You are on page 1of 2

„Mann und Frau im Paradies.

“ Zur Konturierung der Geschlechterverhältnisse in der


Paradieserzählung (Gen 2,4b – 4,1).

Mit einem Ausblick auf das Neue Testament und die christliche Rezeptionsgeschichte.

Die Erzählung von Adam und Eva und dem ersten Sündenfall einschließlich seiner
Konsequenzen ist sehr wahrscheinlich jeder Christin und jedem Christen bekannt und sollte
auch für den Großteil der Menschen wenigstens ein Begriff sein. Darüber hinaus wird sie
immer wieder auch außerhalb des christlichen Kontexts z.B. in Kunst, Werbung, etc.
aufgegriffen und nicht selten wird diese grundlegende biblische Erzählung auf üble Weise
missbraucht – insbesondere in Bezug auf die Rolle der Frau, bzw. hinsichtlich „ihrer“ Schuld.

Generell enthält der Bibeltext (Gen 2,4b – 4,1) einige Spannungen, zu denen es
unterschiedliche Lösungsansätze gibt. Beispielsweise stellt sich die Frage nach der Gattung:
Historischer Tatsachenbericht oder – und diese Meinung entspricht der Lehrmeinung –
paradigmatische Schuld-Strafe-Erzählung? Darüber hinaus gibt es auch verschiedene
Meinungen zur Funktion der Erzählung, wobei relativ unumstritten ist, dass es sich
zumindest in erster Linie um eine Ätiologie handelt, die versucht, zu erklären, wieso das Leid
existiert, wenn Gott doch eigentlich alles gut erschaffen hat (vgl. Gen 1,31).

Die Erzählung lässt sich in ganz unterschiedlichen Weisen interpretieren. Mögliche


Interpretationen sind die ethische (ethische Urteilskraft als Folge der Übertretung),
intellektuelle (Selbstüberschätzung des Menschen), entwicklungspsychologische (Mensch
wird durch die Übertretung erst erwachsen), emanzipatorische (Mensch möchte selbst
bestimmen) oder die sexuelle Interpretation (Entdeckung der Nacktheit und ihre Folgen). Bei
einer genderorientierten Interpretation werden diese Herangehensweisen zum Teil
aufgegriffen und durch weitere Aspekte/Fragen ergänzt.
Zum einen spielt dabei das hebr. Nomen ’ādām (übersetzt mit dem Namen „Adam“) eine
sehr große Rolle. Denn die deutsche Übersetzung wird dem hebräischen Urtext an dieser
Stelle nicht gerecht, da dieser das Nomen ’ādām nahezu immer als kollektiven Singular
gebraucht. Gemeint ist also vielmehr die Menschheit/der Mensch „an sich“ (Ausnahmen:
Gen 4,25, Gen 5,1 ff, 1Chr 1,1).
Auch der Name Evas ist für die genderorientierte Deutung der Paradies- und
Sündenfallerzählung enorm wichtig. Chawwāh ist für die Frau des ersten Menschen nur in
Gen 3,20 und Gen 4,1 belegt und bedeutet wörtlich übersetz so viel wie „Mutter allen
Lebens“ - ein sehr positiver und ehrenhafter Titel. An einigen Stellen wird Eva auch mit dem
hebr. Wort ezer beschrieben. Luther übersetzt einen dieser Verse folgendermaßen: „Und
Gott der HERR sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Gehilfin
machen, die um ihn sei.“ (Gen 2,18). Leider macht die Lutherübersetzung hier einen
schwerwiegenden Fehler, der nicht nur in der Zeit des späten Mittelalters zu teils
furchtbaren Schlussfolgerungen führte, sondern bis in unsere heutige Zeit – vor allem in
fundamentalistischen Kreisen – für eine frauenfeindliche Bibelauslegung mmissbraucht wird.
(An dieser Stelle sollte aber nicht vergessen werden, dass die fehlerhafte Übersetzung
Luthers – und anderer! - auch der damaligen Zeit und den darin herrschenden
Geschlechterverhältnissen geschuldet ist, weshalb man Luther niemals die alleinige Schuld
an einer frauenfeindlichen Bibelexegese geben darf. Die Gründe sind vielmehr in der
jahrhundertelangen Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte seit Überlieferung der Texte zu
suchen!) Luther übersetzt ezer mit „Gehilfin“, worunter man lediglich eine Art nützliche
„Haushaltskraft“ versteht. Nicht mehr und nicht weniger. Der Mann bleibt nach wie vor der
Dominante und die (Haus-)Frau bleibt um ihn/auf Distanz, um für ihn zu sorgen. Eine
genauere Übersetzung würde allerdings jede frauenfeindliche Deutung ausschließen: „…ich
will ihm eine Hilfe machen, als Gegenüber.“ Noch besser wäre ezer sogar mit „Rettung“
übersetzt, weshalb Eva an dieser Stelle ein Gottesprädikat zugeschrieben wird. Eva wird zu
Adams Rettung – hinaus aus der Einsamkeit und Isolation. Eva ist Adam gleichgestellt, und
darüber hinaus dessen Rettung, die er mit einem „endlich(!)“ (Siehe Gen 2,23 nach der
Zürcher Bibel) begrüßt und bestaunt. Da Eva aus Adams Rippe genommen ist, herrscht
zwischen beiden eine tiefe Verbundenheit – wieso sollte diese Verbundenheit eine
Abwertung Evas darstellen? Und auch die zeitliche Abfolge (erst wird Adam, dann Eva
erschaffen) stellt keineswegs eine Abwertung Evas dar. Schließlich wird Adam genau
genommen auch erst durch die Erschaffung Evas zum endgültigen, lebendigen,
lebensfähigen Menschen (am Rande sei an dieser Stelle daran erinnert, dass Adam erst nach
Evas Erschaffung das erste Mal überhaupt spricht!).

Die Wirkungsgeschichte der Paradies- und Sündenfallerzählung lässt sich grob in vier
Abschnitte unterteilen. Die Literatur des Frühjudentums spricht von Adam als dem „König,
der Erde“ und spricht ihm göttliche Weisheit zu – jedenfalls vor seinem Vergehen. Philon von
Alexandrien nimmt nun zum ersten Mal Bezug auf die Geschlechterverhältnisse und deutet
den Sündenfall allegorisch: Schlange = Lust, Adam = Vernunft, Eva = Sinneswahrnehmung.
Die Tendenz, Eva die Schuld an der „Erbsünde“ zu geben, wird schon hier deutlich.
Im Rabbinischen Judentum wurde diese Thematik nahezu ignoriert und vor allem die
Schuldfrage wurde kaum mehr berücksichtigt.
Ab dem 1. Jh.. v. Chr. bis ins 1. Jh. n. Chr. fanden die sogenannten Adamschriften große
Verbreitung. In Vita Adae et Evae wird Adams Sünde vergeben, Eva hingegen wird sogar
zweimal verführt, bzw. lässt sich verführen.
Im Neuen Testament wird an manchen Stellen ein Bezug zwischen Adam und dem Messias
hergestellt. Adam brachte demnach den Tod in die Welt, woraufhin Christus (der „letzte
Adam“) lebendig machender Geist ist (Röm 5,12ff). Auch in der Genealogie Jesu wird bis auf
Adam zurück verwiesen (Lk 3,38). Das Verhältnis von Mann und Frau wird unter Rückgriff auf
Gen 1-3 nur in wenigen Stellen erläutert: In 1Kor 11,7-9 wird der Mann zunächst als Abglanz
Gottes und die Frau als Abglanz des Mannes beschrieben, was allerdings in Vers 12
relativiert wird, und in 1Tim 2,8-15 wird dazu aufgerufen, dass sich die Frauen im
Gottesdienst den Männern unterordnen und schweigen mögen. Die Begründung wird kurz
darauf geliefert: „Denn Adam wurde zuerst gemacht, danach Eva. Und Adam wurde nicht
verführt, die Frau aber hat sich zur Übertretung verführen lassen.“ (1Tim 2,13f) Eine traurige
und vollkommen falsche Schlussfolgerung…

Nico Schuppener

You might also like