich auf die zwei-
türmige K11·che. Die zwei Türme der Kirche haben ungleiche Helme. begin-
nen unten gleich und werden gegen oben hin individueller. Einer ist höher
und hat eine um die Helmspitze gelegte Goldkrone. Bald wird B. von rechts
Diese Stichworte zur Atmosphäre des Platzes habe ich m ir damals in mein
Notizbuch geschrieben. weil mir· alles. was ich sah. so gut gefiel. H eute, beim
Wiederlesen, frage ich mich. was hat mich denn damals so berührt?
Alles! Alles. die Dinge. die Menschen, die Qualität der Luft, das Licht, die
men. Formen, dre ich verstehen kann. Formen. die ich versuchen kann. zu
Aber war da. abgesehen von all diesen materiellen Präsenzen. den Dingen
und Menschen, nicht noch etwas anderes, das mich berührte - etwas. das
nur mit mir zu tu n hatte. mit meiner Stimmung. meinen Gefühlen. meinen
«The beautylies in the eyes of the beholder» - dieser Satz kommt mir jetzt
in den Sinn.Will dieser Satz sagen. dass alles, was ich damals empfand. allein
ment: Ich denke mir den Platz weg und schon beginnen meine Gefühle
schwinden.
Ohne die Atmosphare dieses Platzes. merke ich, hätte ich diese Gefühle
damals so nie gehabt. Jetzt spüre ich es wieder: Es gibt eine Wechselwir-
kung zwischen unseren Empfindungen und den Dingen. die uns umgeben.
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Damit habe ich als Architekt zu tun. Ich arbeite an den Formen, Gestalten
ausmachen. Mit meiner Arbeit trage ich bei zu den realen Gegebenheiten,
dungen enuünden.
Die Magie des Realen, das ist für mich diese «Alchemie» der Verwandlung
rooms entwerfen, die von sich reden machen, ich kann meine Bauten m it
Formen versehen. die die Bedürfnisse nach Innovat ion oder N euartigkeit,
A ll dies zu tun ist nicht so einfach. Es braucht A r beit. Und Talent. Und noch-
tekturerfahrung. gehen weit er und lassen mich die Frage stellen: Kann ich
wirklich ausmacht, diese einmalige Dichte und Stimmung, dieses Gefühl von
fen , was in einem bestimmten Moment die Magie des Realen ausmacht, in
deren Bann ich etwas erlebe und erfahre. was ich in dieser Qualität sonst
bauliche Ensembles. die mich klein machen, die mich bedrängen, die mich
oder riesig. in denen ich mich gut fühle. ich denen ich gut aussehe, die mir
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ein Gefuhl von Würde und Freiheit vermitteln. in denen ich mich gerne
So achte ich 1n meiner Arbeit darauf. meine Gebäude als Körper zu den-
ken und auch so zu bauen: Als Anatomie und Haut, als Masse, Membrane,
als Stoff oder Hulle. Tuch, Samt, Seide und glänzenden Stahl.
Ich achte darauf, dass die Materialien zusammen klingen und zum Strah-
len kommen. nehme eine bestimmte Menge von Eichenholz und eine ande-
re Menge von Tuffstein und gebe noch etwas hinzu: drei Gramm Silber. ein
Griff zum Drehen. Flächen von glänzendem Glas. damit mit jeder Material-
Ich achte auf den Klang des Raumes. auf die Anschlagsqualitaten der Mate-
rialien und Oberflächen und auf die Stille. als Voraussetzung des Hörens.
Die Temperatur des Raumes ist m1r wichtig, das Kuhle. Erfrischende und die
Mir gefällt die Vorstellung. die inneren Strukturen meiner Gebäude anzule-
gen in räumlichen Sequenzen, die uns führen. hinführen. aber auch loslas-
sen und verfuhren . Architektur als Raum- und Zeitkunst zwischen Gelas-
Ich achte auf die sorgfaltige Inszenierung der Spannung zwischen Innen
und Grenzen.
Und das Sp1el mit dem Massstab der Architektur, die Arbeit an der richtigen
Gr osse der Dinge ist gele1tet vom Wunsch. Stufen der lntimirat.Abstufun-
gen von Nahe und D istanz zu schaffen und ich freue mich daran, die Mate-
r ialien. Oberflachen und Kanten. glanzend und matt. ins Licht der Sonne zu
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setzen und geheimnisvoll tiefe Massen und Abstufungen von Schatten und
D unkelheit entstehen zu lassen, um den Zauber des Li chts auf den Dingen
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Das Licht in der Landschaft
mild. Das Licht des Mondes kommt von weit her. D as macht es ruhig. Oie
Schatten. die die Dinge auf der Erde im Mondlicht w erfen, streben woh l
unmerklich auseinander. stelle ich mir vor. Aber ich kann das von blossem
Auge nicht sehen. Ich bin zu klein oder habe zuwenig A bstand, um die kos-
mischen Winkel zwischen der Lichtquelle und den angest rahlten Dingen auf
Wenn ich beginne. Licht und Schatten zu studieren, Licht und Schatten des
Mondes, Licht und Schatten der Sonne, das Licht und die Schattenwürfe,
die von meiner Stubenlampe ausgehen, bekom me ich ein Gefühl für Mass-
Schon immer wollte ich ein Buch über das Licht schreiben. lch wüsste nichts,
das mich mehr an die Ewigkeit erinnerte. sagt Andrzej Stasiuk. den ich eben
lese, in seinem Buch Die Welt hinter Dukla. Ereignisse oder Gegenstände hö-
ren auf oder verschwinden oder ze rfallen unter ihrem eigenen Gewicht und
wenn ich sie betrachte und beschreibe, dann nur deshalb, weil sie das Licht
brechen. weil sie es gestalten und ihm eine Form verleihen, die zu begr ei -
Das Licht. das von weit her auf die Erde trifft
Ich will uber künstliches Licht in meinen Häusern. in unseren Städt en und
Landschaften nachdenken und ertappe mich dabei, wie ich w ie ein Verlieb-
das von weit her auf die Welt trifft, auf die endlose Anzahl von Körpern,
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Strukturen. Materialien. Fli.Jssigkeiten. Oberflachen. Farben und Formen. die
aufstrahlen im Licht. D as Licht. das von ausserhalb der Erde kommt, macht
Finsternis, schaffen Inseln des Lichts. auf denen wir uns selbst und die Din-
nicht.Wir wollen sehen. A ber wieviel Licht braucht der Mensch, um Leben
lichkeit. in dem geringste Lichtmengen für ein gutes Leben ausre iche n? Oder
mehr noch: Brauchen wir dunkle, verschattete Orte, das Dunkel der N acht,
Zwei Jäger aus San Bernardino, die nach drei oder vier Tagen und N äc h-
ten in ei nem unzivil isierten Seitental, nachts, bei ihrer Rückkehr auf ihr be-
leuchtetes D orf, das Tunnelportal. die Tankstelle und die Autos hinunrer se-
hen. berichten davon, dass ihnen das vertraute Dorf plötzlich verschmutzt
vorkam .
Tanizaki Jun'ichiro, der Autor von Lob des Schottens, hatte sich entschieden,
Besuch als er erfuhr, dass man dort zur Unterhal tung des Mondschau-Pu-
blikums die Mondschemsonate abspielen und den Ort mit Lichtern und Illu-
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Das Licht de r Sonne
Viele kleine Lichtpunkte: der Sternenhimmel. Leuchtkäfer im Wald, Kunst-
Das Licht der Sonne, des Tages. das die Oberfläche der Erde aus dem Kos-
mos erreicht, ist gross und stark und gerichtet. Es ist ein Licht. Die Dunkel-
Annalisa hat kürzlich auf einer Bergwanderung beobachtet, dass die Far-
ben der Alpenblumen am Wegrand kurz nach dem Einbruch der Dämme-
rung noch für eine Weile nachglühen. als hätten die Blumen Licht gespei-
chert. das sie nun noch abgeben müssen, erzählt sie mir.
Oie Dunkelheit wohnt in der Erde. Sie steigt aus ihr auf und kehrt zurück
Je älter ich werde. desto mehr interessieren mich die vielfältigen Erschei-
nungsformen des Lichtes in der Natur. Ich staune und lerne, und ich bin mir
bewusst, dass es das Licht der Sonne ist, das die Gebäude. die ich mir aus-
men halte ich ins Licht der Sonne, ich fange dieses Licht ein, reflektiere. fil-
tere. blende es ab. ich dünne es aus, um am richtigen Ort einen Glanz auf-
leuchten zu lassen. Das Licht als W irkstoff. es ist mir vertraut. Aber wenn
ten Text. der immer wieder aufbricht und aufst rahlt, wenn das von ihr auf-
und erzeugt.
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Persönliche Landschaften. Bilder und Landschaften der Sehnsucht, der Trau-
er, der Ruhe, des Jubels, der Einsamkeit, des Aufgehobensei ns, der Hässlich-
keit, der Anmassung und Verführung. in meiner Erinnerung haben sie alle
Tanizaki Jun'ichiro lobt den Schatten. ln der dunklen Tiefe des traditionel-
len japanischen Haus es, wo in allen W inkeln die Schatten kauern. glänzt das
Gold einer Lackmalerei auf. verbreitet das durchscheinende Papier, das über
den feinen Holzrahmen einer Schiebetür gespann t ist. einen mild en Schein
und man sieh t kaum , wo das Tageslicht herkommt, das diese Gegenstände
Jun'ichiro lobt den Schatten. Und der Schatten lobt das Licht.
Wenn ich mich richtig erinnere. so habe ich Häuser der klassischen Mo-
derne gesehen, die das Licht und die Landschaft feiern. Häuser von Richard
Licht und Luft und die Aussich t in die Landschaft, das Gefühl, in der Land-
oder durch den Raum hindurchfliessen zu lassen - die Landschaft mit all
gang zu erleben, ist grossartig. Später, wenn das Haus nicht mehr von Aus-
bietet mir das nächtlich beleuchtete Los Angeles ein zauberhaftes Bild.
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Spater. auf dem Boden der Stadt, habe ich dasselbe Licht als fahl und kränk-
lich erlebt, als eine unwirkliche H elle, in der die grünen Rasen und Büsche
in den Vorgärten der Häuser aussahen, als wären sie aus Plastik gemacht.
Lichtern. die wir selber herstellen und anzünden. Mit dem Tageslicht sind die-
se Lichter nicht zu vergleichen, dazu sind sie zu schwach und zu kurzat mig
Aber wenn ich diese Lichter. die wir uns selber machen, nicht als Anstren-
gung zur Aufhebung der Nacht begreife. sondern sie als Lichter in der Nacht,
als Akzentuierung der Nacht, als intime. vom Menschen geschaffene Orte
des Lichtes in der Dunkelheit zu denken versuche, dann werden sie schön,
93
Eine Anschauung der Din ge
Vortrag. geschneben August 1994. Alvar Aalco Sympos1um. «Arch1tec tu re of the Essential».
Jyvaskyla. Fmnland
Le1chl uberarbeitete Fassung des Vortrages zum Thema <Nenusras». gehalten an der Ard'u-
Das auszugswe1se Zitierte Ged1cht «Aiphabem von lnger Chris tensen finde t sich in: lnge r
Chnstensen. E.m chem1sches Gedtcht zu Ehren der Erde.Auswohl ohne An(ong ohne Ende. heraus-
gegeben von Pecer Water house, Resrdenz Verlag. Salzburg und W1en. 1997.
Laurea Honons Causa m Arch1teuura der Un1vers1ta degli Studr d1 Ferrara. Facolta d1 Ar-
chilettura
94
Pe te r Zumthor
95
© Fotographien von Laura Padgett, Frankfun:/Main.
aufgenommen im Haus Zu mthor. Juli 2005
Dreses Werk rst urheberrechtlich geschut:zt. Dre dadurch begrundeten Rechte. msbesonde-
re dre der Ubersea.ung. des Nachdrucks. des Vortrags. der Entnahme .-on Abbildungen und
Tabellen. der Funksendung. der Mrkroverfilmung oder der Verv1elfaltigung auf anderen W e-
gen und der SpeiCherung 1n Datenverarbeitungsanlagen. bleiben. auch bei nur auszugsweiser
Verwertung. vorbehalten E111e Verv1elfalugung dreses Werkes oder von Te1len d1eses Werkes
ISt auch 1m Emzelfall nur 111 den Grem.en der geseuhchen Bestimmungen des Urheberrechts-
gesetz.es in der JeWeils geltenden Fassung zulass1g. S1e 1st grundsatzheb vergutungspfhchtig.
Z uwiderhandlungen unterhegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts.
© 2006 B1rkhauser Verlag fur Architektur. Postfach 133 CH-40 I 0 B:lSel. Schwerz. Ern Unter·
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Brldnachwers·
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Keller-Strhung
10 Aus G E Krdder Smrth. Architecture in America. Amencan Herrtage
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12 © Sammlung Ernst Brunner. Schweizerische Gesellschaft rür Volkskunde.
Basel
14 © Architekturbüro Zumthor. Haldenstein
18 © Sammlung Hans Baumgartner. Fotostrltung Schwerz. Wrnterthur.
VG Brld-Kunst
20 - 26 © Archrtekturbüro Zumthor. Haldenstein
22 © Architekturbüro Zumthor. Haldenstern
28 © Hel ~ne Brnet
30 © Thomas Flechtner
32 © Architekturbüro Zumthor. Haldenstern
34 - 36 © Giovannr Chiaramonte
38 © Archrtekturbüro Zumthor. Haldenstein
42 © Archrtekturbüro Zumlhor. Haldenstern
46 © Archrtekturbüro Zumthor, Haldenstein
48 © 2005. Prolrueris. Zünch
50 © Hel~ne Binet
56 © Jules Sprnatsch
58 © Archrtekturbüro Zumthor. Haldenstein
60 - 70 © Archrtekturburo Zumrhor. Haldenstern
72 © Brrdgeman Giraudon
Peter Zumthor