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Torre für Prada

Der Standort der Fondazione Prada im Süden von Mailand ist wenig
attraktiv und schwer zu erreichen. Die vielen Besucher kommen
dennoch. Jetzt wurde mit dem Torre von OMA der noch fehlende Bau­
stein fertig. Er bietet einen weiten Blick über die Stadt.

Text Sebastian Redecke

Das seit den achtziger Jahren rasant wachsende Fondazione mit einer bedeutenden Sammlung ßen unscheinbaren Bauten sind flach, nur ein
Modehaus Prada entstand aus einer altehrwür­ moderner und zeitgenössischer Kunst neben erhöhter Block schob sich bisher etwas hervor
digen Mailänder Ledermanufaktur in Familienbe- einem Standort in Venedig die Gebäude der ehe- und wurde von OMA mit Blattgold überzogen
sitz. Heute werden nicht nur Taschen, sondern maligen Gin-Brennerei Società Italiana Spiriti (Bauwelt 25.2015).
Schuhe, Kleider, Sonnenbrillen, Schmuck und aus den frühen Jahren des letzten Jahrhunderts
teure Accessoires weltweit mit großem Erfolg im Süden von Mailand erworben. Rem Koolhaas, Zeichen gesetzt
vermarktet. Aber auch die dazugehörige Fonda- mit Miuccia Prada schon lange verbunden (u.a.
zione Prada mit ihrem Kunst- und Kulturpro- entwarf er Showrooms der Marke), erhielt den Ende April hat sich hier etwas Entscheidendes
gramm findet zunehmend Beachtung. Zuletzt Auftrag für den Umbau mit drei Ergänzungen. Es getan. Der letzte Baustein auf dem Areal wurde
sorgte die von Germano Celant kuratierte Aus- entstand vis-à-vis von zwanzig Bahngleisen ei- fertiggestellt und gibt ihm nun ein ganz anderes
stellung „Post Zang Tum Tuum – Art, Life, Politics: nes nahe gelegenen Güterbahnhofs eine eigene, Gesicht. An seiner Nordwest-Ecke wurde der
Italia 1918–1943“ für großes Aufsehen (Bauwelt in sich abgeschlossene Welt, versteckt im Ir- „Torre“ eröffnet. Koolhaas hatte von Anfang an
6.2018). Die Eigentümer, Miuccia Prada und ihr gendwo am Largo Isarco und mit öffentlichen Ver- diesen Turm als dritten Neubau im Programm.
Lebenspartner Patrizio Bertelli, haben für ihre kehrsmitteln schwer zu erreichen. Die nach au- Mit ihm ist auf einen Schlag alles anders: Nun prä-

Eingang der ehemaligen Gin- sentiert sich die Kunst- und Kulturstiftung sehr
Brennerei, die bereits 2015
deutlich an diesem Ort und versetzt den Vorbei-
umgebaut wurde. Im Hinter-
grund der neue Turm. fahrenden ins Staunen. Der Turm von großer Ele-
Schnitt im Maßstab 1 :750 ganz setzt ein deutliches Zeichen – und wirft
wegen seiner eigenwilligen skulpturalen Gestalt
Fragen auf.
Der Torre aus weißem Beton fügt sich aus ein-
zelnen Geschossen mit einer Gesamtfläche von
2000 Quadratmetern, die unterschiedliche Höhen
aufweisen. Beim Besuch erfährt man, dass das
erste Obergeschoss nur 2,70 Meter hoch ist, das
9. Obergeschoss hingegen eine lichte Höhe von
acht Metern erreicht. Sechs der Geschosse die-
nen als Ausstellungssäle. Sie beherbergen eine
ständige Präsentation mit Werken u.a. von Jeff Die Rückseite des Torre mit 2011 mit drei Chevrolets,
dem Aufzug und der stüt- Bau­j ahr 1955.
Koons (Tulips), Walter De Maria, Mona Hatoum,
zenden Strebe, die das Dach Foto links: Bas Princen,
Edward & Nancy Reddin Kienholz und in den zwei der benachbarten Lager- rechts Jacopo Milanesi.
obersten Geschossen von William N. Copley, halle durchbohrt. Großes Foto: Delfino Sisto
Oben: Ausstellungssaal Legnani e Marco Cappel­-­
Damien Hirst, John Baldessari und Carsten Höl-
auf Ebene 3. Walter De Ma- letti, Courtesy Fondazione
ler. ria, Bel Air Trilogy, 2000– Prada
Der aus der Ferne betrachtet einfach wirkende
Block ist bei näherer Betrachtung doch kein
schnell zu erfassendes Volumen. Knapp auf die
Ecke gesetzt, schiebt er sich unten schräg an-
geschnitten über die Straße. Der Zuschnitt der
Grundrisse variiert Geschoss für Geschoss,

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Die Geschosshöhen ver-
größern sich von unten
Das sechste Obergeschoss
nach oben von 2,70 Meter
bis auf 8 Meter. Links
ist dem Restaurant Torre
der Panoramaaufzug. Das vorbehalten. Es bietet eine
Treppenhaus wird groß­
zügig als offener Raum ze- eigene Welt mit dem Inte­
lebriert.
rieur aus dem berühmten
Restaurant „Four Sea­
sons“, das Philip Johnson
Die Toiletten mit Luxus-
Einzelkabinen und riesigen
Spiegeln wurden in einer
Reihe diagonal ins 1. Ober- 1958 in New York einge­
geschoss eingefügt.
Fotos: Bas Princen, unten:
richtet hatte und in Teilen
Jacopo Milanesi, oben
Sebastian Redecke; Fon­
hierher transferiert wurde.
dazione Prada

rechteckig oder in etwa trapezförmig. Dieser zu den Loggien wurden mit großer Klarheit und die kaum noch genutzten Bahngleise hinweg
Wechsel bildet sich vor allem auf der nördlichen unsichtbarer Technik entworfen. Die Hightech- nach Norden – mit Blick auf die Skyline von Mai-
Längsseite der Fassade ab. Einbauten kontrastieren mit ganz Einfachem – land, die sich in den letzten Jahren mit ihren
Aufgrund der unterschiedlichen Geschosshö- den Sperrholzplatten in den Ausstellungssälen neuen, im Vergleich zur Torre Velasca und zur
hen musste die Treppe mit besonderer Sorg­- oder die Trockenbauwänden hinter Gittern im Torre Pirelli leider für die Stadt beschämend be-
falt ausgearbeitet werden, damit die Treppenläu- Treppenraum. langlosen Glastürmen stark verändert hat.
fe mit der zunehmenden Anzahl an Stufen pas- Das 6. Obergeschoss ist dem Starkoch-Res- Der Ausstellungs-Torre der Fondazione kann
sen. Sie wird zu einem zentralen Raum des Turms, taurant vorbehalten. Es bietet eine eigene Welt auch durch ein Schiebetor separat von der Stra­-
offen, breit und großzügig. Gewaltige Glasflä- mit dem Interieur des berühmten Restaurants ße entlang der Gleise erreicht werden. Das Res-
chen, sicherlich ein erheblicher Kostenfaktor wie „Four Seasons“, das 1958 Philip Johnson in taurant machte dies erforderlich. Mit der Dach-
alle anderen großformatigen Glasflächen der New York eingerichtet hatte und in Teilen hierher terrasse steht er zudem für Veranstaltungen zur
Torre, trennen die Treppenläufe voneinander ab. transferiert wurde. Auch im Restaurant sind Ar- Verfügung.
Pro Geschoss betritt der Besucher immer nur beiten, u.a. von William N. Copley, Lucio Fontana Auf der Rückseite fällt die schräg nach oben
einen Ausstellungssaal, der sich entweder nach und John Wesley zu sehen. Das Dach wurde als verlaufende Strebe ins Auge, die das Dach der
Norden oder zur kurzen Seite nach Osten öffnet. 160 Quadratmeter große Terrasse mit Bar ausge- angrenzenden ehemaligen Lagerhalle der Bren-
Die raumhohen Schieberahmen der Glasfronten baut. Die meisten Räume orientieren sich über nerei durchbohrt. Sie ist ebenfalls aus Beton

Architekten
Die Nordfassade zur Stadt
OMA, Rotterdam, Rem Kool-
verdeutlicht das Konzept
haas, Chris van Duijn
mit den unterschiedlich ge-
schnittenen und geöffne-
Projektleitung
ten Ebenen.
Federico Pomignoli

Partnerarchitekten
Atelier Verticale, Mailand

Tragwerksplanung
Favero & Milan, Mailand

TGA
Favero & Milan, Mailand;
Prisma Engineering,
Mailand

Bauherr
Fondazione Prada, Mailand

Hersteller
Licht Erco, Luce 5, Tecno-
saier, Zumtobel
Ausstattung LEA Cerami-
che, Knoll, Marconi, Pis­to­-
lesi Caminetti, Ravasi, Slow
Wood, Tecnolegno, ZR

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Ebene 7 – Küche Ebene 8 – Ausstellung Ebene 9 – Ausstellung Dachterrasse – Rooftop-Bar

Ebene 3 – Ausstellung Ebene 4 – Ausstellung Ebene 5 – Ausstellung Ebene 6 – Restaurant

Einige Werke der ständigen Installation von Damien


Ausstellung „Atlas“. Hirst, Waiting for Inspiration
(und Stahl) und wurde aus statischen Gründen
Ebene 2: Jeff Koons, Tulips, (Red and Blue), 1994.
erforderlich, damit die übrige Konstruktion so 1995–2004; Carla Accardi, Fotos: Delfino Sisto Legna­-
leicht und stützenfrei wie möglich errichtet wer- Arbeiten von 1967 bis 1976. ni e Marco Cappelletti,
Ebene 9: Carsten Höller, Courtesy Fondazione Pra-
den konnte. Angeblich waren neue Standards
Upside Mushroom Room, da, Grundrisse im Maß­-
der Erdbebensicherheit zu beachten. In diese 2000. Ebene 8: William N. stab 1:500
Strebe ist teilweise der gläserne Riesen-Pano­ Copley, Arbeiten, 1972–94,
ramaaufzug des Torre eingefügt. Mit seiner Aus-
gestaltung aus blauem persischen Marmor und
den Lichtinszenierungen wirkt er wie eine Kost-
barkeit. Genau dieser Wechsel von auffallend
edel zu einfachen, fast unfertig scheinenden Be-
reichen wird beim Torre, aber auch auf dem ge-
samten Areal der Fondazione, ausgiebig zele­
Ebene 0 – Eingang, Lagerhalle Ebene 1 – Toiletten Ebene 2 – Ausstellung briert.

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