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teil brach.

In den 1990er gab es Überlegungen bahntrasse sollen sich frei finanzierter und geför-

Gerade einmal fünf Kilometer liegt der Stadtteil


Reininghaus vom Schlossberg im Grazer Stadt-
zentrum entfernt. Mit 54 Hektar Fläche ist er eines
der größten Stadtentwicklungsgebiete Öster-
aus den Reininghaus-Gründen einen Kultur-
stadtteil mit Musik-Themenpark oder ein Olym-
pisches Dorf für die Winterspiele 2002 zu ma-
chen. Zwei Jahre später kauften die Projektent-
wickler Asset One das ehemalige Brauerei-Areal
derter Wohnbau auffädeln. Lokale Architekten
wie Thomas Pucher und Pentaplan nährten mit
ihren ersten Bauten die Hoffnung, dass das seit
der Glanzzeit in den 1980er Jahren als Architektur-
metropole langsam weggedämmerte Graz wie-
Sechsgeschossig
Text Maik Novotny Fotos Paul Ott
reichs und das größte Stadtplanungsvorhaben im Westen der Stadt. Jedoch gelang es ihnen der erwachen könnte. Die Infrastruktur lässt je-
der steirischen Hauptstadt. Ein ambitioniertes nicht, eine Planung in diesem Maßstab zu stem- doch bis heute auf sich warten, der Bau der
Projekt, dessen bisherige Entwicklung jedoch men, weswegen nach weiteren geplatzten Deals Straßenbahntrasse wurde weit in die Zukunft
von Verzögerungen und Fehlstarts gekennzeich- die Stadt Graz plante, das Grundstück zu erwer- verschoben.
net ist. ben. In einer von Bürgermeister SIegfried Nagl Einige wesentliche Grundstücke sicherte sich
Die Geschichte beginnt mit den Brüdern Rei-
ninghaus, die dort 1855 die erste mit Dampf be-
initiierten Volksabstimmung sprachen sich die
Grazer 2012 aber gegen diesen Ankauf aus, was
die Stadt Graz dennoch, unter anderem in Rei-
ninghaus-Süd auf dem Areal der ehemaligen Hum-
Mit einiger Verzögerung startete in Reininghaus das größte Stadt-
triebene Brauerei der Steiermark bauten und bis zudem den Bruch der damaligen schwarz-grünen melkaserne. Die Grundstücke wurden hier im entwicklungsgebiet von Graz. Der Wohnbau von SPS Architekten
1944 Bier produzierten. Im Zweiten Weltkrieg Koalition der Stadtregierung mitverursachte. Baurecht an die gemeinnützigen Bauträger ENW
wurde die Brauerei stark beschädigt und lag – Kurz darauf wurde das Areal scheibchenweise vergeben, der zunächst das Pflegewohnheim
auf dem Areal der ehemaligen Hummelkaserne ist nicht nur der ver-
trotz zwischenzeitlichen Überlegungen von Coca-
Cola und einem Fruchtsafthersteller die Anlage
veräußert, bereits 2014 waren 80 Prozent der
Reininghaus-Gründe verkauft. Entlang einer Nord-
„Peter Rosegger“ (Dietger Wissounig Architek-
ten) errichtete. Mit seiner von großformatigen
spätete Startschuss für den Städtebau, sondern auch der erste
zu übernehmen – bis in die 1970er Jahre zum Groß- Süd-Verkehrsachse inklusive neuer Straßen- Fenstern gegliederten Holzfassade signalisierte sechsgeschossige Holzbau der Steiermark.

Nördlich der vier Wohnbau-


ten befindet sich das
Pflegewohnheim von Diet-
ger Wissounig Architek ten.
Fotos: © Paul Ott Photo-
grafie, Schwarzplan im Maß-
stab 1 :10.000

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Die Gebäude werden vom der Bau die gestalterischen und ökologischen Architekten
1., 3., und 5. Obergeschoss
gemeinsamen Platz aus sind identisch.
Ambitionen. Auch beim unmittelbar daneben SPS Architekten, Thalgau
erschlossen. Die Eingangs- Erdgeschoss, Tiefgarage im
bereiche sind aus dem liegenden ENW-Wohnbau wurde von Beginn an Untergeschoss und
Baukörper ausgeschnitten auf Holzkonstruktion gesetzt. Novellen der OIB- Projektleitung Schnittansichten im Maß-
und überdacht. Richtlinien (Österreichisches Institut für Bau- Dirk Obracay stab 1:1000, exemplarischer
Eine verblechte Fuge verhin- Grundriss rechts 1:500
dert das direkte aufeinan- technik) und der steirischen Bauordnung erlaub- Mitarbeiter
dertreffen der Bretterstöße ten erstmals sechsgeschossige Wohnbauten Julia Tanzberger, Evelyn
und gliedert die Gebäude aus Holz. Ein Fortschritt, der seit Jahren in ganz Schernthanner, Gaby
horizontal.
Österreich zu spüren ist und zu einer zaghaften, Mayer, Sabrina Wallinger,
Barbara Brandstätter
aber soliden Renaissance dieses Baustoffes ge-
führt hat. War das Bauen in Holz in Vorarlberg Generalübernehmer
schon lange hochqualitativer Status Quo, zeigte Kaufmann Bausysteme,
sich der traditionell mineralische Osten des Reuthe
Landes lange skeptisch. Inzwischen ist auch dort
Statik
geradezu ein Wettrennen um das nächste
Merz Kley Partner, Dornbirn
höchste Holzhaus ausgebrochen. 2018 wird in
War das Bauen mit Holz in Vorarl- Wien das mit 84 Metern höchste Holzhaus der Brandschutz
Welt, das HoHo von Architekt Rüdiger Lainer, fer- IBS-Technisches Büro, Linz
berg schon lange hochqualita- tiggestellt.
Baumeister/Holzbau
tiver Status Quo, zeigte sich der In Graz-Reininghaus wurde 2012 für die Wohn-
Kulmer Holz-Leimbau,
anlage Hummelkaserne ein Wettbewerb ausge-
traditionell mineralische Osten Pischelsdorf
schrieben, der sich speziell an Teams aus Archi-
des Landes lange skeptisch. Inzwi- tekten und Holzbaufirmen richtete. Für die städ- Tischler

schen ist auch dort geradezu ein tebauliche Anordnung lag bereits eine Studie vor. Reiterer KG, Pölfing Brunn

Die Wettbewerbssieger SPS Architekten und


Wettrennen um das nächste Kaufmann Bausysteme hielten sich weitgehend
Hersteller
Brettsperrholz Mayr-Meln-
höchste Holzhaus ausgebrochen. an diese Vorgabe und sahen vier identische hof Holz Leoben
sechsgeschossige Baukörper vor, die an einer Unterzüge aus Baubuche
Pollmeier Massivholz
Mittelachse gespiegelt sind. Im Sommer 2016

Offene Tiefgarage: Das Unter-


geschoss wird punktuell
über Atrien belichtet und be-
lüftet, teilweise sind diese
mit Bäumen bepflanzt.

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wurden die 92 Wohnungen bezogen. Sie wurden Alle Wohnungen haben ei-
nen privaten Freiraum:
von der Stadt Graz, vorwiegend an einkommens-
den Wohnungen im Erdge-
schwächere Interessenten vergeben. schoss sind Gärten zu-
Maßgeblich für die Positionierung der Baukör- geordnet, in den Oberge-
per war, so die Architekten, die Maximierung schossen gibt es west-
seitige Balkone.
des Freiraums als offenes Kontinuum. Zum be-
nachbarten Pflegeheim hin wurde auf jegliche
Umzäunung verzichtet, was sich nach anfängli-
cher Skepsis bewährt hat. Die Wohnungen sind
nach Westen ausgerichtet, mit Blick auf die stei-
rischen Berge, die teilweise überdachte Ost-
West-Mittelachse dient als Treffpunkt.
Die Logik der Holzkonstruktion ist der von we-
Die vier Baukörper sind cha- nigen gezielten Variationen unterbrochenen ru-
rakterstark und fügen sich
higen Serialität der Bauten anzusehen. Die Brett-
gleichzeitig zurückhaltend
in die Umgebung ein. schichtholz-Fassadenlemente wurden von
Unten: Der Treppenhaus- Kaufmann Bausysteme in der Steiermark inklu-
kern ist komplett aus Beton sive Fenster und Jalousien produziert und in kur-
und steht im Kontrast zur
Lärchenholzfassade. zer Zeit vor Ort montiert, als Verkleidung wurden
hinterlüftete Lärchenholzbretter gewählt. Die
Vermeidung des Brandüberschlags, die im Wohn-
bau oft in angestrengte Hilfskonstruktionen
mündet, wurde hier zum wesentlichen Gestal-
tungselement: An der Westseite ziehen sich die –
für den geförderten Wohnbau durchaus luxuriös
dimensionierten Balkone über die ganze Breite,
an den übrigen Fassaden läuft in gleicher Höhe
horizontal eine verblechte Fuge zwischen der
Holzschalung um das Haus.

Die Grundrisse variieren


von Ein- bis Vierzimmer-
Im Inneren wurde der Treppenhauskern in Stahl-
wohnungen. Die 92 Wohnun-
beton ausgeführt und bewusst roh belassen, gen werden gefördert.
ein dezentes Farbkonzept lockert die ruppige Ma-
terialehrlichkeit auf. Auch hier bestanden beim
Bauträger anfängliche Zweifel, das Wohnungs-
amt der Stadt zeigte sich jedoch sichtbeton-
begeistert. In den Wohnungen selbst ist die Holz-
konstruktion aufgrund der Verkleidung mit
Gipskartonplatten leider kaum zu spüren, wie die
Architekten selbst wehmütig anmerken. Sicht-
bar belassene Massivholzwände erwiesen sich
als zu großer Sprung für den sozialen Wohn-
bau – vorerst zumindest, denn eines der nächs-
ten EGW-Wohnprojekte in Graz soll in Vollholz
ausgeführt werden.
Ein kleiner, aber verschmerzbarer Wermuts-
tropfen. Denn unter dem Strich erlauben die
konstruktiven Restriktionen des Holzbaus und
die Einsparungen durch die Vorfertigung einen
Bonus an räumlicher Großzügigkeit, der ange-
sichts der restriktiven Budgets im geförderten
Wohnbau geradezu luxuriös wirkt. Zudem dürfen
sich die Bewohner über niedrige Heizkosten
dank Passivhaus-Standard freuen. Es bleibt zu
hoffen, dass Reininghaus in Zukunft dieses
vielversprechende Niveau halten wird. Damit der
erste Baustein nicht zu lange isoliert bleibt,
muss allerdings bei der Infrastruktur aufs Gas
gedrückt werden.

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