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Einst war er das höchste

Gebäude Afrikas, nun ist


der umgebaute Kornspei-
cher eines der größten
Museen für zeitgenössi-
sche afrikanische Kunst.
Historisches Foto: Hilton

Kunstspeicher
Teper

am Kap Für das Atriumfoyer, das


aus den Betonzylindern
des Silos ausgeschnitten
wurde, stand formal ein
Maiskorn Pate.

Der Londoner Designer Thomas Heatherwick


baute ein Museum in ein altes Getreidesilo.
Entstanden sind ein spektakuläres Atrium und
neutrale Ausstellungsräume. Ein Spagat
zwischen Genius Loci und vermeintlichen An-
forderungen an ein Museum.
Text Frank F. Drewes Fotos Iwan Baan

Der internationale Kunstmarkt ist weitgehend die Mission hin, sich auf Kunst von afrikanischen
europäisch, weiß und männlich. Laut ArtFacts. Künstlern (wohnhaft oder per Herkunft) zu be-
Net sind unter den 100 weltweit erfolgreichsten schränken, die nach 2000 entstanden ist. Jochen
lebenden Künstlern 55 Europäer (10% der Welt- Zeitz, der 1963 in Mannheim geborene ehema­
bevölkerung) und 28 US-Amerikaner (4,4% der lige Vorstandsvorsitzende der Puma AG hat mit-
Weltbevölkerung). Nur 21 Frauen befinden sich hilfe des Südafrikaners Mark Coetzee, der nun
unter den Top 100 und Afrika (17% der Weltbevöl- als Direktor und Chefkurator des MOCAA agiert,
kerung) ist mit gerade mal zwei Personen ver- die weltweit größte Sammlung afrikanischer Ge-
treten, dafür aber mit einer perfekt ausgegliche- genwartskunst zusammengetragen.
nen Gender-Ratio. Ernüchternd allerdings, dass Die Dauerleihgabe dieser Sammlung schafft
es sich hierbei um die seit 40 Jahren in Amster- die Basis der Exponate, ergänzt durch Themen-
dam lebende weiße Kapstädterin Marlene Du- und Sonderausstellungen, Filmprogramme und
mas und den weißen Johannesburger William Performances, sowie der obligatorischen Muse-
Kentridge handelt. umspädagogik. Letzteres ist von großer Bedeu-
Mit dem Zeitz MOCAA in der V&A Waterfront tung, da in Südafrika bis 1994 der schwarzen
(benannt nach Queen Victoria und ihrem Sohn Bevölkerung Museumsbesuche untersagt wur-
Alfred) in Kapstadt besitzt Afrika nun ein bedeu- den und noch immer große Schwellenängste be-
tendes Museum für zeitgenössische Kunst, das stehen. Der Museumsumbau wurde von der V&A
sich gerne mit den großen Häusern der Welt ver- Waterfront Gesellschaft bezahlt, die auch wei-
gleicht und messen lassen möchte. Der Name terhin die Besitzerin der Immobilie ist und für den
Museum of Contemporary Art Africa weist auf Unterhalt aufkommt.

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Architekten
Heatherwick Studio, London

Projektarchitekten
Mat Cash, Stepan Martinovsky
2 2
4
Mitarbeiter Entwurf
Simona Auteri, Ruggero Bruno 3 3
Chialastri, Yao Jen Chuang,
Francis Field, Sarah Gill, Xuan­
zhi Huang, Changyeob Lee,
Julian Liang, Débora Mateo, Ste- 1. OG 4. OG 6. OG
fan Ritter, Luke Snow, Ondrej
Tichý, Meera Yadave, Lucie
Beauvert, Einar Blixhavn, Erich
Breuer, Alex Flood, Hayley
Henry, Hannah Parker, Luke
Plumbley, Matthew Prat

Bauleitung
Van der Merwe Miszewski
Architects, Rick Brown Asso- 1 2 2
ciates, Jacobs Parker

3
Tragwerksplanung
Arup/Sutherland

Bauherr EG 3. OG 6. OG, Mezzanin


Victoria & Alfred Waterfront
Holdings (Pty) Ltd

3 2

UG 2. OG 5. OG

Ideen für 42 Zylinder und einen Turm 1 Eingang


Da die 42 Betonzylinder ein
2 Atrium
geschlossenes statisches
Das Museum befindet sich in einem grandiosen 3 Ausstellung
System bildeten, musste vor
dem Aufsägen eine zweite Getreidesilo aus dem Jahre 1924, das 1990 still- 4 Skulpturengarten
Betonschicht in die Zylinder gelegt wurde. Zur Bauzeit war es das höchste Ge-
eingebracht werden. bäude Afrikas südlich des Äquators, erfuhr aber
Foto oben: Navigator Films,
Grundrisse im Maßstab als Nutzgebäude im gewerblichen Teil des Hafens
1:1500 keine sonderliche Aufmerksamkeit. Dennoch
kam nach seiner Stilllegung wegen der architek-
tonischen und skulpturalen Signifikanz ein Ab-
riss nicht infrage. 2006 wandte sich die Hafenge-
sellschaft erstmals mit der Anfrage eines Um-
nutzungskonzeptes an den Londoner Industrie-
designer Thomas Heatherwick; doch das Pro-
jekt nahm erst 2011 konkrete Formen an. Zeitgleich
suchte Jochen Zeitz afrikaweit nach einer Loca-
tion für seine Sammlung. Es war nur eine Frage
der Zeit, dass sich die Wege kreuzten und die
Nutzungskonzepte konkretisiert werden konnten.
Thomas Heatherwick gilt gleichwohl als Spiri-
tus Rector des Siloumbaus.

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Der Silokomplex bestand aus einem Cluster von
42 Zylindern und einem kubischen, doppelt so
Links: Die etwa 100 Ausstel-
lungsräume sind beinahe Eine außergewöhnliche Fassade oder
ein spektakuläres Atrium machen beileibe
durchweg orthogonal und
hohen Turm mit den Funktions- und Nebenräu- ohne Tageslicht. Das mag
men – gänzlich aus monolithischem Ortbeton für Medieninstallationen wie
gegossen. Das MOCAA besetzt die gesamte Ba- die der kenianischen Künst-
lerin Wangechi Mutu (unten)
noch kein gutes Museum aus.
sis über neun Etagen und eine Fläche von 9500 gut funktionieren, an an-
Quadratmetern, wovon 6000 Ausstellungsfläche derer Stelle wirken sie zu ba-
sind. Das ist ein erstaunlich gutes Verhältnis: nal – und man freut sich,
wieder Stege und Treppen
Das MoMA hat bei einer Fläche von 59.000 Qua- zu erreichen.
dratmetern nur 12.000 Quadratmeter Ausstel- Großes Foto: Antonia Steyn
lungsfläche, die Tate Modern bringt es auf die
gleiche Fläche bei 35.000 Quadratmetern Ge-
samtfläche. Die oberen 10 Etagen, die der Turm- Im Untergeschoss sind die
Spuren der alten Nutzung
bau über die Zylinder hinausragt, belegt das Silo
noch lesbar; im Skulpturen-
Hotel. Bemerkenswert sind hier lediglich die fa- garten im 6. OG lässt sich
cettierten Fensterfüllungen, die zweigeschossig die Zylinderstruktur erken-
nen. Durch den Glasbo-
das Betonskelett schließen und nach außen
den fällt Licht ins Atrium,
changierende Lichtreflektionen bieten – von in- das aufgedruckte Mus­-
nen allerdings die Aussicht unnötig fragmen- ter stammt von El Loko, die
tieren. Atemberaubend hingegen ist die Dachter- Skulpturen von Kyle Mor-
land.
rasse mit Pool und Bar, von wo aus die Blicke
über die Stadt, den Tafelberg und zwei Ozeane
schweifen können.

Mit und gegen den Genius Loci Die etwa 100 Galerieräume sind – gegen den Ge- blicke gibt – wo Architektur zu erleben ist. Gran-
nius Loci – fast durchgängig orthogonal den dios wird es noch einmal, wenn man in das Un-
Die Sensation des MOCAA aber ist das lichte At- Zylindern eingestellt worden und durchweg ohne tergeschoss hinabsteigt, hier ist die Authenti-
rium, das Heatherwick aus den 42 Betonzylin- Tageslicht. Die Verbindungen zwischen den zität des Gebäudes erhalten. Betonzylinder
dern herausgeschält hat. Die biomorphe Form, Räumen und die Zugänge zu den Erschließungen und Kreissegmente dominieren die Räume, Me-
die sich aus der geometrisch im Grundriss so sind versehen mit massiven Schwingtüren mit tallrohre, Schütten und Klappen wurden kon-
eindeutigen Summe der Zylinder ergibt, erinnert klobigen Beschlägen. Die Estrichböden sind mit serviert.
an die Rauminterventionen von Gordon Matta- Keller- bzw. Garagenlack versiegelt und die Das Zeitz MOCAA ist ein aufmerksamkeitser-
Clark. Dieser spektakuläre Eingriff erzeugt wahr- Technik ist komplett sichtbar unter den Beton- regendes Gebäude: Ein einmaliger Bestand
haftig einen Bilbao-Effekt und ist in diesem Fall decken geführt. Wegeleitsysteme und Flucht- wurde einer neuen Nutzung zugeführt, die Emo­
durchaus gerechtfertigt: Das Publikum der V&A wegschilder sind allgegenwärtig und plakativ an- tionen anspricht und wohl auch genügend Be­
Waterfront, mit 24 Millionen Besuchern jähr­- geordnet, so dass sie, zusammen mit den zu sucherzahlen generieren wird. Es wäre aber weit
lich Afrikas größte Touristen- und Shoppingattrak- großmaßstäblichen Bildbeschreibungen, in Kon- gefehlt, von einem großartigen Museum zu spre-
tion, ist wohl eher wenig kunstaffin – um es für kurrenz zur Kunst treten. Für ein sensibles Auge chen, denn die Großartigkeit beschränkt sich
einen Besuch des Museums zu interessieren, und den Kunstliebhaber ist es geradezu ein Af- auf all das, was nicht das Museum selbst ist. Sieht
braucht es mehr als die Kunst an sich. Das ein- front, in welche Banalität die Räume abgleiten. man dieses als eine Behausung für Kunst, dann
zigartige Foyer kann es mit jeder Hotel-Lobby Hingegen freut man sich immer wieder, die Auf­ muss man die Räume betrachten, in denen die
des jüngst verstorbenen John Portman aufneh- züge, Treppen und Stege zu erreichen, wo origi- Kunst gezeigt wird. Eine außergewöhnliche Fas-
men, inklusive offen geführter zylindrischer Auf- närer Sichtbeton und statisch notwendiger sade oder ein spektakuläres Atrium machen bei-
zugskapseln und gläserner Abschlüsse der Be- neuer Beton spannende Dialoge bieten, wo es leibe noch kein gutes Museum aus.
tonzylinder. Tageslicht und interessante Durch- und Aus-

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