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Das tiefe Blau der Aluminium- Eine Baugruppe am ehemaligen Blumen-

fensterbänder nimmt Be -
zug auf den „blauen Plane- großmarkt in Berlin-Kreuzberg hat sich an
ten“ Neptun, den Astrono-
men 1846 von hier aus ent-
deckten: Bis 1912 stand
ein neues Konzept des Atelierhauses ge-
auf dem Gelände die Berli-
ner Sternwarte von Schin-
wagt: kleinteiliges Kreativgewerbe, Hotel-
kel. Blick vom Fromet-und-
Moses-Mendelssohn-
lerie und Bildungszentrum Seit’ an Seit’.
Platz, links am Rand das
neue Haus der Taz. Text Josepha Landes
Fotos: Jan Bitter

Frizz23
Bänder aus angekohltem Holz halten das „Frizz23“
Blick vom Besselpark, hin-
so umschlungen, dass erst auf den zweiten
ter dem Frizz23 die ehe-
Blick deutlich wird, wie unterschiedlich seine ver- malige Blumengroßmarkt-
schiedenen Teile sind. Mit der Fassade aus eben halle. In der „Bauhütte“
(vorne in der Ecke des Parks)
jenen karbonisierten Holztafeln und tiefblau-elo-
gab es während der Bau-
xierten Alufensterbändern verbinden Deadline zeit Kulturangebote.
Architekten drei Baukörper für drei Teile einer Ge- Schnitt im Maßstab 1:750
werbebaugruppe.
Das langgestreckte Haus am nördlichen Rand
des ehemaligen Berliner Blumengroßmarkts
steht neben dem neuen Hauptsitz der genossen-
schaftlichen Tageszeitung Taz (Seite 24). Aus
den Räumen von Gebäudeteil A des Frizz23 fällt
der Blick immer wieder auf die auffälligen Tra-
peze der Taz-Fassade. Gebäudeteil A mit anmiet-
baren Veranstaltungsräumen im Erdgeschoss
und Seminarräumen in den Etagen darüber ge-
hört dem gemeinnützigen Verein Forum Berufs-
bildung, der das gesamte Projekt ins Rollen ge-
bracht hat.
Gebäudeteil B in der Mitte des Hauses ist in un-
terschiedlich großen Einheiten zwischen den
Teilhabern der Gewerbebaugruppe FrizzZwanzig
GbR aufgeteilt. Als Mitglieder wurden gezielt
Nutzer aus der Kreativwirtschaft – vom Pianisten
über Architekturzeitschriften bis zur PR-Agen-
tur – angeworben. Der Mix soll helfen, die Nach-
barschaft mit ihrem hohen Anteil an Sozialwoh-

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Die kleinteilige Kreativge- Verein 2001, als der seit 1922 etablierte Standort Gemeinsam mit Senat und Bezirk ertüftelte man ten und scheinbar Unmöglichem die Stirn gebo-
werbe-Baugruppe ist ein-
des Blumengroßmarkts an der unteren Fried- ein qualitatives Vergabeverfahren, das am Ort ten. Das Projekt ist die erste, offiziell als solche
gefasst vom sechsgeschos-
sigen Turm mit den von richstraße in Frage stand. Die Markthalle aus den auch den Baugruppen „IBeB“ (Seite 34), und „Me- firmierende, gewerbliche Baugruppe – die erste
den Architekten betriebe- fünfziger Jahren baute Daniel Libeskind zur Aka- tropolenhaus“ (Seite 40) zugutekam. Die drei derartige Gruppe in jedem Fall, die das Risiko
nen „Minilofts“ und den demie des gegenüberliegenden Jüdischen Mu- Projektgruppen taten sich als Planungsgruppe eingegangen ist, gemeinsam ein Grundstück zu
Seminarräumen des Vereins
Forum Berufsbildung. seums um (Bauwelt 16.2013). Dem umliegenden Ex-Blumengroßmarkt (PxB) zusammen. 2013/14 kaufen und darauf neu zu bauen. Die Zusam-
Zeichnungen und Fotos die- Gelände drohte der Ausverkauf. Unter diesen traf man sich vier Mal zu Workshops, um inhaltli- mensetzung der Bauherrschaft hätte kaum als
ser Doppelseite: Deadline Vorzeichen holte Forum 2007 Deadline Architek- che und gestalterische Fragen der Projekte zu Grundlage für eine der üblichen Machbarkeits-
Architekten
ten ins Boot. Matthew Griffin, der das Büro ge- erörtern und den Verantwortlichen bei der Stadt studien herhalten können. So dürfen gemeinnüt-
meinsam mit Britta Jürgens führt, war damals als vorzustellen. Die Konzepte von PxB konnten sich zige Träger wie Forum de jure eigentlich nicht
Mitglied der Initiative StadtNeudenken schon nicht zuletzt deshalb gegen andere Kaufange- mit gewinnorientierten Gewerbetreibenden ins
mit der Lage vertraut. Bis heute ist es Anliegen bote durchsetzen, weil sie Investitionen, etwa in Risiko gehen. Letztlich aber fand sich eine Ver-
der Initiative, dass die öffentliche Hand Liegen- Form von Kulturprogrammen, für die Nachbar- tragsgrundlage, auf der die Gruppe 2014 das
FRIZZ Gemeinschaftsdachgarten schaften nicht an höchstbietende Investoren ver- schaft vorsahen. Grundstück vom Land Berlin erwarb – und ein Mo-
hökert, sondern lokalen Akteuren mit auf den Wer bei Frizz23 bis zum Ende an Bord blieb, dell realisierte, das nun, etwa in Wien, schon po-
Ort zugeschnittenen Konzepten den Vortritt lässt. hat starke Nerven bewiesen, hat Unwägbarkei- tenzielle Nachahmer findet.

FORUM Projekthalle

FORUM Berufsbildung

Architekten
FRIZZ Fahrradwerkstatt Laden Deadline Architekten,
Berlin, Matthew Griffin,
Britta Jürgens
FRIZZ Recycling Taschen Werkstatt

FRIZZ Gemeinschaftsgalerie Mitarbeiter


Lorien Beijaert, Wiesje Bijl,
FRIZZ Comic Studio Peer Frantzen, Beatrice
Kiaunyte, Tim Maaßen, Veljko
FRIZZ Drehbuchstudio
Markovic, Sarah Milberger,
FRIZZ Co-Working Design Möbel
Ein gemeinnütziger Verein, Sasa Müller, Guido

FRIZZ Architekturzeitschrift
19 Gewerbetreibende Schweiss, Ketsarin Zimmer

aus der „Kreativwirtschaft“, Bauleitung


FRIZZ Co-Working Space Bollinger + Fehlig, Berlin
die Architekten, die ein Robert Brangs
MINILOFT Café Nullpunkt Redaktions-, Hotel- und Se-
minarräume in den drei Ge-
Hotel betreiben – diese Bau- Tragwerksplanung
MINILOFT Hotel bäudeteilen. Der gezackte
Rand der unteren Brüs -
herrschaft hätte kaum für EiSat, Berlin

tung soll an die Markthalle eine der üblichen Machbar- Landschaftsplanung


erinnern, die hier bis 1945
stand. keitsstudien getaugt. planung.freiraum, Berlin

Bauherren
nungen zu stabilisieren. Einige Eigentümer kom-
Forum Berufsbildung e.V,
binieren Wohnen und Arbeiten, die Hauptfunk- FrizzZwanzig GbR,
tion bleibt aber mit 95 Prozent der Nutzung ge- Miniloft Kreuzberg GbR
werblich. Sowohl Raumaufteilung als auch Aus-
Hersteller
stattung sind individuell, entsprechend komplex
Holzfassade Mocopinus
waren Planung und Ausbau. Dieser größte Teil
Fenster Schüco, Sandalor
des Gebäudes verspringt etwa in der Mitte von Sonnenschutz Warema
sieben auf drei Etagen. In diesem Einschnitt be- Innentüren Jeldwen
Beschläge FSB
findet sich eine Terrasse auf Höhe der Baumkro-
Schalter, Steckdosen Jung
nen – mittendrin im Stadtgeschehen, statt da- Leuchten Ridi
rüber, so die Idee der Architekten. Aufzüge Otis
Fußbodenheizung Empur
Den östlichen Abschluss des Hauses bildet
ein sechsgeschossiger Turm, in dem die Archi-
tekten ein Apartmenthotel betreiben. Ein Gäste-
haus an dieser Stelle war ein Wunsch, den die
Anwohner im Beteiligungsprozess äußerten.
Anfang November wurde das Frizz23 eröffnet.
„Es war ein langer Weg“, begann Helmut Rieth-
müller, Geschäftsführer von Forum Berufsbil-
dung, seine Rede – und die Architekten pflich-
ten ihm bei. Erstmals darüber nachgedacht, Grundrisse EG, 1. und 3. OG
auf dem Brachgrundstück zu bauen, hatte der im Maßstab 1:500

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