You are on page 1of 3

Wir müssen

mehr experimentieren! Loggien prägen die Fassa-


den des Neubaus in der
Katharina-Boll-Dornberger-
Straße: ein Mix aus 62 Woh-
nungen mit zwei, drei und
vier Zimmern. Baukosten:
1794 Euro pro m2 (KG 300+
400, ohne Tiefgarage)

Christoph Roedig
Wie kam der Wohnungsmix zustande?
Ulrich Schop Auch das war eine Vorgabe. Die

und Ulrich Schop


Mischung von kleinen und großen Wohnungen
ist ja an sich gut, aber unwirtschaftlich.

haben in Adlers­-­ Sie würden für mehr Effizienz und Serialität

hof eines der ers-


plädieren?
Ulrich Schop Dass eine Wohnungsbaugesell-

ten Neubaupro-
schaft mit einem Bestand von 100.000 Wohnun-
gen sagt: Ich muss an dieser Stelle noch genau

jekte einer Berliner


eine Vierzimmerwohnung haben, das verstehe
ich nicht.
Christoph Roedig Man bekommt die volle Punkt-
Wohnungsbau­ zahl bei Verfahren nur dann, wenn der Woh-
nungsschlüssel exakt eingehalten wird. Wir und
gesellschaft fertig- alle Kollegen verbringen 90 Prozent der Ent-
wurfszeit damit, uns die Finger wund zu entwer-
­gestellt. Das „Woh- fen, damit der Wohnungsschlüssel stimmt.

nen am Anger“ Wie sieht es mit der Dichte aus: Müsste man in
Berlin generell nicht höher bauen?
ist keine WDVS- Christoph Roedig Dichter: ja. Aber es kommt da-
rauf an, wo. An manchen Stellen ist es paradox:
Kiste mit klei- Beginnen wir mit einem Vorurteil: Die Berliner führt habe, führe ich jetzt wieder. Etwa so: Teen- Ulrich Schop Das Durchwohnen führt zu vier Trep- Das Gebäude ist in zwei Riegel mit verschied­
Die Wohnungsbaugesellschaften wollen dichter
bauen, doch die Senatsverwaltung bremst, aus

nen Fenstern. Der Wohnungsbaugesellschaften können nur


verwalten, nicht bauen. Sind sie wirklich so
ager können nicht durch das Wohnzimmer an
den Eltern vorbei in ihr Zimmer, es muss einen
penhäusern pro Riegel, auch das gab Diskussio-
nen. Aber die „Stadt und Land“ ist am Ende dem
nen Standards aufgeteilt. Wie unterscheiden
sie sich?
Angst vor Klagen der Anwohner.

Weg dahin war schlecht wie ihr Ruf?


Christoph Roedig Die Abteilungs- und Projektlei-
Flur geben. von der Jury prämierten Entwurf gefolgt. Ulrich Schop Wir haben ein Grundmodul für die
Wohnungen entwickelt, und es einmal mit, ein-
Sie haben durch die Arbeit mit Baugruppen Er­
fahrung mit Partizipation. Werden in Berlin

nicht ganz leicht. tungen sind zum Teil neu besetzt und ambitio-
niert, doch die einzelnen Abteilungen der Verwal-
Wie sind Sie in Adlershof mit den Wohnungs­
grundrissen umgegangen?
Durchwohnen, Zweispänner – wie geht das,
wenn man Wohnungen baut, die für 8,50 Euro
mal ohne Aufzug gebaut. Im höheren Standard
sind die Wohnungen mit Parkett, im anderen
die richtigen Werkzeuge angewendet, um die
Anwohner bei Bauvorhaben einzubeziehen?
tung stecken noch in konventionellen Struktu- Christoph Roedig Das Durchwohnen war uns vermietet werden sollen? mit Linoleum. Ulrich Schop Man braucht bei einem Bauvorha-
Interview Doris Kleilein ren fest, vor allem was Grundrissgestaltung und wichtig, wir wollten um keinen Preis einseitig Ulrich Schop Als wir 2014 das Verfahren gewon- Christoph Roedig Um Kosten zu sparen, haben ben einen Spielführer, und das ist für mich der
Fotos Stefan Müller Ausstattung angeht. Kann ich mal eine Wand nach Nordost ausgerichtete Wohnungen, worauf nen haben, ging es noch nicht um die Zahlen, wir rohe Treppenhäuser ohne Bodenbelag und Bauherr. Der muss sich positionieren. Wenn die
weglassen? Muss ich tatsächlich alles mit Rau- der Städtebau eigentlich ausgelegt war. Das die heute im Raum stehen. Wir hatten das Glück, Sockelleisten vorgeschlagen, wie wir sie bereits öffentliche Hand der Bauherr ist, muss nicht da­
faser bekleben und das Bad auf 2,10 Meter Tür- war nicht einfach. Wir haben 13,50 Meter tiefe dass es noch ein VOF-Verfahren war und es da- bei Baugruppen realisiert haben. Das war viel rüber diskutiert werden, ob gebaut wird. Das ist
kante fliesen? Bei solchen Fragen sind die Woh- Grundrisse geplant mit einer Schiene von Dun- durch eine hochrangig besetzte Architektenjury Überzeugungsarbeit und wir mussten noch im eine Vorgabe. Im Spiel geht es darum, dass
nungsbaugesellschaften extrem vorsichtig. kelräumen im Inneren, sodass wir nach beiden gab. Es wurde über Gestaltung gesprochen, Bauprozess immer wieder erklären: Alles wird Wohnungen gebaut werden. Das muss man klar
Ulrich Schop Vor allem die Denkart der Vermie- Seiten gleichberechtigte Räume anbieten. Man nicht nur über Kosten. gut. Schön, dass die Wohnungsbaugesellschaft kommunizieren. Da fehlt es oft an Haltung.
tungsabteilungen sind harte Nüsse für uns. Die kann sich aussuchen, wo das Wohn- und Schlaf- Christoph Roedig Die genannten Kosten können das mitgemacht hat.
Diskussionen, die ich vor 30 Jahren bei meinem zimmer ist. Das ist eine hohe Qualität, gerade erst ab einer Riesenanzahl an Wohnungen ein- Welche Rolle spielen die verschiedenen
ersten Sozialen Wohnungsbau in Wiesbaden ge- für kleine Wohnungen. gehalten werden. Beim Wohnen am Anger wur- Was konnten Sie nicht durchsetzen? Ebenen: Senat, Bezirk, Wohnungsbaugesell­
den die Mieten innerhalb des Projekts austa- Christoph Roedig Bei den Grundrissen hat sich schaften?
riert. Und wir haben viel an den Ausstattungsstan- zum Teil die Vermietungsabteilung durchge- Ulrich Schop Das ist ein Konglomerat, da fehlen
Christoph Roedig (im Bild links)
dards und den Aufzügen gespart und das Geld setzt. Auf einmal sollten doch Küchen und Flure klare Strukturen. Die Rollenverteilung inner-
52, Studium der Architektur in Berlin und Glasgow, Mitarbeit bei Georg Bumiller und Heinle Wischer, seit 2005 Partner
roedig . schop Architekten in Berlin, 2008 Mitgründer IfuH – Institut für urbanen Holzbau, Berlin dann wieder an anderer Stelle in das Haus inves- abgetrennt werden. Wir hatten in den großen halb Berlins kann kein Bürger verstehen. Die Pla-
Ulrich Schop tiert. Ich weiß nicht, wie viele Projekten heute in Wohnungen auch ein Umlaufen mit einer Box in nungshierarchie ist so schwierig: Die Leute wis-
54, Studium der Architektur in Berlin, Mitarbeit bei Schmidt-Thomsen und Ziegert, 1996–98 Referendariat Bauabteilung Berlin noch mit hinterlüfteten Fassaden aus Holz der Mitte vorgeschlagen, aber das ging gedank- sen nicht, wer gerade was macht. Bei planungs-
des Ministeriums für Finanzen Brandenburg, seit 2005 Partner roedig . schop Architekten in Berlin
gebaut werden. lich nicht. rechtlichen Fragen müsste der Bezirk der An-

36 Thema Bauwelt 4.2018 Bauwelt 4.2018 Thema 37


sprechpartner sein. Das ist die Bezugsgröße: schaft anders. Manche haben eine Jury mit Ar- Viele aktuelle Verfahren im Wohnungsbau wen­ Alle Wohnungen haben Log-
gien, die nach Westen ori-
Jeder weiß, wo sein Rathaus steht. chitekten, andere nicht. den sich an Generalplaner oder -übernehmer.
entiert sind. Im Gebäudeteil
Christoph Roedig Die meisten wollen die Parti­ Ulrich Schop Man bekommt bei Vergabeverfah- Was bedeutet das für Architekturbüros? mit reduziertem Standard
zipation rasch hinter sich bringen, nach dem ren eine Punkteauswertung, die vermeintlich Christoph Roedig Der Bauherr will das Risiko (im Grundriss: rechter Rie-
Mot­to: Wir haben Euch doch informiert. Für den neutral und gerecht ist, aber man weiß gar nicht, nicht mehr übernehmen. Für den Neubau in Ad- gel) gibt es anstelle von
Aufzügen Abstellkammern.
neuen Senat ist Partizipation aber anscheinend wer in der Jury saß: Welche Abteilung hat das lershof sind wir zum ersten Mal als Generalpla-
ein erklärtes Ziel. entschieden? Hat jetzt die Abteilung Vermietung ner angetreten, weil das die Ausschreibung er-
ein Stimmrecht oder das Portfoliomanagement? forderte. Das ist für uns neu und wir überneh-
Auf welcher Ebene wäre die Partizipation am Weil die Themen so schwierig sind, müsste man men einen Teil der Bauherrenaufgabe. Das ist
sinnvollsten? sich eigentlich Wettbewerben stellen, damit es mehr Verantwortung, aber dafür kann man sich
Christoph Roedig Die Nachbarn rufen natürlich zügiger zu einer Entscheidung kommt. Bei man- sein Planungsteam aussuchen.
bei der Wohnungsbaugesellschaft an. Aber chen Verfahren sind die Termine schwammig Ulrich Schop Das heißt aber auch: Wenn wir Ärger
die übergeordneten Regeln müssten vom Senat und es heißt dann: Sie hören von uns. mit dem Schallschutzgutachter haben, dann
kommen. Viele Bürger verstehen ihre Rolle nicht. Christoph Roedig Die Politik denkt in vier oder haben wir das Problem, nicht der Bauherr, und
Neulich bei einem Partizipationsverfahren sagte fünf Jahren und muss Zahlen schaffen. Es ist der Bauherr schreibt uns die Behinderungsan-
eine Frau: Die Ecke von dem Haus, die ist ja aber ein Fehler, in Panik zu verfallen. Wir brau- zeige. Wir machen viel mehr Projektsteuerung.
immer noch da, die habe ich doch beim letzten chen Kontinuität, wir müssen dranbleiben. Als Und weil die Projekte jetzt so groß werden, gibt
Treffen weggemacht. wir um 2011 mit unseren Baugruppen zur ehemali- es immer mehr Generalübernehmerverfahren.
gen Senatorin für Stadtentwicklung Frau Junge-
Sind die Verfahren, die in Berlin derzeit für den Reiher gingen, hieß es: Luxusproblem! Wir brau- Hat die Konstellation nicht auch Vorteile?
Wohnungsbau laufen, transparent genug? chen keinen Wohnungsbau. Drei Jahre später Christoph Roedig Das ist schlüsselfertiges Bau-
Christoph Roedig Es gibt keine einheitlichen Ver- hieß es: Wir brauchen Wohnungen, Wohnungen, en nach Festpreis. Und die Firma will natür­-
fahren, das macht jede Wohnungsbaugesell- Wohnungen! lich sparen. Wenn wir aber als Architekten sehen,

Kann ich mal eine Wand weglassen? Muss


ich alles mit Raufaser bekleben? Da sind
die Wohnungsbaugesellschaften extrem
vorsichtig.
Die beiden Wohnriegel wur-
den in Schottenbauweise
aus Fertigteilen errichtet. Die
Fassade ist aus hochge-
dämmten, hinterlüfteten Holz-
außenwandelementen.
Lageplan im Maßstab 1 :7500,
Grundrisse und Schnitt
1 :750

Architekten
roedig . schop Architekten,
Berlin

Mitarbeiter
Rita Märker, Annette Haub-
ner, Carlo Miatello, Paola
Olivares, Erik Vellinga,
An-dreas Rauch, Claudia
Eteve

Tragwerksplanung
ITP, Berlin

Haustechnik
Ingenieurbüro Brandes,
Berlin

Landschaftsplanung
hochC Landschaftsarchi-
tektur, Berlin

Bauherr
Stadt und Land Wohnbau-
ten-Gesellschaft mbH,
Berlin

38 Thema Bauwelt 4.2018 Bauwelt 4.2018 Thema 39


dass ein Projekt kaputtgespart wird, sind wir Gewinnen bei den beschriebenen Verfahren bei denen nur die Kosten im Vordergrund stehen.
nicht mehr Sachverwalter des Bauherrn, son- eher die größeren Büros? Da gibt es krude Vorgaben: Balkone weglassen,
dern wir müssen über die Firma an den Bauher- Ulrich Schop Es kommt auf das Projekt an: Wenn Fenster nur noch so klein, dass man keinen außen­
ren herantreten. man 800 Wohnungen auf einmal bauen will, kann liegenden Sonnenschutz braucht – dadurch ent-
Ulrich Schop Ein Vorteil ist: Die Planung wird in- man nicht mit einem ganz kleinen Büro bauen. steht eine Architektur, die wir in Zukunft nicht se-
tegrierter. Wenn ich mit der ausführenden Bau­ Christoph Roedig Mittlerweile haben viele Woh- hen wollen. Wenn ich mir ein Quartier mit wei-
firma zusammen planen, kann ich kostengünsti- nungsbaugesellschaften die Baugruppenarchi- ßen WDVS-Kisten vorstelle, wo alle für geförder-
ger bauen. Man kann bereits in der Vorentwurfs- tekten im Portfolio, weil sie wissen, dass es da te 6,50 Euro wohnen, dann wollen viele da nicht
phase Dinge besprechen, nicht erst bei der Aus- eine Expertise gibt. hin. Die Körnung und die Durchmischung fehlen,
führungsplaung. Wenn ich zum Beispiel weiß, auch von Miete und Eigentum.
dass die Firma für einen bestimmten Aufzug Ra- Zurück zur Kostenfrage. Kann man generell für Ulrich Schop Einige Kollegen versuchen, an Gren-
batt bekommt, dann plane ich den Schacht 8,50 Euro Miete gute Wohnungen bauen? zen zu gehen und zum Beispiel monolithisch
gleich fünf Zentimeter größer. Die architektoni- Christoph Roedig Ich finde die Umrechnung von mit 49-Zentimeter-Wänden zu bauen. Zum Teil
sche Gestaltung darf aber natürlich nicht über Baukosten auf die Miete fatal und falsch. Wenn haben sie Mitstreiter bei den Wohnungsbauge-
die Baufirma laufen, das muss im vorgeschalte- man das Gebäude als Ganzes betrachtet, kann sellschaften. Das sind keine Standardprojekte,
ten Architekturwettbewerb entschieden werden. man es mit Mietkosten von 8,50 Euro nicht nach- aber es gibt sie.
haltig erstellen. Die Baupreise steigen, und selbst Christoph Roedig Viele Wohnungsbaugesell-
Wie frei ist man im Entwurf, wenn man mit wann man mit dem billigsten Material hantiert, schaften tun sich schwer mit der flexiblen Nut-
Produkten und Rabattlisten plant? schafft man es nicht. Es müsste einen Fond für zung. Sie wollen eine Zweizimmerwohnung und
Ulrich Schop An einem Projekt für eine andere Baukultur im Wohnungsbau geben: Man subven­ ich würde erstmal fragen: Was ist das überhaupt?
städtische Wohnungsbaugesellschaft werden tioniert doch alles Mögliche, man schießt Millio- Ich finde, man braucht andere belastbare Krite-
wir ausprobieren, was das heißt. Die Vorgabe nen in die Staatsoper, und der Wohnungsbau rien für gute Wohnungen.
„kostengünstig“ kommt ja von der Wohnungs- muss sich selbst tragen. Das geht nicht. Ulrich Schop Es ist ein vermeintliches Sicher-
baugesellschaft. Da stehen dann Dinge wie: „Es heitsdenken: Der Wohnungsschlüssel ist abgesi-
Die Erschließung über acht schaftsgärten (links). Auf
muss Laminat mit Holzmuster eingebaut wer- Was könnte man noch verbessern? chert durch die Vermietungsabteilung, deshalb Eingänge gliedert die bei­- WDVS wurde verzichtet.
den.“ Noch vor dem ersten Strich! Da ist mir Christoph Roedig Es wird zu wenig experimen- müssen wir das so machen. Mir fehlt die Bereit- den Baukörper in überschau- Die Geschosse werden
bare Nachbarschaften, die durch Horizontalbänder be-
dann eine Baufirma lieber, die sagt: Das Holzmus­ tiert, zum Beispiel mit Materialien. Die Howoge schaft zum Risiko: Das Sicherheitsdenken führt
Wohnungen spannen zwi- tont, die sich farblich von
ter ist billiger, dann habe ich wenigstens ein Ar- macht das im kleinen Rahmen mit dem Holz- und dazu, dass in Berlin kein Lacaton-Vassal-Grund- schen Anger und Garten­ den dunkelgrauen Panelen
gument. Holzhybridbau. Doch es gibt zu viele Projekte, riss ausprobiert wird. seite mit Mieter- und Gemein- absetzen.

Die städtebauliche Gesamt-


planung für das Entwick-
lungsgebiet Johannisthal /
Adlershof hat der Senat be-
reits 1993 erarbeitet, doch
erst jetzt ist die Nachfrage
für den Wohnungsbau groß
genug. roedig .schop sind
an zwei weiteren Neubau-
quartieren beteiligt:
Hermann-Dorner-Allee und
Straße am Flugplatz.

1 Landschaftspark Johan-
nisthal

1
2 Wohnen am Campus II –
Hermann-Dorner-Allee
(Howoge, 540 Wohnungen,
3 städtebaulicher Wettbe-
werb 2016, 1. Preis: roedig.
schop Architekten)
2
3 Straße am Flugplatz, ehe­-
mals Berlin-Chemie (Ho­
woge, 314 Wohnungen,
Gutachterverfahren 2016,
1. Rang: die Baupiloten)

40 Thema Bauwelt 4.2018 Bauwelt 4.2018 Thema 41

You might also like